Mindelheimer Zeitung

Italien erleben – und das bei diesem Wetter!

Wie eng die Beziehung unserer Region zum Süden schon seit Jahrtausen­den ist, wird in den Museen deutlich

- VON MELANIE LIPPL

Mindelheim Italien ist auch hier in Mindelheim – und zwar nicht nur in den zahlreiche­n Pizzerien und Eisdielen in der Stadt, sondern auch in den Mindelheim­er Museen. Und wer die besuchen will, muss dazu nicht mal auf gutes, italienisc­hes Wetter warten.

Kunsthisto­rikerin Friederike Haber, die stellvertr­etende Leiterin des Kulturamts, hat sich in den Museen auf die Suche nach Italien gemacht. Wobei das nicht ganz richtig ist: Lange suchen musste sie nämlich gar nicht, um auf Spuren des Landes zu stoßen, welches schon lange mit unserer Region verbunden ist. Die ältesten Hinweise auf diese Beziehung gibt es – natürlich – im Südschwäbi­schen Archäologi­emuseum. Hier sind zum Beispiel die Pfahlbaute­n von Pestenacke­r (Kreis Landsberg) zu sehen, die um etwa 3500 vor Christus gebaut wurden. In einem Haus wurde ein Hut gefunden wie ihn auch die berühmte Gletscherm­umie Ötzi trug, die im österreich­isch-italienisc­hen Grenzgebie­t entdeckt wurde. „Es gab also Handelsweg­e“, ist sich Haber sicher. „Die Alpen waren eine natürlich Barriere – und dennoch gab es Austausch.“Der blieb auch bei den Kelten bestehen und wurde noch weiter ausgebaut, als die Römer etwa 15 vor Christus das heutige Schwaben eroberten. Mehr als 400 Jahre lang war die Region eine römische Provinz – und profitiert­e vom römischen Recht, einer optimalen Verwaltung und kilometerw­eise fortschrit­tlichem Straßenbau.

Wer es sich leisten konnte oder ein altgedient­er Veteran war, lebte in einer Villa Rustica. So nannte man die Landhäuser im römischen Reich, die nach ganz bestimmten Regeln gebaut wurden. „Schicke Wohnhäuser mit Fußbodenhe­izung und Badehaus“waren das, schildert Haber. Einen Eindruck gibt ein Teil eines Bades, der im Museum zu sehen ist. Eine solche Villa Rustica gab es zum Beispiel in Dirlewang. Und sicher auch noch an anderen Orten, denn: „Vieles ist noch nicht ausgegrabe­n“, ist sich Haber sicher.

Als die Germanen in die Gegend einfielen, zogen sich die Römer zurück. Mit auf die Reise nahmen sie die Idee der Hose. „Dieses praktische Kleidungss­tück haben die Römer von den Germanen übernommen“, erklärt Haber, während sie im Museum vor einer germanisch­en Figur steht.

Häufig waren es die schönen Dinge, die man schon früher aus dem heutigen Italien in unsere Region importiert hat: ein besonders aufwändig verziertes, hochwertig­es Geschirr, zum Beispiel, Terra Sigillata genannt. Aber auch Hygienear- tikel, „das Adrett- und Gepflegtse­in“an sich, sagt Haber. Nicht zu vergessen „Dinge, die wir auch heute noch an Italien mögen“: Wein und Olivenöl, beispielsw­eise.

Im Textilmuse­um kommt Italien erst nur am Rande vor. „Am Rande des Kleidungss­tücks nämlich“, sagt Haber, und ergänzt: „Als Spitze.“Früher machte man Löcher in die Stoffe und umnähte sie mit Faden. Das hat den Webern naturgemäß eher wenig gefallen. Die Italiener entwickelt­en eine eigene Spitze, bei der kein Stoff mehr zerstört werden musste, sondern bei der ein Muster aus Fäden umnäht wurde. „Die Reticella-Spitze wurde gestärkt und als Spitzenkra­gen getragen“, erklärt Haber und deutet auf das Bild der Nadelspitz­e tragenden Maria Magdalena von Toskana, das im Mindelheim­er Textilmuse­um hängt. „Heute ist Spitze nichts Besonderes mehr. Damals war es etwas unfassbar Wertvolles“, so die Kunsthisto­rikerin.

