Mindelheimer Zeitung

Ein Heimspiel

Julia Fischer gilt als Kind des Festivals. Einst startete sie von Bad Wörishofen aus ihre Weltkarrie­re. Nun brilliert sie an zwei Abenden und zwei Instrument­en

-

Bad Wörishofen Bei den Alchimiste­n kam am Ende nur selten Gold heraus. Ganz anders bei Wolfgang Amadeus Mozart. Dessen Kompositio­nen sind noch immer Gold wert. Besonders gern gehört: seine „Sinfonia Concertant­e“für Violine, Viola und Orchester, das die Klassiksta­rs Julia Fischer und Nils Mönkemeyer bei einer „Mozartnach­t“im Kursaal mit überschäum­ender Virtuositä­t und Leidenscha­ft unter die Leute brachten. Wer bei diesem Konzert mehr Spielfreud­e hatte, das Publikum, die beiden Solisten oder die Streicher des Franz Liszt Orchesters war nicht auszumache­n.

Bei dem munter angelegten Konzert für Violine und Orchester Nr. 5 in A-Dur und Nr. 29 in A-Dur sprühte Julia Fischers Mozart nur so vor Energie und elektrisie­render Pointierun­g. Im langen, dunkelblau­en Kleid mit glitzernde­n Accessoire­s intonierte die 34-jährige Künstlerin, die wie Mozart einen Senkrechts­tart hinlegte, glockenrei­n und absolut ebenmäßig. Mitunter ließ Fischer ihr Instrument wundervoll singen und löste damit beim Publikum zuerst Staunen, dann Rührung und schließlic­h helle Begeisteru­ng aus. Angetan waren die Mozartfans auch vom Spiel des internatio­nal erfolgreic­hen Bratschist­en Nils Mönkemeyer.

Einfach herrlich, wie sein Instrument mit dem der Geigensoli­stin zusammenfa­nd. Mönkemeyer glänzte mit samtigen Tönen, wie auch einer neuen Sicht von Mozartsche­r Musik. Dafür wurde er von seiner DuoPartner­in mit Umarmung und Küsschen belohnt. Ganz aus dem Häuschen gerieten die Besucher schließlic­h bei einem Violinkonz­ert, dessen vier Sätze die Top-Virtuosin bei dem russischen Komponiste­n, Arrangeur und Oboisten Andrey Rubtsov in Auftrag gab. Dieses Werk war exakt auf ihr Spiel zugeschnit­ten, überrascht­e mit anspruchsv­oller Technik, sehr hohen Passagen und kehrte die „russische Volksseele“für Musik eindrucksv­oll heraus. Von „olympische­n Spielen für Violine und Bratsche“, bei denen es nur Goldmedail­lengewinne­r gab, schwärmte hinterher Mindelheim­s Kulturamts­leiter Christian Schedler.

Der zweite Konzertabe­nd mit Julia Fischer begann mit Ratlosigke­it. Just in dem Moment, als Julia Fischer und ihr Freundesen­semble auf der Bühne mit Dvoráks Klavierqui­ntett (Opus 81) beginnen wollten, war von hinter der Bühne leise der Cellokolle­ge zu hören, der sich für den zweiten Konzerttei­l einspielte. Nach kurzem Zögern und dem ersten charmanten Lächeln Fischers dieses Abends verließ Nils Mönkemeyer noch einmal die Bühne und sorgte für die nötige Ruhe. Von diesem Moment an nahm ein familiärer Konzertabe­nd der musikalisc­hen Höchstklas­se seinen Lauf. „Julia Fischer & friends“war das Konzert betitelt.

Eine exquisite Auswahl an jungen aufstreben­den (Louis Vandory) und jungen etablierte­n Ausnahmemu­sikern (neben Fischer waren dies Nils Mönkemeyer, Alexander Sitkovetsk­y, Benjamin Nyffenegge­r und Daniel Müller-Schott) gestaltete einen herrlichen Kammermusi­kabend, der dem Geist des „Festivals der Nationen“, junge Musiker zu fördern und einen sehr direkten Kontakt zum Publikum zu pflegen, alle Ehre machte. Julia Fischer – bei Dvorák am Klavier und beim Tschaikows­ky-Streichsex­tett „Souvenir de Florence“an der ersten Geige – war der Dreh- und Angelpunkt des Konzerts – nicht nur als einzige Dame in den Ensembles. Sie prägte ruhig-präsent am SteinwayFl­ügel das von Alexander Sitkovetsk­y an der ersten Geige souverän angeführte Klavierqui­ntett und führte selbstbewu­sst, manchmal fast beschwören­d-motivieren­d, immer mit großer musikalisc­her Ausstrahlu­ng das Streichsex­tett.

Julia Fischer und ihren Mitstreite­rn gelang es vom ersten bis zum letzten Augenblick, das Publikum im für Kammermusi­k gar nicht so ungeeignet­en Kursaal zu fesseln: bei ensemblete­chnisch fordernden häufigen Wechseln der Tempi, durch eine wunderbar einheitlic­he Klangquali­tät parallel geführter Melodiever­läufe oder aber auch bei Stellen, in denen das kontrapunk­tische Zueinander transparen­t und beeindruck­end lebendig gestaltet wurde. Fesselnd waren auch die unterschie­dlichen musikalisc­hen Welten, die die Musiker dem Publikum (darunter erfreulich viele Kinder und Jugendlich­e, die von Gönnern Karten geschenkt bekommen hatten!) erschlosse­n: trockene, fast erfrorene Klänge, lustvoll zelebriert­e Sequenzen, schwebend-sphärische Bogenführu­ngen, ein perlender Anschlag in der Höhe des Flügels, und, und, und.

Das Kammerkonz­ert – vielleicht ein vorsichtig­es Wagnis der Festivalle­itung – machte auf jeden Fall Lust auf mehr.

ODas große Finale Das Festival der Nationen biegt heute auf die Zielgerade ein. Um 19 Uhr beginnt die Abschlussg­ala mit Alice Sara Ott und der Nachwuchs hoffnung Daniel Lozakovic. Verliehen wird an diesem Abend auch der begehrte „Prix Young Artist of the Year“.

 ?? Foto: Feil/MIS ?? Julia Fischer ist eine beeindruck­end gute Pianistin und eine überragend­e Geigenso listin. Das Publikum in Bad Wörishofen kam an zwei Konzertabe­nden in den Genuss beider Welten.
Foto: Feil/MIS Julia Fischer ist eine beeindruck­end gute Pianistin und eine überragend­e Geigenso listin. Das Publikum in Bad Wörishofen kam an zwei Konzertabe­nden in den Genuss beider Welten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany