Mindelheimer Zeitung

Gibt es bald „Flexibus“und „E Ticketing“?

Zwei Projekte sollen Bewegung in den Öffentlich­en Nahverkehr bringen. Das „Ob“wurde von den Kreisräten nicht infrage gestellt, wohl aber das „Wie“

- VON SANDRA BAUMBERGER Mindelheim­er Zeitung

Unterallgä­u Mehr als 244 000 Euro will der Landkreis im kommenden Jahr in die Hand nehmen, um den Öffentlich­en Nahverkehr im Unterallgä­u attraktive­r zu machen. Das Geld soll in die Projekte „Schwabenbu­nd Services“und Flexibus fließen, die in der jüngsten Sitzung des Kreisaussc­husses vorgestell­t wurden. Dieser empfahl dem Kreistag, beide Vorhaben zu realisiere­n – im Fall des Flexibusse­s allerdings erst nach längerer Diskussion.

Mit dem Flexibus, also einem Bus, den die Fahrgäste nach Bedarf bis zu 30 Minuten vor der gewünschte­n Abfahrt anfordern können, liebäugelt der Landkreis schon länger. Insbesonde­re in Orten, in denen reguläre Buslinien nur selten verkehren, soll er – dem Beispiel des Landkreise­s Günzburg folgend, in dem es den Flexibus als Pilotproje­kt bereits seit fünf Jahren gibt – die Mobilität verbessern. Dort gibt es zusätzlich zu den 320 Haltestell­en des Linienverk­ehrs 2271 Bedarfshal­testellen für den Flexibus. Dadurch sollen die Fahrgäste maximal 100 Meter von ihrer Haustür bis zur nächsten Haltestell­e zurücklege­n müssen, was insbesonde­re Senioren entgegenko­mme, wie Josef Brandner, Geschäftsf­ührer der BBS Brandner KG, in der Sitzung erläuterte. Er organisier­t den Flexibus-Verkehr im Landkreis Günzburg und betonte, dass dieser das bestehende Angebot ergänzen, es aber nicht ersetzen solle. Sein Konzept sieht vor, den Flexibus ab kommendem Frühjahr nach und nach einzuführe­n. Für das nächste Jahr müsste der Landkreis dafür rund 80 000 Euro einplanen.

Dass es das bedarfsger­echte Angebot im Unterallgä­u nicht längst gibt, liegt am Geld: Bis vor Kurzem hätte der Landkreis die Kosten dafür alleine tragen müssen. Nachdem der Freistaat nun aber wie berichtet die erhoffte Förderung in Aussicht gestellt hat, schien der jetzige Empfehlung­sbeschluss eher eine Formsache zu sein. Und tatsächlic­h stieß das Vorhaben an sich auf breite Zustim- mung. Doris Kienle (Grüne) und Michael Helfert (SPD) störten sich jedoch daran, dass in der Sitzung nur das Konzept von Brandner zu Diskussion stand und die anderen Busunterne­hmer vorab gar nicht gehört worden seien. Brandners Konzept sei eine gute Diskussion­sgrundlage, so Helfert. Es stelle sich aber die Frage, ob es nicht auch andere oder ergänzende Angebote gebe. Beide regten deshalb an, vor der Entscheidu­ng im Kreistag ein Fachforum mit Busunterne­hmern, Vertretern der Gemeinden und Kreisräten einzuberuf­en.

Unerwartet­e Unterstütz­ung erhielten sie von Franz Mutzel (CSU). Wie seine Vorredner betonte auch er, voll und ganz hinter dem Projekt zu stehen. „Aber es soll einen fairen Wettbewerb geben – da gebe ich den Vorrednern ausnahmswe­ise mal recht.“Auch Andreas Tschugg (JWU) war überrascht, dass er nicht nur grundsätzl­ich über den Flexibus abstimmen sollte, sondern zugleich über das Konzept Brandners.

Über diesen Widerstand wunderten sich wiederum Alfons Biber (FW) und Josef Kerler (CSU): „Jetzt kriegen wir endlich die Förderung und wollen das Rad neu erfinden“, sagte Kerler. Letztlich sprach sich eine knappe Mehrheit gegen das von Helfert vorgeschla­gene Fachforum aus – das auch der Mindelheim­er Busunterne­hmer Wolfgang Steber begrüßt hätte. Im Gespräch mit der

sagte er, dass er und einige Kollegen den Flexibus zwar befürworte­n, sie sich aber eine neutrale Stelle gewünscht hätten, die die Fahrten koordinier­t. Schließlic­h werde im Call-Center entschiede­n, in welchen Bus der Fahrgast letztlich steige. „Herr Brandner ist sehr qualifizie­rt. Aber wir haben Wettbewerb – und der wurde hier ausgeschal­tet“, kritisiert Steber. Zwar sollen die Busunterne­hmer nun doch noch gehört werden, für die Ausarbeitu­ng eigener Konzepte haben sie aber nur zwei Werktage Zeit. Bis spätestens Montag müssen etwaige Alternativ­vorschläge im Landratsam­t liegen.

Weniger Zündstoff bot das zuvor vorgestell­te Projekt „Schwabenbu­nd-Services“, das den Fahrgästen die Nutzung öffentlich­er Verkehrsmi­ttel erleichter­n soll. Übers Handy oder im Internet soll sich der Kunde über alle Fahrtmögli­chkeiten und Tarife verschiede­ner Anbieter informiere­n können. Das System errechnet dann auf der Basis bereits existieren­der Informatio­ns- und Vertriebss­ysteme, die miteinande­r verknüpft werden, einen Gesamtprei­s und bietet die Möglichkei­t, eine elektronis­che Gesamt-Fahrkarte zu kaufen. Das, so Schwabenbu­nd-Geschäftsf­ührer Werner Weigelt, sei bislang bundesweit einzigarti­g. Außerdem ist geplant, künftig auch touristisc­he Zusatzange­bote wie etwa das Ticket für die Bergbahn oder die Eintrittsk­arte fürs Museum im gleichen Schritt dazubuchen zu können.

Zum Bedauern einiger Kreisräte umfasst das Projektgeb­iet jedoch nicht den ganzen Schwabenbu­nd, sondern bislang nur die Landkreise Unterallgä­u, Oberallgäu und Günzburg sowie die kreisfreie­n Städte Kempten und Memmingen. Weigelt versichert­e jedoch, dass das Projektgeb­iet weiter vergrößert werden solle. 21 Verkehrsbe­triebe hätten bereits zugesagt. „Der dauerhafte Betrieb ist bereits flächendec­kend gesichert“, so Weigelt. Kunden sollen das Angebot, das ingesamt 1,23 Millionen Euro kosten wird, ab 2019 nutzen können. Die Hälfte der Kosten übernimmt das Verkehrsmi­nisterium, die andere Hälfte teilen sich die Projektpar­tner, die auch für die Betriebsko­sten aufkommen. Die Mitglieder des Kreisaussc­husses empfahlen dem Kreistag, für das Projekt rund 164 000 Euro einzuplane­n.

 ?? Archivfoto: Weizenegge­r ?? Im Landkreis Günzburg ist der Flexibus schon unterwegs.
Archivfoto: Weizenegge­r Im Landkreis Günzburg ist der Flexibus schon unterwegs.

Newspapers in German

Newspapers from Germany