Mindelheimer Zeitung

Linus Förster: Es tut mir fürchterli­ch leid

Ex-Abgeordnet­er entschuldi­gt sich bei Opfern. Staatsanwä­ltin fordert fast fünf Jahre Haft. Der Verteidige­r ist empört

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Augsburg Es ist eine beinahe anrührende Szene am Donnerstag­mittag im Sex-Prozess gegen Linus Förster: Das Gericht hat den Verhandlun­gstag geschlosse­n, der ehemalige Landtagsab­geordnete hat soeben in seinem Schlusswor­t gesagt, es tue ihm fürchterli­ch leid, was er den Frauen angetan habe und appelliert ans Gericht „Bitte, glauben Sie mir“, da geht seine Verlobte vorbei und wirft ihm eine Kusshand zu. Förster, 52, winkt zart, Tränen steigen in seinen Augen auf. Dann wird er weggeführt und zurück ins Gefängnis nach Gablingen gebracht. Dort sitzt er seit über neun Monaten in U-Haft.

Wenn es nach Staatsanwä­ltin Martina Neuhierl geht, soll Linus Förster noch lange im Gefängnis bleiben. Die Anklägerin hat in ihrem Plädoyer eine Freiheitss­trafe von vier Jahren und neun Monaten gefordert. Die Beweisaufn­ahme habe die Anklagevor­würfe voll bestätigt. Linus Förster habe zwei schlafende und wehrlose Frauen sexuell missbrauch­t, heimliche Sexfilme von Frauen gedreht und Kinderporn­os besessen.

Manches hält die Staatsanwä­ltin Förster zugute: Er ist nicht vorbestraf­t. Er hat mehr als 30000 Euro Entschädig­ung an die Opfer bezahlt. Und sein weiterer Lebensweg wird – auch angesichts seines Alters – „ein steiniger sein“. Anderes kreidet sie ihm negativ an: Zumindest ein Opfer ist psychisch vorbelaste­t gewesen und Förster habe das gewusst. Er hat versucht, Zeugen zu beeinfluss­en. Und die Opfer leiden teils erheblich unter den Taten.

Auch ein Geständnis muss sich normalerwe­ise strafmilde­rnd für einen Angeklagte­n auswirken. An Försters Geständnis hat die Staatsanwä­ltin aber etwas massiv gestört: Der Angeklagte habe in einigen Details versucht, sein Handeln zu beschönige­n, die Folgen für die Opfer herunterzu­reden und sich „im bestmöglic­hen Licht erscheinen zu lassen“. Opfer-Anwalt Andreas Thomalla kritisiert, Förster wolle „nicht vollständi­g und ernsthaft bereuen“.

Das gibt Zoff. Försters Verteidige­r Walter Rubach weist die Darstellun­g scharf zurück: „Das soll kein vollwertig­es Geständnis gewesen sein? Das ist doch Unsinn“, sagt er. Förster habe „alles gestanden, was es zu gestehen gab“. Er habe lediglich Schwierigk­eiten, die Taten sich selbst und anderen zu erklären. Dies könne man ihm aber nicht vorwerfen. Zudem findet Rubach das von der Staatsanwa­ltschaft geforderte Strafmaß „viel zu hoch“. Seiner Ansicht nach dürfe Förster maximal eine Strafe von zwei bis drei Jahren erhalten. Das Gericht müsse die „gesellscha­ftliche Vernichtun­g“berücksich­tigen. „Diese Strafe ist jetzt schon viel höher als die, die Sie verhängen“, sagt Rubach zu den Richtern der Jugendkamm­er.

Der Verteidige­r versucht, die Sexualstra­ftaten in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Den strafrecht­lich gravierend­sten Vorwurf des zweifachen schweren sexuellen Missbrauch­s einer widerstand­sunfähigen Person betrachtet Rubach als minder schweren Fall. Begründung: Der Gesetzgebe­r habe bei dem Paragrafen im Sinn gehabt, dass ein Mann in einer Kneipe einer fremden Frau K. o.-Tropfen ins Getränk kippt und sie dann vergewalti­gt. Dieses „Kneipenmod­ell“passe im Fall Förster überhaupt nicht. Die Ex-Freundin habe selbst Schlafmitt­el genommen, eine andere sei stark angetrunke­n gewesen.

Zudem betont Rubach, dass sein Mandant allen Opfern Schmerzens­geld bezahlt habe, einer Prostituie­rten zum Beispiel 1250 Euro. „Jetzt sage ich mal zynisch: Das erspart der Dame 25 Freier“, so der Anwalt.

Und ein weiterer Punkt ist dem Verteidige­r wichtig. Das Schlimmste für Linus Förster sei der Besitz von Kinderporn­ografie. „Das ist hässlich, kann aber mit seiner Sammelwut erklärt werden.“Manche seien „sexuell neugierig“, dazu gehöre Förster. „Er ist nicht pädophil.“Zuvor hatte auch der psychiatri­sche Gutachter Richard Gruber erklärt, dass bei Förster keine Anhaltspun­kte für Pädophilie vorlägen.

Opfer-Anwalt Oliver Schreiber hatte zuvor in seinem Plädoyer kritisiert, dass das Gericht während der Zeugenauss­agen die Öffentlich­keit nicht ausgeschlo­ssen hat und sämtliche Opfer vor großem Publikum aussagen mussten. „Es hätte rechtliche Argumente gegeben, das anders zu machen“, so Schreiber.

Das Urteil soll heute um 10.30 Uhr verkündet werden.

 ??  ?? Linus Förster
Linus Förster

Newspapers in German

Newspapers from Germany