Sympathie für einen hundertjährigen Baum
Fast 1200 Menschen setzen sich in einer Online-Petition für den Erhalt einer alten Blutbuche in Mindelheim ein. Wie es nun weiter geht
Mindelheim Genau 1184 Frauen und Männer haben sich in einer OnlinePetition für den Erhalt einer rund 100 Jahre alten Blutbuche in Mindelheim eingesetzt. 563 von ihnen leben in der Kreisstadt. Der Initiator der Petition, Stephan Pawelke, hat die Unterschriftenlisten gemeinsam mit Christine Döring-Coen, der Eigentümerin des Gartens, auf dem der Baum steht, Bürgermeister Stephan Winter übergeben.
Wie berichtet, hat die Wohnungsgenossenschaft Mindelheim das benachbarte Grundstück zum Garten von Familie Döring-Coen an der Landsberger Straße gekauft. Darauf sollen Wohnungen und eine Tiefgarage entstehen. Das Problem dabei: Die benachbarte Blutbuche steht zu nah an der Grundstücksgrenze. Das ist rechtlich unstrittig. Damit verletzt der Baum die Nachbarschaftsrechte des Unternehmens.
Die Wohnbau hat daher die Nachbarin aufgefordert, den Baum zurückzuschneiden oder zu fällen. Das allerdings will Döring-Coen vermeiden. Sie fürchtet, wenn der Baum allzu sehr bearbeitet würde, könnte er nicht lange überleben. Auch sei die Gefahr zu groß, dass der dann geschwächte Baum einem Sturm nicht stand halten und damit auf das Haus fallen werde. Pawelke sagte, die Menschen freuten sich an einem gesunden, schönen und alten Baum. Diese Blutbuche sei wichtig für das Kleinklima und diene als Staub- und Lärmfilter.
Es sei den Mindelheimern nur schwer vermittelbar, warum ein Baum, der schon so lange an dieser Stelle steht, nach einem Grundstücksverkauf plötzlich weichen soll. Für das Ansehen der Wohnungsgenossenschaft in der Öffentlichkeit sei es wesentlich besser, so Pawelke, als Baumbewahrer zu erscheinen und nicht als „gnadenloses Immobilienunternehmen“.
Bürgermeister Winter wies auf die Rechtslage hin. Die Stadt sei der falsche Adressat für die Unterschriftenaktion. Sie habe keinen Einfluss auf den Bauantrag. Planungsrechtlich sei es zulässig, dass auf dem Grundstück gebaut wird. Es werde sogar ökologisch aufgewertet, weil ein Teil der jetzt noch versiegelten Fläche renaturiert werde. Auch würden dringend bezahlbare Wohnungen in Mindelheim benötigt.
Im Landratsamt hätten sich Baugenehmigungsbehörde und Naturschutz viele Gedanken gemacht, sagte Winter weiter. Im Ergebnis sei die Nachbarin aufgefordert worden, den Baum zurückzuschneiden. Würde das geschehen und würden die Wurzeln teils beschädigt, sagt DöringCoen, „wird das der Baum nicht überleben“. Eine Baumschutzverordnung gibt es in Mindelheim übrigens nicht. Der Stadtrat hatte sie abgelehnt mit dem Argument, dies greife zu sehr ins Eigentumsrecht ein. Auch sei die Gefahr groß, dass Grundbesitzer Bäume vorzeitig fällen lassen, weil dies ab einer gewissen Größe dann nicht mehr erlaubt wäre.
Der Rathauschef räumte ein, dass der Streitfall großes öffentliches Interesse besitze. Er bot an, als neutraler Vermittler aufzutreten, mochte aber keine falschen Hoffnungen wecken. Ein Gesprächstermin zwischen der Geschäftsleitung der Wohnbau, der Nachbarin Döring-Coen und Stephan Pawelke unter Leitung des Bürgermeisters soll in der Woche vom 9. bis 13. Oktober gefunden werden. Pawelke und Döring-Coen schlugen als Kompromiss vor, den Bau etwas weiter nach Westen zu rücken. Im Gegenzug sollte es der Wohnbau erlaubt werden, einen Stock höher zu bauen, sodass dieselbe Wohnfläche erzielt wird.