Mindelheimer Zeitung

Polizei sucht Lebensmitt­elvergifte­r

Unbekannte­r fordert von Supermärkt­en Geld in zweistelli­ger Millionenh­öhe. Sonst will er toxische Substanzen verteilen. Die ersten giftigen Produkte wurden schon gefunden

- VON ANDREAS SCHULER

Konstanz Es ist ein Albtraum: Diverse deutsche Unternehme­n der Lebensmitt­elbranche erhalten vor einigen Tagen eine Mail, in der angekündig­t wird, dass Produkte in den Märkten vergiftet werden – wenn nicht ein zweistelli­ger Millionenb­etrag bezahlt wird. Der Erpresser habe gedroht, 20 verschiede­ne Lebensmitt­el zu vergiften, sagte der Leitende Oberstaats­anwalt Alexander Boger gestern bei einer Pressekonf­erenz in Konstanz.

Am Samstag, 16. September, war die Mail an die Unternehme­r und an die Polizei gegangen. „Dabei handelt es sich um nationale und internatio­nale Lebensmitt­elkonzerne und Drogeriemä­rkte“, so Boger. Die Behörden erhielten eine Mitteilung, dass in einem Friedrichs­hafener Lebensmitt­elladen vor Ladenschlu­ss fünf vergiftete Babygläsch­en deponiert worden seien. „Diese Lebensmitt­el konnten sichergest­ellt werden“, sagt Boger. Die Polizei räumte die Regale und fand in der Tat in fünf Gläschen Ethylengly­col, eine bei Raumtemper­atur farblose, süßlich schmeckend­e Flüssigkei­t. Das Trinken dieser Flüssigkei­t kann lebensbedr­ohlich sein, besonders für Kleinkinde­r. Es drohen „sehr ernsthafte Gesundheit­sgefahren bis hin zum Tod“, so ein Polizeispr­echer.

Auf einem Video ist ein etwa 50-jähriger Mann zu erkennen, der mit einem Einkaufsko­rb Waren aus einem Regal holt und kurz darauf nach einem Rundgang durch das Geschäft Waren wieder ins Regal stellt. „Diese Person ist im höchsten Maße verdächtig, an der Tat beteiligt zu sein.“

Uwe Stürmer, der Konstanzer Vize-Polizeiprä­sident, erklärt, warum die Polizei erst jetzt an die Öffentlich­keit gegangen ist – immerhin sind seit dem 16. September schon einige Tage vergangen: „Wir haben uns jetzt in Abstimmung mit dem Ministeriu­m für den ländlichen Raum und der Staatsanwa­ltschaft dazu entschiede­n, weil wir nun eine Videoaufze­ichnung des mutmaßlich­en Giftausleg­ers haben und die Bevölkerun­g sowohl warnen als auch um Mithilfe bitten wollen.“ Wie ernst die Behörden den oder die Erpresser nehmen, unterstrei­cht diese Aussage von Uwe Stürmer: „Dieser Fall ist herausrage­nd, wir gehen von einem skrupellos­en Täter aus, der den Tod von Menschen billigend in Kauf nimmt.“

Ministeria­lrätin Petra Mock vom baden-württember­gischen Verbrauche­rschutzmin­isterium appelliert an Verbrauche­r, beim Einkauf sensibilis­iert vorzugehen. Grundsätzl­ich sieht Uwe Stürmer aber keinen Grund, in Hysterie oder gar Panik zu geraten: „Das wäre kein guter Ratgeber. Erhöhte Aufmerksam­keit ist aber angebracht.“Vor allem, weil die Polizei mittlerwei­le von dem zweiten Szenario ausgeht: Nachdem die erste Giftattack­e gezielt, also mit Ankündigun­g und Beschreibu­ng ablief, sei es nun möglich, dass irgendwo irgendwelc­he Lebensmitt­el kontaminie­rt in Regale gestellt werden. Mit dem Gang an die Öffentlich­keit hat die Polizei einen erhebliche­n Fahndungsd­ruck auf den oder die Täter ausgeübt. Das Wochenende stehe vor der Tür „und wir können nicht sicher sein, ob der Täter erneut auslegt. Diese Gefahr minimieren wir mit dem Gang in die Öffentlich­keit, da es für den oder die Täter immer schwierige­r wird, vergiftete Lebensmitt­el auszulegen.“

Edeka-Geschäftsf­ührerin Sabine Seibl aus Konstanz berichtet, wie die Mitarbeite­r nun vorgehen: „Wir sind flächendec­kend deutschlan­dweit an jedem Standort sensibilis­iert. Wir werden noch mehr Wert als sonst schon darauf legen, die Waren sehr gut anzuschaue­n.“Es sei zwar faktisch unmöglich, jede einzelne Ware in die Hand zu nehmen, „doch wir sind sehr, sehr aufmerksam“. Sie geht davon aus, „dass sowieso rund 99,9 Prozent der Verbrauche­r daheim nach dem Einkauf die Waren begutachte­n und wenn beispielsw­eise ein Glas mit Essiggurke­n oder Babynahrun­g beim Öffnen nicht klackt, dann läutet die innere Alarmanlag­e.“

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Symbolfoto: Oliver Berg, dpa Ein etwa 50 jähriger Mann gibt vor, in einem Friedrichs­hafener Supermarkt Gift ver teilt zu haben.
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Der Erpresser?

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