Der Unmut über Merkels Politik der offenen Grenzen
CSU-Kreischef Pschierer sieht in der Kanzlerin die Hauptschuldige für das Erstarken der AfD. Der Sonderfall Oberrieden
Landkreis Der Tag danach war kein schöner für die örtlichen Vertreter von CSU, SPD und Grünen, wobei Letztere zumindest über das eigene, verbesserte Abschneiden zufrieden sein konnten. Der Aufstieg der Rechtsaußenpartei AfD bei der Bundestagswahl auf 13 Prozent hat sich bei allen schwer aufs Gemüt geschlagen. Der CSU-Kreisvorsitzende Franz Josef Pschierer sagte: „Es gibt nichts schönzureden. Das Wahlergebnis ist für die Union insgesamt, aber auch insbesondere für die CSU, eine herbe Enttäuschung.“Diese Wahl sei eine Zäsur. Der anhaltende Unmut in Teilen der Bevölkerung über Angela Merkels Politik der offenen Grenzen und die Massenzuwanderung sei Wasser auf die Mühlen der AfD gewesen. „Bei der Flüchtlingspolitik haben wir von der CSU bei vielen unserer Wähler an Glaubwürdigkeit verloren. Diese gilt es nun mit einem klaren Kurs wieder zurückzugewinnen.“Die CSU müsse sich wieder stärker auf die Grundwerte und Grundpositio- der Partei besinnen, „und darunter fällt nun einmal auch ein gewisser konservativer Markenkern, der in den vergangenen Jahren schleichend ausgehöhlt wurde.“Viele unserer Wähler fragten sich zunehmend, für was die Union überhaupt noch stehe, so Pschierer.
Durch den Einzug vieler Abgeordneter der AfD werde die Gestaltung des Landes nicht einfacher. Das besonders gute Abschneiden der AfD in Oberrieden hat Pschierer selbst überrascht. Eine Erklärung dafür hat er noch nicht. „Ich werde auf jeden Fall das Gespräch vor Ort suchen.“
Die Unterbezirksvorsitzende der SPD, Petra Beer, sagte, sie habe zwar bis zuletzt gehofft, dass es doch nicht ganz so hart kommen werde. Insgeheim hatte aber auch sie mit einem Ergebnis von 12 bis 14 Prozent für die Rechtskonservativen gerechnet.
In Oberrieden hat die AfD mit großem Abstand das beste Ergebnis in der ganzen Region eingefahren. Die Partei kam auf 26,5 Prozent der Zweitstimmen. Bürgermeister Ro bert Wilhelm sagte, es sei zu erwarten gewesen, dass die AfD in seiner Ge- meinde zulegen werde. Das Ausmaß habe ihn aber selbst sehr erstaunt. Wilhelm glaubt, dass die meisten Wähler ihre Stimme aus Protest der Partei gegeben haben. In Oberrieden allerdings gebe es gar keinen Brennpunkt. Zurzeit lebten dort nicht einmal Flüchtlinge, so Wilhelm. Zu hören bekommen habe er wiederholt, dass einigen sauer aufgestoßen ist, dass der Landkreis langfristig Unterkünfte für Flüchtlinge angemietet habe, die leer stehen. „Das ist rausgeworfenes Geld, sagen die Leute.“
Auch der Direktkandidat der AfD, Christoph Maier, wunderte sich über das gute Abschneiden seiner Partei in Oberrieden. Dort sei nicht einmal plakatiert worden. Maier beschreibt die Oberriedener als bodenständige Leute, die eine eigene Meinung hätten. Mit dem Gesamtergebnis der Bundestagswahl ist Maier sehr zufrieden. Er habe einige positinen ve Rückmeldungen erhalten. Die AfD werde nicht mehr so am Rande der Gesellschaft wahrgenommen.
Die Aussage des Spitzenkandidaten Alexander Gauland am Wahlabend, die AfD wolle Angela Merkel „jagen“, will Maier nur im übertragenen Sinne verstanden wissen. Aber es werde eine harte Oppositionsarbeit geben, kündigte er an. Maier selbst übrigens wird nicht dem Bundestag angehören. Auf der Landesliste der AfD war Maier nicht vertreten.
Bei der SPD herrschte gestern großes Rätselraten, woher die große Unzufriedenheit im Unterallgäu und in Memmingen kommt, sagte die Unterbezirksvorsitzende Petra Beer. Sachlich sei das nicht begründet. Wahlforscher hatten herausgefunden, dass ein Großteil der Wähler der AfD mit den anderen Parteien nicht zufrieden sei. Politik sei kompliziert, sagt Beer. Die AfD arbeite mit platten Antworten.
Dass SPD-Parteichef Martin Schulz noch am Wahlabend erklärt hat, die Sozialdemokraten würden sich nicht mehr an der nächsten Bundesregierung beteiligen, findet Beer richtig. Obwohl die SPD den Mindestlohn und die Rente mit 63 durchgesetzt habe, sei es mit ihrer Partei weiter abwärts gegangen. Deshalb sei es richtig, in die Opposition zu gehen und sich zu erneuern. „Man darf dort auch nicht alles der AfD überlassen“, fügte sie an. Beer erwartet eine mühevolle Auseinandersetzung mit der AfD. Sie rät, die Partei inhaltlich zu stellen, wo es gehe. Direktkandidat Pascal Lechler sei immens fleißig gewesen und habe viel privates Geld in den Wahlkampf gesteckt.
Die Kreisvorsitzende der Grünen, Doris Kienle, zeigte sich schockiert vom Wahlergebnis. „In diesem Ausmaß habe ich das nicht erwartet“, räumte sie ein. Dabei hatten die Grünen in Bayern besser abgeschnitten als auf Bundesebene. Die Prognosen sahen lange Zeit nicht so gut aus.
Auch bei Kienle herrscht Unverständnis über die vielen AfD-Wähler in der Region vor. Die Flüchtlingspolitik im Unterallgäu unter Landrat Hans Joachim Weirather nannte sie ein Vorzeigeprojekt. Die Kreisbehörde habe sich immens engagiert, damit die Menschen dezentral untergebracht werden können. Für Kienle ist es die „Wackelei“des CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer, die die AfD erst stark gemacht habe. Die Angriffe in Richtung Berlin hätten es hoffähig gemacht, dass Kanzlerin Angela Merkel sich ständiger Kritik gegenübersah. Sie sei schon jetzt gespannt, wie Horst Seehofer die rechte Seite am Parteienspektrum wieder schließen wolle. Der Direktkandidat der Grünen Günter Räder habe sehr erfolgreich mit 7,8 Prozent der Stimmen abgeschnitten.
Eine kleine Panne ganz unabhängig vom Wahlergebnis dürfte am Sonntagabend einigen Internetnutzern aufgefallen sein. Kurz vor 19 Uhr waren auf der Seite des Landkreises Ostallgäu plötzlich die Wahlergebnisse einiger Gemeinden wieder verschwunden. „Wir hatten für rund 20 Minuten einen Systemausfall“, erklärte ein Sprecher des Landratsamtes. „Die Zahlen mussten dann neu ins System eingepflegt werden.“Es sei jedoch ein interner Fehler gewesen. „Hacker waren nicht im Spiel“, so der Sprecher.