Dieser Mann macht Moleküle sichtbar
Der neue Nobelpreisträger Joachim Frank ist ein Wissenschaftler mit vielen Facetten. Warum er, unter anderem, Gedichte und Kurzgeschichten schreibt
Schon als kleiner Junge experimentierte der frisch gekürte Chemie-Nobelpreisträger Joachim Frank damals meist unter der Terrasse seines Elternhauses in Siegen. „Als ich 12 oder 13 war, habe ich die ersten Teile gekauft, um Radios zu bauen, sehr kleine Geräte“, erinnerte sich Frank einmal in einem Interview. „Später habe ich dann alte Radios auseinandergebaut und wieder zusammengesetzt.“
1940 in Siegen geboren, zieht es den jungen Forscher Frank nach dem Abitur zunächst an die AlbertLudwigs-Universität nach Freiburg und dann an die Ludwig-Maximilians-Universität in München. Seinen Doktortitel bekommt der Biophysiker 1970 von der Technischen Universität in München für eine Arbeit über elektronenmikroskopische Aufnahmen – und ein Stipendium für einen Forschungsaufenthalt in den USA. Danach ist Frank, verheiratet und Vater zweier Kinder, zunächst wieder in Europa, unter anderem am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried, bis er schließlich 1986 Professor für Biomedizin in Albany im Bundesstaat New York wird. Seit 2008 forscht und lehrt er an der Elite-Universität Columbia in der Millionenmetropole New York. Seine Lieblingsmoleküle, sagt er, seien Ribosomen – die Proteinfabriken der Zellen. Der praktische Nutzen der Kryo-Elektronenmikroskopie, die Forschern eine dreidimensionale Abbildung biologischer Moleküle ermöglicht, sei „immens“. Bis sie jedoch in der Medizin genutzt werden könne, werde es aber noch Jahre dauern.
„Joachim ist ein brillanter Kopf“, sagt Christian Spahn vom Berliner Großklinikum Charité, der vier Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter Franks war. „Er kann selbst komplizierteste Zusammenhänge klar und einfach ausdrücken.“Für bemerkenswert hält Spahn, dass Frank seine Forschung trotz schwieriger Bedingungen nie aufgegeben hat: „Albany war nicht Yale. Lange Zeit erhielt Joachim keine Anerkennung. Aber er hatte den Mut, seine Ziele immer weiter zu verfolgen. Ich bin total happy, dass es jetzt mit dem Nobelpreis geklappt hat.“Frank erhält ihn gemeinsam mit dem Schweizer Jacques Dubochet und dem Briten Richard Henderson.
Neben seiner offiziellen Webseite von der Columbia University in New York hat Joachim Frank, der seit 1977 neben der deutschen auch die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, noch eine zweite – „FranxFiction“–, auf der er Fotos und Literatur veröffentlicht. „Ich habe diese Webseite gestartet, weil heutzutage jeder eine Präsenz braucht, um präsent zu sein, und physische Präsenz nicht mehr ausreicht, um in dieser nebulösen virtuellen Welt gesehen zu werden.“
Die Webseite, für die er alle paar Tage neue Einträge verfasst, sei für ihn „Megafon, Verstärkung und Mikrofon-Test“. Kurzgeschichten, Gedichte und längere BelletristikTexte von Frank sind auch schon in Büchern und Magazinen veröffentlicht worden.