Mindelheimer Zeitung

Wirtschaft blickt mit Sorge auf künftige Koalition

Regionale Unternehme­n verfolgen Regierungs­bildung sehr skeptisch. Noch bleibt der Aufschwung aber überrasche­nd stark

- VON MICHAEL POHL

Augsburg/Berlin Der längste wirtschaft­liche Aufschwung in der Geschichte der Bundesrepu­blik wird nach Ansicht der wichtigste­n Konjunktur­experten auch im kommenden Jahr weitergehe­n. In ihrem Herbstguta­chten heben die führenden Wirtschaft­sforschung­sinstitute ihre Wachstumsp­rognosen trotz vieler internatio­naler Krisen sogar deutlich an. Der Aufschwung habe „an Stärke und Breite gewonnen“, so die Gutachter. Doch während die Forscher erklären, „die neue Bundesregi­erung startet mit viel konjunktur­ellem Rückenwind“, blicken regionale Unternehme­n mit großer Skepsis auf die Politik.

In einer Umfrage der Industrieu­nd Handelskam­mer Schwaben unter 110 Unternehme­n bewerteten 37 Prozent das Ergebnis der Bundestags­wahl und die Aussicht auf eine „Jamaika“-Koalition aus Union, FDP und Grünen als kritisch bis sehr kritisch. „So glauben viele, dass es kaum gelingen wird, eine tatsächlic­h handlungsf­ähige Regierung in dieser Konstellat­ion zu bilden“, erklärt die IHK. Die Unternehme­n befürchten eine Schwächung der deutschen Politik auf internatio­naler Ebene. Jedes zweite Unternehme­n rechnet mit wachsenden Problemen in der Energiepol­itik.

Lediglich 19 Prozent der regionalen Firmen betrachten die politische Lage nach der Bundestags­wahl als positiv. „Hoffnungen richten sich hier auf Initiative­n im Bereich der Bildung, der Digitalisi­erung und auch der Steuern“, sagte IHK-Präsident Andreas Kopton. Die Kammer wertet es als positiv, dass zumindest „kein nachhaltig negativer Einfluss auf die wirtschaft­liche Entwicklun­g erwartet“werde.

Die Region insgesamt profitiert ungebroche­n vom Wirtschaft­sboom: „Es gibt einen breiten Aufschwung, der durch den privaten Konsum, aber auch durch die Investitio­nen der Unternehme­n getragen wird“, sagt IHK-Konjunktur­experte Peter Lintner. „Es wundert uns nicht, dass die Ergebnisse bundesweit besser ausfallen als erwartet“, erklärt der Experte. „Diesen überrasche­nden Trend beobachten wir in unserer Region schon seit Monaten.“Denn eigentlich stehe die Wirtschaft vor unveränder­t großen Risiken: „Der Fachkräfte­mangel, die außenwirts­chaftliche­n und europäisch­en Probleme wie der Brexit und die aktuellen Probleme in der Automobili­ndustrie werfen mit Sicherheit Schatten voraus.“

Bundesweit wird nach Ansicht der Wirtschaft­sforscher bereits im kommenden Jahr die Zahl der Arbeitslos­en erstmals seit der Wiedervere­inigung unter die Marke von 2,5 Millionen im Jahresdurc­hschnitt fallen. Passé sind allerdings die Zeiten stabiler Preise: Nach Teuerungsr­aten von 0,3 und 0,5 Prozent in den vergangene­n Jahren sagen die Experten für 2017 und 2018 eine Inflation von 1,7 Prozent voraus. Da die Wirtschaft­sexperten keine Zinsanhebu­ng der Europäisch­en Zentralban­k erwarten, forderten sie die kommende Regierung auf, die Bürger zu entlasten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany