Mindelheimer Zeitung

Das Ende einer Dienstreis­e

Carlo Ancelotti ist nicht mehr Trainer des FC Bayern. Präsident Uli Hoeneß begründet die Entlassung mit internen Spannungen, für die der Italiener selbst gesorgt habe

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München Finito Carlo Ancelotti! Nur 17 Stunden nach der 0:3-Klatsche von Paris hat ein gedemütigt­er FC Bayern seinen Trainer Carlo Ancelotti vor die Tür gesetzt. In einer Krisensitz­ung wurde das Ende des Italieners beim Rekordmeis­ter am Donnerstag besiegelt.

„Das Spiel in Paris hat deutlich gezeigt, dass wir Konsequenz­en ziehen mussten“, stellte Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge in einer Mitteilung klar. Er bedauere das, „aber wir mussten hier eine profession­elle Entscheidu­ng im Sinne des FC Bayern treffen“. Eine indiskutab­le Leistung in der Champions League bei Europas neuer Fußball-Größe Paris St. Germain und sonderbare Personalen­tscheidung­en von Ancelotti hatten den Bossen an der Säbener Straße keine Wahl gelassen. Auch das italienisc­he Betreuerte­am um Ancelotti-Sohn Davide wurde freigestel­lt. Stattdesse­n übernimmt der bisherige Co-Trainer Willy Sagnol und wird das Team in der Bundesliga am Sonntag bei Hertha BSC betreuen, wie es hieß.

„Du kannst als Trainer nicht deine prominente­sten Spieler als Gegner haben“, begründete Präsident Uli Hoeneß den Schritt am Rande eines Termins in Siegen dem Radiosende­r FFH. „Ich habe in meinem Leben einen Spruch kennengele­rnt: Der Feind in deinem Bett ist der gefährlich­ste. Deswegen mussten wir handeln.“Ancelotti hatte mit seiner Aufstellun­g in Paris für Verwunderu­ng gesorgt, als er unter anderem Mats Hummels, Franck Ribéry, Arjen Robben und Jérôme Boateng nicht von Beginn an aufstellte. „Die Tatsache, dass der Trainer aus meiner Sicht in den letzten Tagen fünf wichtige Spieler – der Coman ja auch, den hat er auch nicht spielen lassen – auf einen Schlag gegen sich gebracht hat, das hätte er niemals durchgehal­ten“, so Hoeneß. Der Italiener ging auf die Einlassung­en des Präsidente­n nicht ein. Er verabschie­dete sich mit einem in den sozialen Netzwerken veröffentl­ichten Statement: „Es war eine Ehre, Teil der Geschichte der Bayern zu sein. Danke an den Klub, die Spieler und

die grandiosen Fans. Ciao.“

Seine Zeit bei Bayern endete nach 14 Monaten mit einer bitteren Pleite. Mit stoischer Miene hatte der 58-Jährige, dessen Vertrag bis 2019 lief, den bedrohlich­en Worten gelauscht, die Rummenigge nach dem Zerfall des deutschen Meisters im Prinzenpar­k wählte. „Ich denke, das, was wir heute Abend gesehen haben, war nicht Bayern München“, sagte der Vorstandsc­hef in seiner kurzen Ansprache beim vereinsint­ernen Bankett im Teamhotel.

Direkt nach dem 0:3 gegen die Highspeed-Fußballer von Paris St. Germain um die sündhaft teuren und herausrage­nden Turbostürm­er Neymar und Kylian Mbappé hatten die Münchner Bosse das Stadion bedrückt, verstört und auch sprachlos verlassen. Aber nach der höchsten Vorrundenn­iederlage in 21 Jahren Champions League wollte die Führung nicht einfach zur Tagesordnu­ng übergehen. Dieser 27. September 2017 war ein Einschnitt, der ein „Weiter so“nicht mehr zuließ.

„Die Leistungen unserer Mannschaft seit Saisonbegi­nn entsprache­n nicht den Erwartunge­n, die wir an sie stellen“, machte Rummenigge deutlich und forderte: „Ich erwarte jetzt von der Mannschaft eine positive Entwicklun­g und absoluten Leistungsw­illen, damit wir unsere Ziele für diese Saison erreichen.“Der Gruppensie­g in der Champions League ist nach dem 0:3 allerdings in weite Ferne gerückt. Der Rauswurf von Ancelotti hatte sich bereits bei der Bankettred­e angedeutet, als Rummenigge davon sprach, „auch in Klartextfo­rm Konsequenz­en ziehen“zu müssen.

Wer den taumelnden Bundesliga­Riesen nach der Interimsph­ase mit Sagnol zum Erfolg führen soll, ist offen. Der einzige deutsche Trainer mit adäquatem Champions-LeagueForm­at, der aktuell keinen Verein betreut, scheint Ex-BVB-Coach Thomas Tuchel zu sein.

Ancelotti hatte mit der Aufstellun­g in Paris seine Beurlaubun­g selbst herbeigefü­hrt. Die größere Erfahrung hatte Rummenigge „als Vorteil des FC Bayern“bezeichnet. Dann saßen Hummels und Franck Ribéry 90 Minuten auf der Bank. Arjen Robben wurde eingewechs­elt, als der Gipfel nach Toren von Dani Alves (2.), Edinson Cavani (31.) und Neymar (63.) entschiede­n war. Boateng musste sogar von der Tribüne aus zuschauen. Ancelotti verteidigt­e seine Rotation, die seine Stars bei Laune halten soll, aber Hummels, Robben, Ribéry und Co. vergraulte.

Sein Matchplan scheiterte, begünstigt durch einen Fehlstart. „Das Gegentor nach einer Minute ist das schlimmste Szenario, das es gibt“, stöhnte Robben. 222-Millionen-Euro-Mann Neymar, Mbappé und Cavani konnten anschließe­nd ihre Konterstär­ke ausspielen. Bayern war defensiv nicht präsent, führungslo­s im Mittelfeld. 18:1 Ecken, die eine Scheinüber­legenheit suggeriert­en, verpufften wirkungslo­s. Die Spieler um Kapitän Thomas Müller rangen nach der Abreibung um Worte oder verweigert­en eine Stellungna­hme wie der innerlich kochende Hummels. „Das ist meine neunte Saison hier, und das ist man nicht gewohnt“sagte Robben. Der Holländer meinte aber wohl nicht nur das Ergebnis. (dpa)

Tore 1:0 Alves (2.), 2:0 Cavani (31.), 3:0 Neymar (63.) Zuschauer 46 252

Die Bayern konnten nicht zur Tagesordnu­ng übergehen

Rummenigge mit klarer Ansage nach dem Spiel

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Foto: Andreas Gebert, dpa Als Carlo Ancelotti am Münchner Flughafen ankommt, ist er noch Trainer des FC Bayern. Wenige Stunden später tagen die Mächtigen der Münchner und kommen zu der Ent scheidung, dass das Auswärtssp­iel in Paris die letzte Partie unter der Leitung des...
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Foto: Peter Kneffel, dpa Thomas Müller konnte es kaum glauben. Eine derart fahrige Bayern Mannschaft wie in Paris hatte man lange nicht mehr gesehen.
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Willy Sagnol

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