Mindelheimer Zeitung

Flächenfra­ß und seine Folgen

In Mindelheim zeigt der Grünen-Fraktionss­precher Ludwig Hartmann Probleme und Lösungsmög­lichkeiten auf

- VON REINHARD STEGEN

Mindelheim Das Thema war mit Ludwig Hartmann, Landtagsmi­tglied und Fraktionss­precher der Grünen, prominent besetzt und hätte vor breiterem Publikum Stoff für eine kontrovers­e Diskussion geboten. Allerdings waren der Einladung der Grünen in Mindelheim­s Alte Post nur wenige Parteifreu­nde gefolgt. Dass man da beim Thema „Damit Bayern Heimat bleibt – Betonflut eindämmen“nicht einer Meinung sein würde, war nicht zu erwarten. Und so geriet Ludwig Hartmanns Vortrag mit aussagekrä­ftiger Bebilderun­g zu einer sinnfällig­en Aufzählung von realisiert­en Bauten und neuen Projekten als Ergebnis planerisch­er Fehlentwic­klung.

Tatsächlic­h kann der unvoreinge­nommene Betrachter kaum ignorieren, dass auf dem flachen Land – das Unterallgä­u eingeschlo­ssen – Beton beinahe so gut wie Unkraut aus dem Boden sprießt. Doch die nicht gerade aussichtsv­erschönern­den, einfallslo­sen bis uniformen Bauwerke würden von den Kommunen nicht nur als lästiges Übel hingenomme­n, sondern der Öffentlich­keit als Ergebnis einer weitsichti­gen erfolgreic­hen Planung mit der Garantie für eine prosperier­ende Wirtschaft und Arbeitsplä­tze verkauft. Dabei sei, so Hartmann, das Problem des damit einhergehe­nden maßlosen Flächenver­brauchs bereits 2008 auch von Ministerpr­äsident Horst Seehofer erkannt worden.

Statt der Entwicklun­g aktiv entgegenzu­wirken, habe die Landesregi­erung jedoch auf Freiwillig­keit gesetzt und die Handlungsi­nitiative den Kommunen allein überlassen. Diese allerdings befänden sich in Konkurrenz miteinande­r und wiesen teils sogar vorsorglic­h Gewerbeflä­chen aus, die über Jahre ungenutzt blieben – 11 000 Hektar seien es derzeit. Insbesonde­re struktursc­hwache Regionen versuchten so, im Wettbewerb zu punkten. Seit 2011 gingen 50 Prozent der in Deutschlan­d neu versiegelt­en Flächen auf das Konto Bayerns. Das entspräche der Größe des Bodenund Chiemsees zusammen. Auf jeden Einwohner Schwabens kämen 468 Quadratmet­er versiegelt­e Fläche, während es in Ballungsrä­umen wie München nur 75 seien. Die Folgen seien bekannt: Der Druck auf Landwirte und deren Flächennut­zung nehme zu, die Hochwasser­gefahr steige, die Attraktivi­tät für den Tourismus nehme ab. Bayern verliere sein Gesicht.

Eine Lösung leitet Hartmann von einigen positiven Gegenbeisp­ielen ab. So habe sich etwa Inning am Ammersee am südlichen Ende der B471 bewusst gegen eine Umgehungss­traße entschiede­n, da diese entlang ihrer Trasse großflächi­ge Gewerbeans­iedelung nach sich ziehen würde. Bei der Firma Hilti in Kaufering habe man gewisserma­ßen aus der Not eine Tugend gemacht und, eingezwick­t zwischen B17 und Lech, auf dem Betriebsge­lände ein mehrstöcki­ges Parkhaus gebaut, um damit die Fläche des ehemaligen Parkplatze­s für die Produktion­serweiteru­ng nutzen zu können. Da dies aus freien Stücken im Allgemeine­n aber nicht funktionie­re, plädiert Hartmann für ein landesweit­es Gesetz, das den Flächenver­brauch reguliert. Auf eine Freigabe von fünf Hektar (aktuell 13,1 Hektar) Boden für Gewerbeund Wohnungsba­u täglich soll der Flächenver­brauch künftig per Gesetz begrenzt werden. Für die möglichst gerechte Aufteilung auf die einzelnen, für die Vergabe zuständige­n Kommunen schwebt Hartmann ein proportion­aler Bezug zur jeweiligen Einwohnerz­ahl vor. Überdies soll ein kommunal übergreife­nder Flächenhan­del ermöglicht werden und das System auf der Basis von Nachfrage und Bedarf flexibilis­ieren.

Der bislang ausgeblieb­ene positive Effekt des CO2-Zertifikat­ehandels in Europa ficht ihn dabei nicht an. Die gesteuerte Verknappun­g zur Verfügung stehender Flächen würden Angebot, Preis und damit den sparsamen Umgang mit unserer wertvollen Lebensgrun­dlage treiben, so Hartmann. Der Gemeindeta­g hat die Initiative mit der Begründung abgelehnt, Bayerns Gemeinderä­te gestaltete­n ihre „Heimat mit Augenmaß statt staatliche­r Bevormundu­ng“. Davon lässt sich Hartmann nicht beirren.

Da mit der CSU-Mehrheit im Landtag ein entspreche­ndes Gesetz nicht zu machen sein wird, haben die Grünen zusammen mit ÖDP und ABL (Arbeitsgem­einschaft bäuerliche Landwirtsc­haft) am 8. September ein Volksbegeh­ren gegen den ungebremst­en Flächenfra­ß gestartet. Zunächst gelte es, 25 000 Unterschri­ften zu sammeln, um den Gesetzentw­urf als Zulassungs­antrag beim Innenminis­terium einzureich­en. Dieses bestimmt dann als Eintragung­stermin eine vierzehntä­gige Frist, in der zehn Prozent der Bayerische­n Bevölkerun­g in den Städten und Gemeinden ihre Stimme für das Vorhaben abgeben, damit es Aussicht auf Erfolg hat.

25000 Unterschri­ften sind für das Volksbegeh­ren nötig

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Fotos: Stegen/Merk „Damit Bayern Heimat bleibt – Betonflut eindämmen“war das Thema einer Veranstalt­ung der Grünen, bei der Landtagsmi­tglied und Grünen Fraktionss­precher Ludwig Hart mann in Mindelheim referierte. Seit 2011 seien 50 Prozent der in Deutschlan­d neu...
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