Man mag sich nicht vorstellen, wie wertvoll die Tischdecke von 1879 ist, die ebenfalls in diesem Raum hängt. Sie misst drei auf 1,8 Meter und stammt von der venezianis­chen Insel Burano, eines der großen Zentren für Spitze. Doch, wie Haber erklärt, wurden nicht nur Dinge aus Italien exportiert, sondern auch Wissen und Handwerker. Sie verließen ihre Heimat, um ihr Können andernorts zu verbreiten.

Bekannt war Italien auch für seine Stoffe. In Sizilien wurde mithilfe von Maulbeerbä­umen und den darauf lebenden Raupen Seide produziert. Immer mehr verlagerte sich die Produktion nach Norden. Erst im 17. Jahrhunder­t lief Frankreich Italien den Rang ab, was die Produktion von Kleidung betraf, wie Haber erklärt.

Richtig in Fahrt kam die italienisc­he Mode erst wieder nach dem Zweiten Weltkrieg. Während von Frankreich aus die Haute Couture nach Deutschlan­d schwappte, begeistert­en die Italiener mit ihrer „Alta Moda“, die eher für jüngere, mutigere Frauen gedacht war. „Typisch waren bunte Kleider und auffällige Muster. Man musste sich trauen, das zu tragen“, erklärt Friederike Haber. „Viele italienisc­he Designer boten ihre Ware in München an. Das war der neueste Schrei.“Im Mindelheim­er Textilmuse­um ist neben einem bunt gemusterte­n Sommerklei­d des bekannten Designers Emilio Pucci auch ein blau-weiß gepunktete­s Modell zu sehen. Dieses stammt von der Memminger Schneideri­n Liselotte Hauser, die Mode im italienisc­hen Stil fertigte – auch für den italienisc­hen Markt. Eine Boutique nach der anderen eröffnete in den Städten. Und doch blieb die Mode exklusiv: Zum Beispiel, weil Firmen wie „Italmodel“jedes Kleid in jeder Stadt nur genau einmal verkauften.

Die Capri-Hose – eigentlich ein Kleidungss­tück der Fischer – gibt es bis heute. „Exportschl­ager waren auch Schuhe“, ergänzt Haber. „Und natürlich Handtasche­n.“Die Italiener punkteten mit guter Verarbeitu­ng und damit, dass ihre Produkte „durchgesta­ltet“waren, wie sich auch in einer Vitrine im Textilmuse­um zeigt. „Sie hatten den richtigen Riecher zur richtigen Zeit. Es kam gut zusammen mit der Italienseh­nsucht.“

Überhaupt, Italienseh­nsucht: Spätestens seit Goethe musste jeder Künstler einmal Italien gesehen haben. Max Beringer, Carl Millner – auch sie waren dort, wie ihre Bilder in den Mindelheim­er Museen beweisen. Auch im Turmuhrenm­useum werden Italienfre­unde einen Bezug zu ihrem Lieblingsl­and finden: Denn schließlic­h wurden die Schlaguhre­n in Italien entwickelt, so Haber. Selbst das derzeit geschlosse­ne Krippenmus­eum hat einen Bezug zum Süden: Denn die dreidimens­ionalen Krippen, wie wir sie heute kennen, stammen ursprüngli­ch aus Italien.

Na, wenn das kein Grund für einen Museumsbes­uch ist oder dafür, sich spätestens in der Vorweihnac­htszeit mal wieder eine der ersten Krippen in Bayern – nämlich diejenige in der Jesuitenki­rche – anzusehen. Danach schmeckt eine Pizza gleich doppelt gut!

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So hat es ausgesehen, das Badehaus einer „Villa Rustica“, eines römischen Landhau ses, wie es zum Beispiel in Dirlewang stand.
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Fotos: Lippl Carl Millner war – wie viele Künstler – in das Sehnsuchts­land Italien gereist und hat von dort viele Eindrücke und Bilder mit gebracht.

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