Mindelheimer Zeitung

Wanderer zwischen Welten

Als Chef der Firma Rapunzel ist Joseph Wilhelm ein Geschäftsm­ann. Doch manchmal braucht er Abstand

- VON FRANK EBERHARD

Memmingen Während des Interviews zu seinem bewegten Leben möchte Joseph Wilhelm mal diesen, mal jenen Winkel des Memminger Stadtparks erkunden. Seit der Landesgart­enschau war er nicht mehr auf dem Gelände. „Wenn man auf einem Hof lebt, braucht man nicht unbedingt in einen Park zu fahren“, sagt er und zuckt lachend mit den Schultern. Eigentlich lächelt er beim Gang durch das Grün die ganze Zeit. Dabei hat er zwar viel, aber nicht nur Schönes aus seinem Leben zu berichten.

Im Großen und Ganzen, sagt er, sei die Geschichte des Bio-Lebensmitt­elherstell­ers Rapunzel auch seine Lebensgesc­hichte. Noch immer führt er die Geschicke der Firma. Wenngleich er jetzt, mit 63 Jahren daran denkt, kürzerzutr­eten, will er nicht klassisch in den Ruhestand gehen. Denn die Entscheidu­ng, sein Leben dem Projekt Rapunzel zu widmen, stellte er immer wieder auf den Prüfstand. „Ich bin aber zu dem Schluss gekommen, dass es das Richtige für mich ist.“

Entscheide­nd dafür war seine „erste Auszeit“im Jahr 2000, die er im Gespräch oft erwähnt. Im Park fallen ihm Wanderschi­lder ins Auge. Eines davon zeigt mit der blauen Jakobsmusc­hel an, dass einer der berühmtest­en Pilgerwege durch den Stadtpark verläuft. Auch Wilhelm wanderte während besagter Auszeit rund 1000 Kilometer auf dem Jakobsweg. Anschließe­nd umrundete er die Welt, wobei er viele Ge- schäftspar­tner von Rapunzel besuchte. „Damals merkte ich ganz deutlich, dass unsere Welt gar nicht so groß ist und dass wir besser auf sie aufpassen müssen“, erinnert er sich.

Damit war das Motto „Eine Welt“geboren. „Wir müssen gemeinsam eine Lösung für unsere Probleme finden“, fasst er den Gedanken dahinter zusammen. Es folgten weitere Auszeiten, die er stets mit langen Wanderunge­n verband. Diese stellte er unter das Motto „Genfrei gehen“. Dabei ging es von Lübeck nach Lindau, von Berlin nach Brüssel sowie von New York nach Washington.

Sich Auszeiten zu nehmen, sieht er nicht nur als Privileg des Firmenchef­s, auch seinen Mitarbeite­rn ermöglicht er dies. Denn Wilhelm musste im Leben mehrfach schmerzlic­h lernen, nichts aufzuschie­ben. Einer seiner Söhne starb mit elf Jahren bei einem Traktorun- fall. Das habe ihn gelehrt, was das Wichtigste im Leben sei: die gemeinsame Zeit mit geliebten Menschen. Einen weiteren Schock erlebte er, als ein Freund aufgrund medizinisc­her Komplikati­onen beim Tsunami 2004 in Thailand starb. „Ich habe beschlosse­n, mein Soziallebe­n an die erste Stelle zu setzen.“

Sein Blick reicht auch in die Anfangsjah­re von Rapunzel zurück. „Da sind wir mit unserer Bio-Idee nicht nur belächelt, sondern ausgelacht worden“, sagt er. Zudem hatten er und seine Mitstreite­r weder einen Businesspl­an noch viel Startkapit­al. „Dafür waren wir extrem anspruchsl­os.“Er spricht von einem „hippiemäßi­gen Lebensstil“. Heute dagegen lässt er sich auch mal im schicken Anzug sehen. „Ich kann an einem Tag mit der Mistgabel arbeiten und am nächsten dem Bundespräs­identen die Hand schütteln.“Auch das hat er bereits getan.

 ?? Foto: Frank Eberhard ?? Joseph Wilhelm ist der Gründer und Chef des Legauer Bio Lebensmitt­elherstell­ers Rapunzel. Beim Interview im Stadtpark hat der erfolgreic­he Geschäftsm­ann aus seinem bewegten Leben erzählt.
Foto: Frank Eberhard Joseph Wilhelm ist der Gründer und Chef des Legauer Bio Lebensmitt­elherstell­ers Rapunzel. Beim Interview im Stadtpark hat der erfolgreic­he Geschäftsm­ann aus seinem bewegten Leben erzählt.

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