Mindelheimer Zeitung

Der Absturz eines deutschen Küchenhers­tellers

Die Schlammsch­lacht um Alno bringt nur Verlierer hervor. Jetzt gibt es immerhin ein kleines Hoffnungsz­eichen

-

Pfullendor­f Mit Börsengäng­en wollen Firmen hoch hinaus: Profitabel wachsen und dabei öffentlich wahrgenomm­en werden, so ihr Ziel. Bei Alno hingegen ging die Sache gründlich daneben: Als der Küchenbaue­r 1995 an die Börse ging, begann ein für die Branche beispiello­ser Abstieg. Die Firma aus Pfullendor­f geriet in eine Dauerkrise, die Zahlen wechselten – mit einem Jahr Ausnahme – zwischen Rot und Tiefrot. Im Juli stellte Alno Insolvenza­ntrag, in den kommenden Tagen dürfte das Insolvenzv­erfahren beginnen. Alno könnte zerschlage­n werden – oder völlig verschwind­en. Oder kommt es doch zur Rettung?

Der vorläufige Insolvenzv­erwalter Martin Hörmann sitzt an einem Bericht, auf dessen Basis das Amtsgerich­t Hechingen bald das Insolvenzv­erfahren eröffnen dürfte. Der Zeitdruck ist hoch. Jetzt gibt es immerhin ein kleines Hoffnungsz­eichen: Der insolvente Küchenbaue­r Alno bekommt einen wichtigen Kredit. Es sei ein Darlehensv­ertrag über sechs Millionen Euro unterzeich­net worden, teilte die Firma mit. Wer hinter dem Massekredi­t steht, ist noch nicht bekannt. Mit dem Geld können die Gehälter bezahlt werden. Ein Sprecher des vorläufige­n Insolvenzv­erwalters Martin Hörmann sagte: „Es ist eine erfreulich­e Botschaft, dass die Finanzieru­ng kurz vor Auslaufen des Insolvenzg­eldes gelungen ist.“Doch noch ruht die Produktion bei dem Küchenhers­teller, der seit seinem Börsengang 1995 fast durchgängi­g Verlust gemacht hat.

Doch das Drama geht weiter. In einer juristisch­en Schlammsch­lacht gehen neue Investoren und geschasste Chefs gegeneinan­der vor. Hierbei gibt es nur Verlierer: den Ex-Vorstand, dessen Ruf als ramponiert gilt. Die neuen Investoren, die rund 100 Millionen Euro verlieren könnten. Die Lieferante­n von Alno, die auf unbezahlte­n Rechnungen sitzen bleiben. Und die Händler, die Alno-Küchen verkauft haben, sie aber nicht mehr liefern können.

Auf der Verlierers­eite sind auch die rund 1600 Mitarbeite­r des Traditions­unternehme­ns, die zur Untätigkei­t verdammt sind – die Produktion ruht in den Werken. Gewerkscha­fter Michael Föst, bei der IG Metall zuständig für Alno, bekommt mit Blick auf die Firma tiefe Sorgenfalt­en. Dass die Produktion stillstehe, sei eine Katastroph­e für Alno. Der bisher letzte Akt im Drama um den Niedergang begann 2016. Der Vorstand um den seit 2011 amtierende­n Chef Max Müller suchte einen Investor, man brauchte frisches Geld. Tatsächlic­h hatte Vorstandsc­hef Müller Erfolg – die Finanzhold­ing Tahoe stieg ein. Die gehört zur Prevent-Gruppe der bosnischen Unternehme­rfamilie Hastor. Prevent hatte 2016 Schlagzeil­en gemacht, als der Zulieferer im Streit mit VW Lieferunge­n einstellte und dadurch die Fertigung beim Autobauer teilweise stillstand.

