Hereinspaziert auf einen Kaffee
Was hat es mit der Kaffeegasse in Pfaffenhausen auf sich? Wir haben einfach mal bei Anwohnern geklingelt und trafen auf nette Menschen und ein Original
Pfaffenhausen Darf man das? Einfach bei wildfremden Menschen an der Haustüre klingeln und sich selbst auf einen Kaffee einladen? Das gehört sich doch nicht, auch wenn man Gebäck vom Bäcker in der Nähe selbst mitbringt. Aber wenn doch der Straßenname selbst einem schon den Duft in die Nase treibt? Kaffeegasse, das klingt nach netten Menschen und interessanten Gesprächen. Und tatsächlich: In jedem Haus hier in Pfaffenhausen leben gastfreundliche Kaffeefreunde. Wir haben nicht vergebens geklingelt.
Da sind zum Beispiel die Eheleute Ingrid und Ortwin Schneider, sie 75, er 79 Jahre alt. Seit 56 Jahren sind sie schon glücklich verheiratet. Bei ihnen gilt: Kein Morgen ohne Kaffee, und auch nachmittags, wenn Besuch kommt, gibt es das frisch aufgebrühte Heißgetränk. Besuch kommt oft bei Schneiders vorbei. Vier Kinder haben die beiden großgezogen, und jetzt sind ihre sieben Enkelkinder ihr größtes Glück.
„Die Kinder kommen gerne vorbei“, erzählt Ingrid Schneider, während sie den Kaffee aufsetzt. Bei ihr gibt es nur Filterkaffee, ganz klassisch. Kaffee aus den Vollautomaten, wie sie heutzutage in Mode sind, hat sie nie überzeugt. Schmeckt einfach anders. Ortwin Schneider ist im Fuggermarkt Kirchheim aufgewachsen. Das Haus in Pfaffenhausen haben beide aber schon vor Jahrzehnten bezogen. Die Wohnlage ist ruhig, auch wenn immer mehr Autofahrer aus der Neubausiedlung die schmale Straße als Abkürzung nutzen, was beide nicht so schön finden.
Früher waren hier noch ein paar Handwerksbetriebe anzutreffen, zum Beispiel ein Schreiner. Und auch mehr Bauern gab es noch. Jetzt ist es noch ein Milchbauer, der hier seine Tiere großzieht. Alle anderen haben aufgegeben.
Ingrid und Ortwin Schneider finden das schade, dass so viel verloren gegangen ist. Sie sagen aber auch, wie gerne sie in Pfaffenhausen leben. Der Ort bietet alles, was man braucht. Nicht einmal ein Auto benötigt Ingrid Schneider zum Einkaufen. Deshalb hat sie auch nie den Führerschein gemacht.
In der Kaffeegasse waren nie die Reichen zuhause. „Hier haben die armen Leute von Pfaffenhausen gewohnt“, sagt Ortwin Schneider. Die Straße war lange Zeit Ortsrand. Nicht weit vom heutigen Bahnhof gab es einmal ein Schloss, von dem heute nur noch ein paar Reste erhalten geblieben sind. Die armen Leute, so erzählt es der Volksmund, hätten vom Schloss den bereits benutzten Kaffeesatz geholt und damit ihren eigenen Kaffee aufgebrüht. Daher der Name Kaffeegasse. Kaffeefreunde haben sich also schon immer in der Kaffeegasse wohl gefühlt. Heute sind es vor allem die liebevoll gepflegten Gärten, die einem sofort ins Auge fallen. Bei Familie Schneider ist es die Frau, die sich um die Blumenbeete kümmert. Der Rasen ist Männersache.
Ortwin war bis zu seinem Ruhestand oft unterwegs. Er war Bauleiter, und da gehörte es eben dazu, auch mal für ein paar Wochen am Stück in Leverkusen oder in Darmstadt eine Baustelle zu betreuen. Er möchte die Zeit nicht missen. Und er findet, dass junge Leute unbedingt auch für ein paar Jahre hinaus in die Welt gehören. Engstirnige gebe es schon genug, sagt er. Viele jammerten, und wüssten gar nicht, wie gut es ihnen geht.
Ein Original ist Richard Herreiner, der nicht weit von Schneiders wohnt. Er kommt ursprünglich aus Bachhagel bei Dillingen und war Landwirt. Der 82-Jährige stimmt gerne mal ein Liedchen an, so wie er es früher als Milchfahrer gern gemacht hat. Wenn das Wetter mitspielt, sitzt er draußen auf seiner Bank vor dem Haus. Ein paar Hühner hält er mit seiner Frau Maria, und auch eine Katze streicht durch den Garten. Der Hof seines Sohnes liegt in Sichtweite entfernt. Richard ist mit seinem Leben im Reinen. Er hat immer gespart, damit die Kinder was haben.
Und dann sind da noch Barbara und Henryk Skaznik. Vor 26 Jahren sind sie von Polen nach Deutschland gezogen. Barbara arbeitet als Hauswirtschaftshilfe im Blindenheim in Pfaffenhausen. Ihr Mann ist Handwerker. Er geht jetzt in Rente. Ihr kleines Paradies in der Kaffeegasse haben sie sich selbst erarbeitet. Es war ein altes Haus, das sie in Eigenregie umgebaut haben. Barbara Skaznik ist ein Mensch, der geradezu strahlt vor Lebensfreude. Hendryk steht ihr nicht nach, vor allem dann nicht, wenn Süßes und Deftiges auf den Teller kommt. Bei Dampfnudeln und Kartoffelpuffern gehen ihm die Augen über.
Beide Kinder haben studiert. Die Tochter lebt in Krumbach, der Sohn in Frankfurt/Oder. Mit ihrer 88 Jahre alten Mutter telefoniert sie jeden Sonntag. Ob die Skazniks für immer in Pfaffenhausen bleiben, ist noch nicht ausgemacht. Dabei fühlen sie sich richtig wohl in der Straße. Aber sie wollen auch ihre Kinder und Enkel möglichst oft sehen. „Familie ist uns das Wichtigste“, sagt Barbara.
Aber auch ihre Arbeit will sie so lange wie möglich machen. Wegen einer Operation am Fuß muss sie derzeit zuhause bleiben. Um so mehr hat sie sich über liebe Genesungswünsche ihrer Behinderten gefreut. „Es ist so schön, mit ihnen zu arbeiten!“, schwärmt sie. Die bunte Karte ihrer Schützlinge hütet sie wie einen Schatz.
Die Armen holten den Kaffeesatz aus dem Schloss