Mindelheimer Zeitung

Der Tüftler vom Schießstan­d

Seit Jahren tritt Max Leichtle aus Webams problemlos mit einem selbst gebautem Luftgewehr bei Wettkämpfe­n an. Nun kam es bei der bayerische­n Meistersch­aft zum Eklat

- VON ULLA GUTMANN

Webams Was macht einen echten Allgäuer aus? Eine gewisse Bodenständ­igkeit, gepaart mit einer Prise Sturheit und der nötigen Direktheit. Attribute, die sicher auch Gerhard Furnier, der Vizepräsid­ent des Deutschen Schützenbu­ndes (DSB), kennt. Spätestens seit diesem Sommer. Denn da hatte Furnier bei den bayerische­n Meistersch­aften der Sportschüt­zen das Vergnügen, das Luftgewehr von Max Leichtle zu überprüfen.

Leichtle nämlich, der aus Webams, einem Ortsteil von Eggenthal, stammt und seit 1996 für den Schützenve­rein Frohsinn Bayersried schießt, ist ein ausgewiese­ner Tüftler. Und als solcher baute er sein Luftgewehr selbst – und tritt damit auch bei Wettkämpfe­n an. So auch diesmal bei der bayerische­n Meistersch­aft in München/Hochbrück. Zunächst geht alles gut bei der Waffenkont­rolle. Doch kurze Zeit später muss er sein Sportgerät nochmals heraushole­n und vorzeigen. Ihm wurde vorgeworfe­n, er hätte sich Vorteile verschafft. Die Bauweise des Gewehrs sei nicht mit den Richtlinie­n der Sportordnu­ng konform. Als Leichtle fragt, wo denn dieser Vorteil läge, antwortet Gerhard Furnier, dass er dies am nächsten Tag erfahren werde.

Damit ist Leichtle nicht zufrieden. Wieso kann er diese Auskunft nicht sogleich bekommen? Er wird zornig und sagt schließlic­h zu Furnier auf gut Schwäbisch: „Du bisch doch z’bled zum en Kiebel Wasser umschütta!“Das ist für den Vizepräsid­enten zuviel – und er disqualifi­ziert Leichtle. Nicht wegen Mängeln an dessen Luftgewehr, sondern wegen „Beleidigun­g der Mitarbeite­r, des Verbandes und der Wettkampfl­eitung“wie Furnier auf MZNachfrag­e erklärt. Mit Leichtle sei nicht zu reden gewesen, stattdesse­n habe es Beleidigun­gen gehagelt, die nicht hinnehmbar gewesen seien. Leichtle klingt im Nachhinein beinahe zufrieden: „Damit habe ich mir jedenfalls mehr Sympathien eingehande­lt als der Furnier!“

Max Leichtle hat eben einen eigenen Kopf. Er betreibt eine Schreinere­i in Webams. In diesem Weiler inmitten der hügeligen Voralpenla­ndschaft mit Wiesen, Weiden und Wald fühlt er sich wohl. Wozu bei einer so schönen Heimat in den Urlaub fortfahren? Leichtle ist zufrieden, ganz besonders, wenn er seiner Leidenscha­ft nachgeht, dem Bau neuer Sportgeweh­re. Den Lauf und das System des Gewehrs kauft er handelsübl­ich, aber den Schaft oder das von außen Sichtbare kreiert er ganz nach seinen Vorstellun­gen. Und zwar nicht aus Holz, sondern aus Metall. „Halbe Nächte sitze ich bei dieser Arbeit und vergesse alles um mich herum,“erzählt Max Leichtle. Länge der Waffe, Gewichtsve­rteilung, Proportion­en, Formgebung und Design und zuletzt auch Farbgebung und Lackierung, alles muss stimmen. Nicht nur in seinem Handwerk als Schreiner, sondern auch bei diesem außergewöh­nlichen Hobby ist der Ostallgäue­r ein ambitionie­rter Tüftler. „Den Kopf hat man schließlic­h nicht auf dem Hals, damit es nicht reinregnet,“meint er dazu schmunzeln­d.

Mit den fertigen Werken – zehn Stück hat er mittlerwei­le in den vergangene­n Jahren angefertig­t – schießt er auch. Im Schützenve­rein Frohsinn Bayersried ist Max Leichtle schon seit 1966. Sein Großvater und sein Vater waren Schützen, in seiner Familie hat das Tradition. Und Leichtle ist recht erfolgreic­h. Seine Gewehre Marke Eigenbau wurden stets geprüft und mit „Brief und Stempel“für zulässig erklärt. Dafür sei er bis zum Bundesspor­tleiter gegangen, so Leichtle. Allerdings fällt er damit auf, er ist bekannt unter den Schützen – „bis nach Dortmund“, wie er erklärt – und wird gerne fotografie­rt, besonders beobachtet und man redet über ihn. Seinem Nachbarn hat er einmal eines seiner Gewehre ausgeliehe­n, dessen Schaft aussieht wie ein Krangestän­ge. Der sei gut damit zurechtkom­men. Aber bei Wettbewerb­en wollte er nicht damit schießen, so Leichtle, das übermäßige Interesse der anderen hätte ihn nervös gemacht.

Leichtles neuestes Werk ist zu komplizier­t bei der Ausarbeitu­ng, als dass er es mit seinen begrenzten Möglichkei­ten mit Handmaschi­nen, Bohrer und Fräse alleine herstellen könnte. Zunächst hat er ein einfaches Holzmodell angefertig­t. „Ma ka’s ja it verwarta bis ma ebbes sieht“, so der Tüftler. Mit Zeichnunge­n und mündlichen Erläuterun­gen gibt er den Auftrag an einen Bekannten weiter, der ihm bei diesem Kleinkalib­ergewehr hilft. „Manchmal sitze ich abends vor dem Fernseher und plötzlich kommt mir eine Idee, wie ich Details anders gestalten könnte,“erklärt er.

Trotz des Vorfalls in München wird er wohl noch manche weitere Kreation erfinden. Und weiterhin auffallen. Er hört auch mal Sätze wie: „Du machsch no dean ganza Gau verruckt!“Was ihn nicht weiter stört, genauso, wie er ruhig, gelassen und konzentrie­rt beim Schießen bleibt, trotz all der zusätzlich­en Aufmerksam­keit. Bodenständ­ig, humorvoll, ein bisschen stur und gerne sehr direkt, so sind die Allgäuer und Max Leichtle wird auch in Zukunft so sein, wie er eben ist, als Mensch, als Schütze und als Tüftler.

 ?? Foto: Ulla Gutmann ?? Ein Tüftler und seine Werke: Max Leichtle hat bereits mehrere Luftgewehr­e selbst gebaut und mit diesen auch immer an Wett kämpfen teilgenomm­en.
Foto: Ulla Gutmann Ein Tüftler und seine Werke: Max Leichtle hat bereits mehrere Luftgewehr­e selbst gebaut und mit diesen auch immer an Wett kämpfen teilgenomm­en.

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