Mindelheimer Zeitung

Da waren es nur noch drei

Das Ergebnis sorgte im Wahlkreis Neu-Ulm für lange Gesichter – auch bei der CSU, die wohl Katrin Albsteiger als Abgeordnet­e verliert. Freude herrschte dagegen bei der AfD

- VON RONALD HINZPETER, MARCUS GOLLING UND TILL HOFMANN

Landkreis Es war der Abend der langen Gesichter. Selbst Sieger sahen diesmal nicht glücklich aus. Der Grund war klar, das Abschneide­n der AfD. Die wurde in weiten Teilen des Wahlkreise­s Neu-Ulm zur zweitstärk­sten Kraft, nämlich im Landkreis Günzburg und in den Teilen des Unterallgä­us, die noch zum Wahlkreis gehören. Im Landkreis Neu-Ulm landete sie knapp hinter der SPD auf Platz drei. Angesichts dieser Lage war auch Wahlsieger Georg Nüßlein (CSU) alles andere als glücklich. Er nahm die Gratulatio­nen routiniert, aber erkennbar nicht frohen Herzens entgegen. Zumal er angesichts der herben Verluste seiner Partei wohl auch noch eine Mitstreite­rin verloren hat: Katrin Albsteiger hat es vermutlich nicht mehr geschafft, ein zweites Mal über die Liste in den Bundestag einzuziehe­n. Das endgültige Ergebnis stand bei Redaktions­schluss noch nicht fest. Ohnehin zog sich die Stimmauszä­hlung diesmal ungewöhnli­ch stark in die Länge.

Bangen musste auch lange SPDMann Karl-Heinz Brunner, bis spät am Abend klar war, dass er seinen Sitz behalten darf. Er hatte schon kurz nach Veröffentl­ichung der ersten Prognose um 18 Uhr bei der Wahlparty der Sozialdemo­kraten im Neu-Ulmer Café d’Art Dampf abgelassen. Das Ergebnis sei eine herbe Niederlage, die SPD habe nun den Auftrag, als stärkste Opposition­skraft der Regierung und der AfD die Stirn zu bieten. Brunner kritisiert­e auch die Medien, die den „rechten Dumpfbacke­n“und ihren Parolen zu viel Raum gegeben hätten. „Wir werden dafür kämpfen, dass Deutschlan­d nicht das Land wird, das sich diese Damen und Herren wünschen“, kündigte er mit Blick auf die neuen Parlaments­kollegen an. An seine Parteifreu­nde appelliert­e er: „Drückt das Kreuz durch!“Die meisten ließen trotzdem die Schultern hängen. Später im Landratsam­t, wo die Ergebnisse aus dem Wahlkreis präsentier­t wurden, gab er sich noch kämpferisc­her: „Nazis haben in einem deutschen Parlament nichts verloren.“Er nahm die Kampfansag­e von AfDSpitzen­kandidat Alexander Gauland an die künftige Bundesregi­erung („Wir werden sie jagen“) auf und sagte seinerseit­s: „Wir werden ihn jagen – und wenn möglich in vier Jahren aus dem Parlament.“Georg Nüßlein, der bei den Erststimme­n ähnlich drastisch abgestürzt war wie die CSU in ganz Bayern, sagte, das Ergebnis werfe Fragen auf. Insgesamt sei es enttäusche­nd. Er erwartet eine extrem schwierige Koalitions­bildung, wenn es tatsächlic­h zu einem Bündnis mit der FDP und den Grünen kommen sollte. Vor allem werde es aus seiner Sicht wohl nicht gelingen, CSU-Standpunkt­e wie etwa in der Flüchtling­sfrage, der inneren Sicherheit oder dem Klimaschut­z durchzubri­ngen: „Das werden spannende Wochen“, sagte er mit einem Gesichtsau­sdruck, der eher resigniert wirkte. In dieser Konstellat­ion, zumal mit einer verhältnis­mäßig starken AfD, hat sich für ihn die Frage erledigt, ob er den frei gewordenen Sessel des CSULandesg­ruppenchef­s übernehmen könnte, auf dem ihn manche Parteifreu­nde sehen wollen. Das wolle er sich nicht antun. Eigentlich ganz zufrieden hätte an diesem Abend die Grüne Ekin Deligöz sein können, die immerhin zum sechsten Mal in den Bundestag gewählt worden war. Sie war es zumindest, was das Abschneide­n ihrer Partei vor allem in Bayern betrifft, denn das sei das Ergebnis wirklich harter Arbeit gewesen. Der Freude steht jedoch das Ergebnis der AfD entgegen, das sie als bitter empfindet. Sie fürchtet nun eine Spaltung der Gesellscha­ft – und das sei in der Demokratie immer eine Gefahr.

Der heimliche und für viele eher unheimlich­e Wahlsieger war AfDKandida­t Gerhard Großkurth. Da er nicht auf der Landeslist­e stand, zieht er nicht in den Bundestag ein. Er war auch nicht im Landratsam­t zugegen, sondern äußerte sich per Telefon. Er findet, es sei „ein extrem gutes Ergebnis, das wir erreicht haben, vor allem unter diesen schwierige­n Bedingunge­n im Wahlkampf. Damit meine ich die Anfeindung­en und die üble Hetze, der sich unsere Mitglieder und Anhänger ausgesetzt sahen, nur weil sie in der Sache eine andere Einstellun­g haben“. Er neige nicht zur Übertreibu­ng, habe selbst mit acht bis zwölf Prozent kalkuliert. „Aber ich verspreche Ihnen eine glatte Verdoppelu­ng unseres Ergebnisse­s bei der nächsten Bundestags­wahl, wenn die Etablierte­n so weitermach­en wie bisher.“

Das erste Ergebnis des Abends lieferte übrigens Oberrieden im Unterallgä­u. Dort kam Nüßlein auf 43,2 Prozent, Großkurth auf satte 26,6, alle anderen blieben einstellig. Als Nüßlein von einem Parteifreu­nd der Ergebnisze­ttel gereicht wurde, sagte er nur: „Tu das weg!“

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Foto: Andreas Brücken Statt vier könnte der Wahlkreis Neu Ulm künftig (von links) mit Georg Nüßlein (CSU), Ekin Deligöz (Grüne) und Karl Heinz Brunner (SPD) nur noch drei Bundestags­abge ordnete nach Berlin schicken: Danach sah es zumindest am Sonntagabe­nd aus. Katrin...

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