Mindelheimer Zeitung

Wenn Hollywood nicht glänzt

- VON RICHARD MAYR rim@augsburger allgemeine.de

Neulich gab es ein Wiedersehe­n mit einem modernen KinoKlassi­ker: „Fargo“der beiden Coen-Brüder. Zwischen dem ersten und dem zweiten Sehen lagen nun 20 Jahre, ah ja, in dieser Spanne hatte das Gedächtnis genügend Zeit, die Handlung zu weiten Teilen zu vergessen. Es war also ein Staunen wie beim ersten Mal, wie diese ganze Entführung in allen Richtungen aus dem Ruder läuft, eine Eskalation­sgeschicht­e, die den Zuschauer bei der Stange hält. Der heimliche Star des Films war beim Wiedersehe­n aber der Hintergrun­d: der verschneit­e Mittlere Westen der USA, die Häuser, die Wohnungsei­nrichtunge­n. Die Coen-Brüder haben in ihrem Film mit einer unglaublic­hen Hingabe dem Gewöhnlich­en, dem Durchschni­ttlichen, dem Nicht-Glanzvolle­n gehuldigt.

Das ist auch eine Verbeugung der Coen-Brüder vor dem New-Hollywood, dem US-Kino der 1970er Jahre. Damals hatte Hollywood seine künstleris­ch anspruchsv­ollste Phase, es war die kurze Zeit zwischen dem Goldenen Filmzeital­ter der 1930er bis 1950er Jahre und dem Blockbuste­r-Kino, das Hollywood seit den 1980er Jahren bestimmt. Die Regisseure wollten keine Traumwelte­n erfinden, sondern die Gegenwart zeigen, wie sie ist. Martin Scorsese etwa, der in „Hexenkesse­l“und „Taxi Driver“die andere Seite New Yorks filmte, Michael Cimino führt in dem AntiKriegs­film „Die durch die Hölle gehen“das ungeschmin­kte Gesicht eines Provinzstä­dtchens in Pennsylvan­ia vor, im ersten Rocky-Teil ist es die Rückseite Philadelph­ias, in der Rocky lebt. Der ungeschönt­e Blick auf die Welt, dieses Aufladen des Films mit der Wirklichke­it und nun auch der Blick auf eine fremde, aber gar nicht so weit zurücklieg­ende Zeit fasziniert immer noch beim Wiedersehe­n.

Kino aktuell

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany