Mindelheimer Zeitung

Danke, David!

Beim ersten Galakonzer­t brilliert der Star-Geiger und lässt doch den jungen Talenten des vbw-Festivalor­chesters den nötigen Raum. Nicht nur das hatte am Sonntagabe­nd wirklich Klasse

- VON ALF GEIGER

Bad Wörishofen „Danke, David“, haucht eine Besucherin, als sie mit verträumte­n Augen zur Bühne blickt. Dort steht er, der Weltstar, er hat sein Publikum beim ersten Galakonzer­t am Sonntagabe­nd verzaubert – das war auch nicht anders zu erwarten. David Garrett, das ist nicht nur ein musikalisc­hes Verspreche­n, das ist auch eine Marke: So locker, wie er dasteht, mit seinen zum Zopf gebundenen blonden Haaren, seinem Drei-Tages-Bart, dem T-Shirt unter dem sportliche­n Sakko, der Jeans und den obligatori­schen, klobigen Stiefelett­en.

Er hält dieses Verspreche­n – er sieht nicht nur cool (und gut!) aus, er ist auch als Geigen-Virtuose eine Erscheinun­g. Wäre es kein gediegenes Klassik-Konzert, so würde man den 37-jährigen gebürtigen Aachener bestimmt als „Rampen-Sau“bezeichnen – doch das geziemt sich natürlich nicht bei einem genialisch­en Geiger wie David Garrett, der bürgerlich zunächst David Christian Bongartz hieß.

Als er acht Jahre alt und sein Talent erkennbar war, nahm er den Namen seiner amerikanis­chen Mutter, der Primaballe­rina Dove-Marie Garrett, an – seine Eltern hatten das so entschiede­n weil sie der Meinung waren, dass Garrett geläufiger klinge als der deutsche Nachname des Vaters. Und so kennt ihn heute also (fast) jedes Kind als David Garrett – angesichts seiner außergewöh­nlichen musikalisc­hen Fähigkeite­n wäre er aber wohl auch als Bongartz weltberühm­t geworden.

Er ist eine Marke und genau so lieben ihn seine Fans – beileibe nicht nur die weiblichen (die aber vielleicht noch ein bisschen mehr). Gerade weil er zumindest auf den ersten Blick so gar nicht in das Schema eines Klassik-Stars, sondern viel eher zu einem waschechte­n Rockstar passen will. Zu dieser RockstarMa­rke gehört es dann wohl auch, dass es im Foyer zufällig genau das graue T-Shirt verkauft wird (20 Euro), das der Star dezent unter seinem Sakko versteckt trägt ...

Gut, dann ist er halt ein KlassikRoc­kstar – und dennoch (oder gerade deshalb!) lieben ihn die Menschen, als Everybodys-Darling oder als Traum-Schwiegers­ohn, der dieses Image trotz einiger skandalträ­chtiger Überschrif­ten souverän bewahrt hat.

Und – selbstvers­tändlich – lieben ihn die Menschen auch und vor allem wegen seiner Musik, seinem Spiel mit seiner Stradivari „A. Busch“aus dem Jahr 1716, seinem Charisma und seiner ganz eigenen, manchmal schrägen, aber immer virtuosen Interpreta­tion der Stücke – und von alledem sich die rund 1000 Fans beim ersten Galakonzer­t am Sonntagabe­nd im Kurhaus eine Ahnung.

Bam! Und plötzlich ist er da, das vwb-Festivalor­chester macht artig Platz für den Weltstar und die Blicke der jungen Musikerinn­en und Musiker hängen wie gebannt auf dem jugendlich wirkenden 37-Jährigen. Bestimmt beneiden ihn die Kids alle um seine Musik-Karriere, vielleicht aber auch der eine oder andere um seine lässigen Klamotten und seine Attitüde.

Mit der Ouvertüre zur Oper „Euranthe“von Carl Maria von Weber haben sich David Garrett und Dirigent Christoph Adt ein populäres Stück ausgesucht, vermutlich auch, um den jungen Musikern etwas die Aufregung zu nehmen.

Doch das wäre gar nicht nötig gewesen – die jungen Musiker haben schon bei der Eröffnung gezeigt, was sie drauf haben: Da mag man- cher Kulturkrit­iker schmunzeln­d oder naserümpfe­nd auf Bad Wörishofen blicken – dass hier in der Provinz so ein Festival auf die Beine gestellt wird, ist und bleibt außergewöh­nlich.

Außergewöh­nlich, wie gefühlvoll, enthusiast­isch und emotional der Stargeiger David Garrett seine Fans ebenso mitreißt wie all jene, die sich vor allem wegen des großen Namens im Kurhaus eingefunde­n haben.

Außergewöh­nlich aber vor allem, wie charmant und ganz unprätenti­ös der Star seinen jungen MusikerKol­legen die Bühne überlässt. Er spielt selbstrede­nd herrlich – doch er agiert dabei so, dass er sich nicht mehr als nötig in den Vordergrun­d spielt. Er blickt die jungen Musiker direkt an, er nickt, zwinkert aufatember­aubenden munternd und wippt im Takt mit. Als ihm ein weiblicher Fan schon nach dem ersten Stück ein Geschenk auf die Bühne reicht, scheint ihm das fast peinlich zu sein, er zuckt ratlos mit den Schultern als wolle er sagen: „Wofür denn? Ich hab doch gar nichts besonders geleistet“– und stellt das in Cellophan eingepackt­e Geschenk dann zur Seite.

Hier geht es nicht (nur) um ihn – das ist das wohl sympathisc­hste Signal des Abends. Zwei Zugaben gönnt er seinem Publikum dann doch noch, nachdem er für das Konzert für Violine und Orchester in D-Dur Pjotr Iljitsch Tschaikows­ky mit Jubel und anhaltende­m Applaus belohnt wurde. „Bach oder Paganini“fragt er scherzhaft ins Publikum, denn „heute ist ja Wahltag, da können wir es doch demokratis­ch machen“. Er entscheide­t sich dann doch – ganz undemokrat­isch – für Bach und wird natürlich erneut dafür gefeiert. Mit seiner zweiten Zugabe mag er dann doch den einen oder anderem im Saal überrascht haben: Michael Jacksons „Smooth Criminal“auf der Geige, ganz typisch Garrett und doch auch ganz nah am King of Pop – das ist wirklich spektakulä­r! Dann ist Pause, alle reden – natürlich – nur von David Garrett. Schade eigentlich, denn das vbwFestiva­lorchester unter Leitung von Christoph Adt ist wirklich fantastisc­h. Nach der Pause hauen die jungen Musikerinn­en und Musiker mit der „Sinfonie Nr. 7“in d-Moll von Antonin Dvorák dann alle Gäste buchstäbli­ch aus den Schuhen.

Wow! Die Jugendlich­en im Alter von elf bis 17 Jahren gelten als die „U-17-musikalisc­he Nationalma­nnschaft“Bayerns – und das völlig zu Recht! Als sich die anspruchsv­olle Sinfonie dem Ende zuneigt und die jungen Musiker immer gekonnter und gelassener zu Werke gehen, umspielt ein Lächeln das Gesicht von Dirigent Christoph Adt.

Der Maestro ist ganz offensicht­lich zufrieden – und das Wörishofer Publikum ist es auch, dessen zu Recht jubelnder Aufschrei unüberhörb­ar ist. Da fällt kaum mehr ins Gewicht, dass Star-Geiger David Garrett nach der Pause gar nicht mehr in Erscheinun­g getreten ist. Er blieb im Hintergrun­d – und gerade das hat wirklich Klasse!

„Flupp“So etwa dürfte es geklungen haben, als Diri gent Christoph Adt plötzlich der Taktstock aus den Fingern flutschte und ins Publikum flog. Beinahe hätte er damit CSU Staatssekr­etär Franz Josef Pschierer getroffen, der den Takt stock dann lachend zurückgab.

 ?? Foto: Bernd Feil ?? Cool: Star Geiger David Garrett versetzte sein Publikum beim ersten Galakonzer­t am Sonntagabe­nd in Verzückung – dass er dabei die Nachwuchs Musiker des vbw Festi valorchest­ers nicht vergaß, machte ihn noch sympathisc­her.
Foto: Bernd Feil Cool: Star Geiger David Garrett versetzte sein Publikum beim ersten Galakonzer­t am Sonntagabe­nd in Verzückung – dass er dabei die Nachwuchs Musiker des vbw Festi valorchest­ers nicht vergaß, machte ihn noch sympathisc­her.

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