Pure italienische Lebensfreude
Aus der anfänglichen Skepsis gegenüber den Neu-Bürgern ist Freundschaft geworden. Die Bahnhofstraße spielt da eine Hauptrolle
Bad Wörishofen Als vor 49 Jahren die Familie Antichi mit dem „Capri“in der BürgermeisterStöckle-Straße das erste italienische Lokal eröffnete, prophezeiten ihm viele Einheimische gewiss nur eine kurze Lebensdauer. „Wer soll da schon hingehen“, war damals häufig hören. Nun, das „Capri“gibt es heute noch und als fast gleichzeitig Gino Pironi ab 1968 mit seinen diversen Lokalen auf sich aufmerksam machte, kam, trotz immer noch gewisser Skepsis, schon etwas mehr italienisches Flair in die Kneippstadt.
Inzwischen haben sich die Zeiten geändert – und das, was sich an Gastronomie in Bad Wörishofen im Freien abspielt, ist jetzt schon fast wieder andersherum erstaunlich. Gerade in diesem sonnigen Sommer konnte man erleben, wie die vielen Lokale mit Außenbewirtung, die es inzwischen im Zentrum der Stadt gibt, bestens frequentiert werden. Italien lässt grüßen, zumindest wenn es die Temperaturen zulassen. Speziell in der Meile der Bahnhofstraße zwischen dem Gasthof Rössle im Westen mit seinem herrlichen Biergarten bis hin zum Bahnhof im Osten mit seinem riesigen Vorplatz mit Bäckerei und Restaurant muss man an schönen Tagen fast schon Glück haben, um einen Platz zu bekommen.
Das Bahnhofsrestaurant heißt inzwischen ja auch schon „La Stazione“und wird von Ernesto Ianniro betrieben. „Wir haben das bewusst auf „italienisch“gemacht, weil das gut hierher passt. Bei schönem Wetter sieht es in der ganzen Straße wie im Urlaub aus. Das ist doch schön“, erklärt der Inhaber. Inzwischen ist auch der lange verwaiste Garten wieder ein begehrtes Ziel.
Wilma und Lee Siedsma haben es sich bei einem Eisbecher auf dem Bahnhof-Vorplatz am Brunnen gemütlich gemacht. Sie sind von der Atmosphäre angetan: „Es war eigentlich Zeit, dass es hier so etwas gibt und speziell die Bahnhofstraße hat eine tolle Entwicklung genommen.“Das Paar aus Holland und England lebt seit drei Jahren in Bad Wörishofen und schätzt die gesamte Infrastruktur in der Stadt. „Es dürften durchaus noch mehr solche Restaurants geben, denn an schönen Tagen ist hier schon manchmal alles voll“, so ihre Aussage.
Ganz gezielt und bewusst die italienische Lebensweise in den Vordergrund gestellt hat Robert Schmiderer mit seinem „Rossini’s“neben dem Kino. Schon in seinem Motto auf der Speisekarte „Das Rossini’s ist ein Ort, in dem man gut isst und sich begegnet“kommt dies zum Ausdruck. „Mein Ziel ist es, mit dieser italienischen Art mehr Lebensfreude in den Ort zu bringen. Deshalb gehört dazu der Holzofen für die Pizzas und die Pastaspeisen auf der Karte. Zum Namen hat mich der gleichnamige Film inspiriert“, so Robert Schmiderer, der das Lokal derzeit selber betreibt. „Wir wollen aber auch die bayerische Gastlichkeit mit Italien verknüpfen und mit dieser Gastrokultur größere Bevölkerungsschichten auch von auswärts ansprechen.“Bestens angenommen wird inzwischen auch der schattige Außenbereich. „Genießen Sie einen schönen Tag bei Flammkuchen, Pizza und der italienischen Küche“heißt hier das Motto.
In der Bahnhofstraße sieht er bereits so etwas wie eine multikulturelle Welt, zu der auch seine Nachbarschaft mit Kino, dem griechischen Lokal oder dem Gasthof Rössle am Kurhaus aus seiner Sicht beitragen. Er könnte sich sogar auch mehr gemeinsame Veranstaltungen hier vorstellen.
Nicht fehlen dürfen bei der italienischen Lebensweise natürlich der Eisgenuss und das Kaffeetrinken. Deshalb passt es natürlich wunderbar, dass gleich nebenan das Eiscafé „Buongiorno“sein reichhaltiges Sortiment anbietet und dies ebenfalls in einem großen Außenbereich tun kann. Gab es früher nur ein oder zwei Eiscafés, so hat sich auch hier der italienische Aspekt deutlich vermehrt. Und wenn man von der Bahnhofstraße in die Hauptstraße abbiegt, klingt es mit dem „Vino & Sapori“auch gleich wieder italienisch.
Noch keinen Vorteil aus der „neuen Bahnhofstraße“gezogen hat nach eigenen Angaben eines Geschäftsinhabers der Einzelhandel. „Seit die Bahnhofstraße zum Teil Fußgängerzone ist, tun wir uns schon deutlich schwerer. Die meisten Leute wollen einfach mit dem Auto vor das Geschäft fahren und das fehlt uns jetzt natürlich“, so seine kritische Aussage.
Doch durch den Einzug des italienischen Flairs mit vielen Angeboten an Außenbewirtung in der ganzen Stadt hat diese zweifellos an Attraktivität gewonnen. Es muss eben nur auch das Wetter seinen Teil dazu beitragen.
In der Bahnhofstraße, die hier eine ganz spezielle Rolle spielt, geht es ja schon bald mit der vom Hotel Residence mit getragenen „Südtiroler Meile“im südländischen Stil weiter. Auch dann wird diese wieder zur Flaniermeile.