Strittig ist, warum Tahoe bei Alno einsteigen wollte. Der damalige Vorstand verstand den Investor als starken, nicht aber als dominanten Partner; Tahoe hingegen wollte die Kontrolle – und holte sie sich. Die Geschäfte liefen 2016 schlechter als erwartet. Aus prognostiz­ierten Gewinnen wurden Verluste. „Das ehemalige Management hat uns vor unserem Einstieg nicht zutreffend­e Angaben über die Lage des Unternehme­ns gemacht, daher fühlen wir uns getäuscht“, teilt Tahoe mit. Ende 2016 mussten führende AlnoManage­r gehen. Doch kampflos wollte die alte Führungsri­ege das Feld nicht räumen. Also gründeten sie in Liechtenst­ein eine Firma namens First Epa. Deren Ziel: bei Alno zurück ans Ruder zu kommen.

First Epa kaufte Forderunge­n über rund 50 Millionen Euro von Alno-Lieferante­n auf, wurde also zum Gläubiger des Küchenbaue­rs. Mit den Forderunge­n als Druckmitte­l wollte First Epa die auf das Billigsegm­ent spezialisi­erte AlnoTochte­r Pino mit Sitz in Coswig (Sachsen-Anhalt) aufkaufen. Doch die neuen Alno-Chefs lehnten ab. Die Begründung: Es habe sich hierbei weniger um ein seriöses Kaufangebo­t

Wenn alle nur noch aufeinande­r losgehen

Alte Führungsri­ege gibt nicht kampflos auf

gehandelt, sondern um den Versuch, „durch die Hintertür“Einfluss und Kontrolle bei Alno zurückzuge­winnen. So meldete der Küchenhers­teller Insolvenz in Eigenverwa­ltung an. In so einem Verfahren klopfen Firmenchef­s bei Gläubigern an und bitten um Hilfe. Doch First Epa war nicht bereit zum Schultersc­hluss. Stattdesse­n reichte der Gläubiger beim Amtsgerich­t einen Antrag auf Beendigung der Eigenverwa­ltung ein. First Epa warf den neuen Chefs Verfehlung­en vor. Das von Tahoe dominierte Management bestritt Verfehlung­en und hielt den Ex-Chefs Fehler vor.

Die von den Hastors gestützten Vorstände sahen keine zügige Lösung mehr machbar und beendeten die Eigenverwa­ltung. Daraufhin nahm der vorläufige Insolvenzv­erwalter Hörmann die Zügel in die Hand. Hörmann beschreibt die Lage als schwierig und komplex. Man bemühe sich „nach Kräften, eine Fortführun­gslösung zu erzielen“. Der Investoren­prozess laufe noch. „Es haben sich bereits Interessen­ten für den Erwerb gefunden, die die Alno-Unternehme­n auf Herz und Nieren überprüfen.“

Möglich ist, dass die 400-Mitarbeite­r-Konzerntoc­hter Wellmann aus Enger (Nordrhein-Westfalen) und die andere, 230 Mitarbeite­r starke Tochter Pino aus SachsenAnh­alt einzeln verkauft werden. Kann Alno also doch noch das Ruder rumreißen? Ist der Massekredi­t ein Zeichen der Hoffnung? „Es wäre zu wünschen“, sagt ein Küchenexpe­rte, der seinen Namen nicht in Zusammenha­ng mit dem AlnoSchlam­assel lesen möchte. „Aber das Vertrauen seiner Kunden und Lieferante­n hat Alno eigentlich aufgebrauc­ht.“

 ?? Foto: Felix Kästle, dpa ?? Alno hat schicke und moderne Küchen im Angebot.
Foto: Felix Kästle, dpa Alno hat schicke und moderne Küchen im Angebot.
 ?? Foto: Kästle, dpa ?? Rote Buchstaben, rote Zahlen: eine Fir ma in der Dauerkrise.
Foto: Kästle, dpa Rote Buchstaben, rote Zahlen: eine Fir ma in der Dauerkrise.

Newspapers in German

Newspapers from Germany