Die große Chance heißt 4.0
Allgäuer Wirtschaft diskutiert in Marktoberdorf über die digitale Zukunft. Die Unternehmer sind überzeugt: Wer sich richtig aufstellt, wird von den neuen Entwicklungen profitieren
Marktoberdorf Das Unternehmen Scaltel ist Spezialist im Bereich der Kommunikations- und Informationstechnik. 180 Mitarbeiter beschäftigt die Firma mit Sitz im Oberallgäuer Waltenhofen. Was wohl niemand vermuten würde: Beim ersten Kontakt mit einer E-Mail hatte Vorstandsvorsitzender Christian Skala dieser Kommunikationsform einst keine große Zukunft eingeräumt. Heute wissen es alle besser. „Ohne Internet ist die Welt nicht mehr vorstellbar“, sagte Skala bei einer Diskussionsrunde der Allgäuer Wirtschaft, an deren Ende das Fazit stand: Die digitale Revolution (Wirtschaft 4.0) bedeutet eine Riesen-Chance für Unternehmen. Vorausgesetzt, sie zeigen Profil und stellen sich auf den Wandel ein. 200 Gäste aus Politik und Wirtschaft waren der Einladung der Industrieund Handelskammer (IHK) zum Erntedank-Empfang ins Marktoberdorfer Modeon gefolgt. Sie erlebten dort einen kurzweiligen, informativen Abend. Bei der von Uli Hagemeier moderierten Diskussion wurde schnell deutlich, dass die Digitalisierung für jede Branche ganz spezielle Herausforderungen parat hält.
● Tempo zählt „Gerade bei internationalen Gästen ist es entscheidend, eine Anfrage auch nachts um eins in wenigen Stunden zu beantworten“, sagt Hotelier Wolfgang Sommer aus Füssen. Seine Lösung ist ein Hotelverwaltungsprogramm, das eine sofortige Rückmeldung verschickt. Dass das digitale Zeitalter große Player wie die Plattform AirBnB hervorbringt, mache ihm keine Angst. „Entscheidend ist es, sich zu profilieren, das Besondere herauszustreichen.“Sommer hat sich etwa als Rennrad- und MotorradAlpenguide platziert, forciert den Tagungs- und Wellness-Tourismus und setzt auf Qualität: „Das zählt für viele Gäste mehr als der Preis.“ ● Intelligente Produktion Statt herkömmlicher Computersteuerung kommt beim Maschinenbauer Hawe Hydraulik in Kaufbeuren (etwa 600 Mitarbeiter) „4.0 auf Allgäuer Art“zum Einsatz. Das bedeutet laut Produktionsvorstand Wolfgang Sochor etwa, Werkstoffe für die Fertigung nicht in „dummen, sondern in intelligenten Behältern“zu lagern: Diese melden Leerstände automatisch ans Lager und geben so den Impuls zum Auffüllen. Auch ein fahrerloses Transportsystem sei im Test. „Die Hauptrolle spielt aber weiterhin der Mensch“, betont Sochor. Die Digitalisierung führe nicht zum Abbau von Arbeitsplätzen, da zwar einfachere Tätigkeiten wegfielen, im Gegenzug aber im administrativen Bereich neue Aufgaben warteten.
● Mehr als nur Know how „Früher haben wir IT-Produkte geliefert, heute geht es um Lösungen“, sagt Christian Skala (Scaltel). Der Kunde erwarte intelligente, vorausdenkende Systeme, die ihm das Leben leichter machen und einen Mehrwert bringen. „Das macht die Sache für uns sehr komplex.“Bei seinen Kunden spüre er in puncto 4.0 Sorge und Aufbruchstimmung gleichermaßen. Die größte Herausforderung sei die Frage: Wie gelingt es, die Mitarbeiter für neue Technologien zu begeistern? Die rasante Entwicklung führe zu Geschäftsfeldern, die heute noch nicht denkbar seien.
● Autoverkauf am Esstisch Die SeitzGruppe mit ihren 21 Autohäusern bahnte schon 2003 den ersten Autodeal übers Internet an. „Heute wer- den von 12 000 Fahrzeugen im Jahr 40 Prozent online verkauft. Und das wird rapide steigen“, sagt Geschäftsführer Martin OsterbergerSeitz. Die Digitalisierung bedeute neue Prozesse, neue Wege, neue Chancen – und für viele der etwa 950 Mitarbeiter Veränderungen. Beispiel Service: „Bald vereinbart das Fahrzeug einen Kundendiensttermin.“Beispiel Verkauf: Der finde künftig auch daheim am Esstisch statt, inklusive Konfiguration mit 3D-Brille. Deutschen Fahrzeugen prophezeit Osterberger-Seitz weiter hohe Marktanteile, auch wenn die Konkurrenz wachse.
Dass der Abend auch dem Dank und der Rückschau dienen soll, darauf verwiesen die IHKRegionalverantwortlichen Gerhard
Schlichtherle (Kaufbeuren/Ostallgäu) und Markus Brehm (Kempten/ Oberallgäu). Den verbindlichen Beschluss, die B12 vierspurig auszubauen, stufte Schlichtherle als herausragend ein und kündigte an, die Wirtschaft werde für die Aufwertung dieser „extrem bedeutenden Straße“weiter Druck machen. Wichtig sei zudem der Ausbau auf der Schiene. Auch das Thema Fachkräftemangel schnitt er an. Brehm erinnerte daran, dass die IHK die Allgäuer Unternehmen auf dem Weg in die digitale Zukunft auf vielfältige Weise begleite. Das reiche von der Weiterbildung durch die IHK-Akademie über das Schaffen spezieller Netzwerke bis zum IT-Sicherheitstag, von dem Firmen auf breiter Front profitierten.