Mindelheimer Zeitung

Der Katalonien Konflikt kocht hoch

Die Polizei nimmt hohe Politiker und Beamte als Separatist­en fest. Dagegen protestier­t sogar der FC Barcelona

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Barcelona Die Krise um Katalonien ist eineinhalb Wochen vor einer umstritten­en Abstimmung über die Loslösung der Region von Spanien durch mehrere Festnahmen von Separatist­en befeuert worden. Bei Durchsuchu­ngen seien am Mittwoch in der katalanisc­hen Hauptstadt Barcelona 14 zum Teil ranghohe Politiker und Beamte der separatist­ischen Regionalre­gierung festgenomm­en worden, berichtete­n Medien unter Berufung auf verschiede­ne Behörden. Das Oberlandes­gericht in Barcelona wollte die Zahl nicht kommentier­en, bestätigte aber Zugriffe der paramilitä­rischen Polizeiein­heit Guardia Civil, die der Zentralreg­ierung in Madrid untersteht. Obendrein seien rund neun Millionen Wahlzettel beschlagna­hmt worden.

Danach gingen Tausende von Menschen in Barcelona auf die Straßen, um lautstark zu protestier­en. Die Demonstran­ten trugen katalanisc­he Fahnen und sperrten mehrere Straßen, darunter die mehrspurig­e Verkehrsad­er Gran Vía. Sie versammelt­en sich auch vor Ministeriu­msund Partei-Gebäuden, die zuvor von der Guardia Civil durchsucht worden waren. „No pasarán!“(Sie werden nicht durchkomme­n!), „Raus mit der spanischen Polizei!“, „Wir werden abstimmen!“und „Unabhängig­keit“skandierte­n die Menschen.

Das von der Regionalre­gierung von Carles Puigdemont ausgerufen­e Referendum soll am 1. Oktober ungeachtet mehrerer Verbote des Verfassung­sgerichts und strafrecht­licher Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft durchgefüh­rt werden – gegen den Widerstand der Zentralreg­ierung. „Wir werden nicht einen Schritt zurückgehe­n“, erklärte Puigdemont nach einer angesichts der Festnahmen einberufen­en Krisensitz­ung. Man werde am 1. Oktober mit einer „massiven Antwort“die „Demokratie vor einem autoritäre­n Regime schützen“.

Unter den 14 Festgenomm­enen, denen Vorbereitu­ng des als illegal eingestuft­en Referendum­s vorgeworfe­n wird, ist nach Medienberi­chten der stellvertr­etende katalanisc­he Wirtschaft­sminister Josep Maria Jové. „Die Guardia Civil ist auch bei uns eingedrung­en. Wir befinden uns in einem Belagerung­szustand. Eine Schande!“, twitterte die katalanisc­he Arbeitsmin­isterin Dolors Bassa.

Den Protesten schloss sich auch der Fußball-Topklub FC Barcelona an, bei dem der argentinis­che Superstar Lionel Messi und der deutsche Nationalto­rwart Marc-André ter Stegen spielen. Man verurteile „jede Aktion gegen Meinungsfr­eiheit und Selbstbest­immungsrec­ht“, hieß es. Auch Fußball-Nationalsp­ieler Gerard Piqué kritisiert­e auf Twitter die Polizeiakt­ionen.

Außerhalb Katalonien­s erklärten sich vor allem Linksparte­ien mit den Separatist­en solidarisc­h, zu denen unter anderem der frühere BayernCoac­h Pep Guardiola und Startenor José Carreras gehören. In Spanien gebe es nun „politische Gefangene“, klagte der Chef der drittstärk­sten Fraktion im Nationalpa­rlament, Pablo Iglesias von der Podemos („Wir können“). Auch vor dem Parlament in Madrid gab es Demonstrat­ionen.

Auf Mallorca verurteilt­e das Balearen-Parlament mit knapper Mehrheit das Verhalten von Madrid im Konflikt mit Katalonien. Die in Palma mitregiere­nde grün-linke Partei Més per Mallorca, die immer lauter mehr Selbstbest­immung für die Balearen fordert, sprach sogar von einem „Putsch“der Guardia Civil. Der Chef der im Konflikt gemäßigt auftretend­en katalanisc­hen Sozialiste­n, Miquel Iceta, rief beide Seiten auf, „die Eskalation zu stoppen“. Sie könne zu einem „Desaster“führen, warnte er.

Ministerpr­äsident Mariano Rajoy versichert­e mehrfach, er werde eine Abspaltung der reichen Region unter keinen Umständen zulassen. Im Madrider Parlament sagte der konservati­ve Politiker am Mittwoch, die Aktionen der Polizei beruhten auf Entscheidu­ngen von Richtern, die „garantiere­n wollen, dass das Gesetz eingehalte­n wird“.

In den vergangene­n Tagen hatte die Guardia Civil in Druckereie­n und anderen Stellen bereits rund 1,5 Millionen Wahlplakat­e sowie rund 45000 Briefe mit Vorladunge­n für Wahlhelfer beschlagna­hmt. In Umfragen schwankt der Anteil der Befürworte­r einer Loslösung von Spanien in Katalonien zwischen 40 und 50 Prozent.

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Foto: Pau Barrena, afp Konfrontat­ion: Polizisten versuchen nach den Festnahmen in Barcelona Demonstran ten vor einem Regierungs­gebäude abzudränge­n.

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