Wenn Hollywood nicht glänzt
Neulich gab es ein Wiedersehen mit einem modernen KinoKlassiker: „Fargo“der beiden Coen-Brüder. Zwischen dem ersten und dem zweiten Sehen lagen nun 20 Jahre, ah ja, in dieser Spanne hatte das Gedächtnis genügend Zeit, die Handlung zu weiten Teilen zu vergessen. Es war also ein Staunen wie beim ersten Mal, wie diese ganze Entführung in allen Richtungen aus dem Ruder läuft, eine Eskalationsgeschichte, die den Zuschauer bei der Stange hält. Der heimliche Star des Films war beim Wiedersehen aber der Hintergrund: der verschneite Mittlere Westen der USA, die Häuser, die Wohnungseinrichtungen. Die Coen-Brüder haben in ihrem Film mit einer unglaublichen Hingabe dem Gewöhnlichen, dem Durchschnittlichen, dem Nicht-Glanzvollen gehuldigt.
Das ist auch eine Verbeugung der Coen-Brüder vor dem New-Hollywood, dem US-Kino der 1970er Jahre. Damals hatte Hollywood seine künstlerisch anspruchsvollste Phase, es war die kurze Zeit zwischen dem Goldenen Filmzeitalter der 1930er bis 1950er Jahre und dem Blockbuster-Kino, das Hollywood seit den 1980er Jahren bestimmt. Die Regisseure wollten keine Traumwelten erfinden, sondern die Gegenwart zeigen, wie sie ist. Martin Scorsese etwa, der in „Hexenkessel“und „Taxi Driver“die andere Seite New Yorks filmte, Michael Cimino führt in dem AntiKriegsfilm „Die durch die Hölle gehen“das ungeschminkte Gesicht eines Provinzstädtchens in Pennsylvania vor, im ersten Rocky-Teil ist es die Rückseite Philadelphias, in der Rocky lebt. Der ungeschönte Blick auf die Welt, dieses Aufladen des Films mit der Wirklichkeit und nun auch der Blick auf eine fremde, aber gar nicht so weit zurückliegende Zeit fasziniert immer noch beim Wiedersehen.
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