Da waren es nur noch drei
Das Ergebnis sorgte im Wahlkreis Neu-Ulm für lange Gesichter – auch bei der CSU, die wohl Katrin Albsteiger als Abgeordnete verliert. Freude herrschte dagegen bei der AfD
Landkreis Es war der Abend der langen Gesichter. Selbst Sieger sahen diesmal nicht glücklich aus. Der Grund war klar, das Abschneiden der AfD. Die wurde in weiten Teilen des Wahlkreises Neu-Ulm zur zweitstärksten Kraft, nämlich im Landkreis Günzburg und in den Teilen des Unterallgäus, die noch zum Wahlkreis gehören. Im Landkreis Neu-Ulm landete sie knapp hinter der SPD auf Platz drei. Angesichts dieser Lage war auch Wahlsieger Georg Nüßlein (CSU) alles andere als glücklich. Er nahm die Gratulationen routiniert, aber erkennbar nicht frohen Herzens entgegen. Zumal er angesichts der herben Verluste seiner Partei wohl auch noch eine Mitstreiterin verloren hat: Katrin Albsteiger hat es vermutlich nicht mehr geschafft, ein zweites Mal über die Liste in den Bundestag einzuziehen. Das endgültige Ergebnis stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Ohnehin zog sich die Stimmauszählung diesmal ungewöhnlich stark in die Länge.
Bangen musste auch lange SPDMann Karl-Heinz Brunner, bis spät am Abend klar war, dass er seinen Sitz behalten darf. Er hatte schon kurz nach Veröffentlichung der ersten Prognose um 18 Uhr bei der Wahlparty der Sozialdemokraten im Neu-Ulmer Café d’Art Dampf abgelassen. Das Ergebnis sei eine herbe Niederlage, die SPD habe nun den Auftrag, als stärkste Oppositionskraft der Regierung und der AfD die Stirn zu bieten. Brunner kritisierte auch die Medien, die den „rechten Dumpfbacken“und ihren Parolen zu viel Raum gegeben hätten. „Wir werden dafür kämpfen, dass Deutschland nicht das Land wird, das sich diese Damen und Herren wünschen“, kündigte er mit Blick auf die neuen Parlamentskollegen an. An seine Parteifreunde appellierte er: „Drückt das Kreuz durch!“Die meisten ließen trotzdem die Schultern hängen. Später im Landratsamt, wo die Ergebnisse aus dem Wahlkreis präsentiert wurden, gab er sich noch kämpferischer: „Nazis haben in einem deutschen Parlament nichts verloren.“Er nahm die Kampfansage von AfDSpitzenkandidat Alexander Gauland an die künftige Bundesregierung („Wir werden sie jagen“) auf und sagte seinerseits: „Wir werden ihn jagen – und wenn möglich in vier Jahren aus dem Parlament.“Georg Nüßlein, der bei den Erststimmen ähnlich drastisch abgestürzt war wie die CSU in ganz Bayern, sagte, das Ergebnis werfe Fragen auf. Insgesamt sei es enttäuschend. Er erwartet eine extrem schwierige Koalitionsbildung, wenn es tatsächlich zu einem Bündnis mit der FDP und den Grünen kommen sollte. Vor allem werde es aus seiner Sicht wohl nicht gelingen, CSU-Standpunkte wie etwa in der Flüchtlingsfrage, der inneren Sicherheit oder dem Klimaschutz durchzubringen: „Das werden spannende Wochen“, sagte er mit einem Gesichtsausdruck, der eher resigniert wirkte. In dieser Konstellation, zumal mit einer verhältnismäßig starken AfD, hat sich für ihn die Frage erledigt, ob er den frei gewordenen Sessel des CSULandesgruppenchefs übernehmen könnte, auf dem ihn manche Parteifreunde sehen wollen. Das wolle er sich nicht antun. Eigentlich ganz zufrieden hätte an diesem Abend die Grüne Ekin Deligöz sein können, die immerhin zum sechsten Mal in den Bundestag gewählt worden war. Sie war es zumindest, was das Abschneiden ihrer Partei vor allem in Bayern betrifft, denn das sei das Ergebnis wirklich harter Arbeit gewesen. Der Freude steht jedoch das Ergebnis der AfD entgegen, das sie als bitter empfindet. Sie fürchtet nun eine Spaltung der Gesellschaft – und das sei in der Demokratie immer eine Gefahr.
Der heimliche und für viele eher unheimliche Wahlsieger war AfDKandidat Gerhard Großkurth. Da er nicht auf der Landesliste stand, zieht er nicht in den Bundestag ein. Er war auch nicht im Landratsamt zugegen, sondern äußerte sich per Telefon. Er findet, es sei „ein extrem gutes Ergebnis, das wir erreicht haben, vor allem unter diesen schwierigen Bedingungen im Wahlkampf. Damit meine ich die Anfeindungen und die üble Hetze, der sich unsere Mitglieder und Anhänger ausgesetzt sahen, nur weil sie in der Sache eine andere Einstellung haben“. Er neige nicht zur Übertreibung, habe selbst mit acht bis zwölf Prozent kalkuliert. „Aber ich verspreche Ihnen eine glatte Verdoppelung unseres Ergebnisses bei der nächsten Bundestagswahl, wenn die Etablierten so weitermachen wie bisher.“
Das erste Ergebnis des Abends lieferte übrigens Oberrieden im Unterallgäu. Dort kam Nüßlein auf 43,2 Prozent, Großkurth auf satte 26,6, alle anderen blieben einstellig. Als Nüßlein von einem Parteifreund der Ergebniszettel gereicht wurde, sagte er nur: „Tu das weg!“