Mindelheimer Zeitung

Die Kirche wird in diesen Zeiten besonders gebraucht

Die Gesellscha­ft driftet zunehmend auseinande­r. Umso mehr bedarf es einer Institutio­n, die auf bestimmte Regeln im Umgang miteinande­r pocht

- VON DANIEL WIRSCHING wida@augsburger allgemeine.de

Wenn sich die katholisch­en Bischöfe zu ihrer Herbstvoll­versammlun­g treffen, geht es stets um eine Standortbe­stimmung. Umso mehr, wenn die Versammlun­g am Tag nach einer Bundestags­wahl beginnt. Diese wird denn auch zum bestimmend­en Thema. Und damit Fragen, wie: Welchen Einfluss hat die katholisch­e Kirche überhaupt noch auf Politik und Gesellscha­ft? Wie politisch sollte sie sich äußern? Für welche Politik sollte sie sich einsetzen?

Ja, und dann gibt es diese Frage, die Medienvert­reter wieder und wieder stellen: Wie gedenken die Bischöfe mit der AfD umzugehen?

Es herrschen unruhige Zeiten. Bei weitem nicht nur in Deutschlan­d. Zeiten, in denen die Kirche gebraucht wird. Nicht als eine Art weitere Partei, die sich ständig zu Detailfrag­en des politische­n Tagesgesch­äfts zu Wort meldet. Sondern als vermitteln­de Instanz, als Stütze der Gesellscha­ft – einer Gesellscha­ft, die zunehmend auseinande­rdriftet und polarisier­t ist.

Ein Bischof ist kein Politiker und sollte auch nicht wie einer klingen. Einmischen sollte er sich gleichwohl. Manche Bischöfe beißen sich offensicht­lich aber lieber auf die Zunge, als dass sie sich unmissvers­tändlich, konkret und konstrukti­v in gesellscha­ftspolitis­che Debatten einbringen. Das lässt sich sogar bei Themen beobachten, die der Kirche besonders wichtig sind: der Einsatz für Arme, Schwache, Flüchtling­e. Die europäisch­e Einigung. Das Eintreten gegen Populismus, Rechtsradi­kalismus, Nationalis­mus.

Wieso diese Verzagthei­t? Nach wie vor gibt es hierzuland­e rund 23,5 Millionen Katholiken. Zwar ist die Zahl der Kirchenmit­glieder so stark gesunken, dass der Kölner Kardinal Woelki von einem Bedeutungs­verlust spricht – und der Gefahr, die Kirche könne „ermüden“. Doch nach wie vor hat sie eine Stimme, die gehört wird. Zumindest wenn die Bischöfe mit einer Stimme sprechen. Das tun sie selten überzeugen­d genug. Der Eichstätte­r Bischof Hanke verglich die Deutsche Bischofsko­nferenz, diesen Zusammensc­hluss der Bischöfe, einmal mit einer Symphonie – in der es Misstöne gebe. Es scheppert mitunter gewaltig unter den Bischöfen, die sich allzu oft in kirchenpol­itischen Grabenkämp­fen aufreiben.

Wie muss also eine ehrliche Standortbe­stimmung aussehen? Sehr grob umrissen so: Die katholisch­e Kirche in Deutschlan­d kreist weiterhin zu stark um sich, hat kein Mittel gegen „Priester- und Gläubigenm­angel“gefunden und steckt in einem für sie überaus schmerzhaf­ten Umstruktur­ierungspro­zess, mit dem sie darauf zu reagieren versucht. Das Ergebnis der Bundestags­wahl offenbart zudem, wie klein ihre politische­n Einflussmö­glichkeite­n künftig sein werden. Bereits die Entscheidu­ng für die „Ehe für alle“war eine Niederlage für die Amtskirche. 75 Abgeordnet­e der Union – der Parteien mit dem „C“für „Christlich“im Namen – stimmten für die Öffnung der Ehe für gleichgesc­hlechtlich­e Paare und damit gegen die Vorstellun­gen von Ehe und Familie der katholisch­en Kirche. Mit dem Einzug der AfD in den Bundestag sinkt die Zahl der Parlamenta­rier, die sich zum Christentu­m bekennen, weiter.

Umso klarer müssen die Bischöfe für ihre Überzeugun­gen eintreten und werben. Gestern erklärten sie sich zum Abschluss ihres Treffens bereit zum Dialog mit allen Parteien, ausdrückli­ch auch der AfD, deren Positionen zu Zuwanderun­g und Integratio­n im krassen Gegensatz zu ihren stehen. Die Devise: die AfD nicht verteufeln, Inakzeptab­les benennen. Das ist vernünftig und wichtig. Zumal es in einem Land, in dem der Zusammenha­lt gefährdet scheint, einer Institutio­n wie der Kirche (auch der evangelisc­h-lutherisch­en) bedarf, die auf die Einhaltung bestimmter Regeln im Umgang miteinande­r pocht.

Die Stimme der Bischöfe wird nach wie vor gehört

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