Die Angst vor dem Atomkrieg ist zurück
Raketentests in Nordkorea, Drohung mit einem Vernichtungskrieg aus den USA. Wächst die Gefahr?
New York Überall wird über Aufrüstung gesprochen. Der US-Präsident Donald Trump droht vor den UN Nordkorea mit der Vernichtung – der Konflikt droht zu eskalieren. Schon wird davor gewarnt, dass ein atomarer Schlagabtausch nicht mehr ausgeschlossen ist. Doch es gibt auch gegenläufige Entwicklungen. 122 von 193 Ländern der Vereinten Nationen – also mehr als zwei Drittel – haben sich im Juli unbemerkt von einer breiten Öffentlichkeit für ein Verbot aller Atomwaffen dieser Welt ausgesprochen. Gestern haben 51 Länder den Vertrag unterschrieben: Er tritt also in Kraft. Keines der neun Länder, die mutmaßlich Atomwaffen besitzen, hat an den Verhandlungen über den Vertrag teilgenommen. Auch Deutschland und fast alle anderen Nato-Länder waren nicht dabei. Der Vertrag hat daher lediglich Symbolkraft. Aber er setzt ein Zeichen gegen den weltweiten Trend der Aufrüstung.
Wie viele Atomwaffen gibt es? Nach einer aktuellen Studie des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri waren Anfang des Jahres 14935 Atomsprengköpfe im Besitz von neun Ländern. 93 Prozent gehören den USA und Russland, die restlichen sieben verteilen sich auf China, Indien, Pakistan, Israel, Großbritannien, Frankreich und Nordkorea. Die Zahl ist heute noch leicht rückläufig – in den 80er Jahren waren es noch 70 000 Sprengköpfe.
Kann man dann von nuklearer Abrüstung sprechen?
Wohl kaum. Die leichte Reduzierung der Sprengköpfe geht auf einen Abrüstungsvertrag zwischen den USA und Russland von 2010, genannt „New Start“, zurück. Darüber hinaus gibt es bisher keine Ambitionen der beiden mit Abstand größten Atommächte, die Zahl der Nuklearwaffen weiter herunterzufahren. Gleichzeitig werden die verbliebenen Waffen auf beiden Seiten – und auch bei den kleineren Atommächten – mit viel Geld modernisiert. Experten gehen davon aus, dass alleine die USA in den nächsten 30 Jahren bis zu einer Billion (1000 Milliarden) US-Dollar (834 Milliarden Euro) in die Modernisierung stecken werden.
Gibt es in Deutschland Atomwaffen? Darüber wird nicht offen gesprochen. Experten gehen aber davon aus, dass auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel noch etwa 20 Sprengköpfe lagern. Die SPD hat im Wahlkampf den Abzug gefordert. Im Alleingang – ohne Zustimmung der USA und der Nato – ist das aber kaum denkbar. Zumindest nicht, ohne ein Zerwürfnis unter Bündnispartnern zu provozieren.
Donald Trump hat vor der UNVollversammlung das Atomabkommen mit dem Iran scharf kritisiert. Was steckt dahinter?
Mit dem 2015 geschlossenen Abkommen zwischen dem Iran sowie den USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland sollte die Sorge vor einer iranischen Atombombe zerstreut werden. Der Iran akzeptierte Kontrollen seiner Urananreicherung, im Gegenzug sollte der Westen Wirtschaftssanktionen gegen das Land aufheben. Präsident Hassan Ruhani hat Trumps Kritik zurückgewiesen. „Der Iran wird das Abkommen nicht zuerst verletzten, aber auf jede Verletzung durch die Partner werden wir entschlossen und resolut antworten.“Das iranische Atomprogramm sei aber nicht darauf ausgelegt, an Atomwaffen zu kommen.
Was steht im neu unterzeichneten Vertrag?
Der Vertrag erklärt Atomwaffen für illegal und verbietet es allen Unterzeichnern, sie zu entwickeln, besitzen, lagern, stationieren oder zu finanzieren. Initiiert wurden die Verhandlungen 2014 von einer kleinen Staatengruppe, zu der unter anderen die EU-Mitglieder Österreich und Irland zählten.
Warum nahmen die Atommächte nicht an den Verhandlungen teil? Sie stehen zum Prinzip der nuklearen Abschreckung: Der Besitz von Atomwaffen soll davor schützen, selbst mit Massenvernichtungswaffen angegriffen zu werden. Die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich können sich darauf berufen, dass es schon einen internationalen Vertrag über atomare Abrüstung gibt, den Atomwaffensperrvertrag von 1968. Er soll die Ausbreitung von Atomwaffen verhindern und beinhaltet eine Verpflichtung zur Abrüstung – aber kein Verbot. Die Atommächte Indien und Pakistan gehören nicht zu den Vertragsparteien. Auch Israel und Nordkorea sind nicht dabei. Israel hat den Besitz von Atomwaffen nie zugegeben, aber er gilt als sicher. Wie weit Nordkorea bei der Entwicklung ist, ist unklar. Trump hatte vor den UN damit gedroht, Nordkorea als Reaktion auf einen möglichen Angriff „völlig zu zerstören“. Bundeskanzlerin Merkel kritisierte die Drohungen. „Wir halten jede Art von militärischer Lösung für absolut unangemessen und setzen auf diplomatische Bemühungen“, sagte sie der