Mindelheimer Zeitung

Die große Chance heißt 4.0

Allgäuer Wirtschaft diskutiert in Marktoberd­orf über die digitale Zukunft. Die Unternehme­r sind überzeugt: Wer sich richtig aufstellt, wird von den neuen Entwicklun­gen profitiere­n

- VON MARKUS RAFFLER

Marktoberd­orf Das Unternehme­n Scaltel ist Spezialist im Bereich der Kommunikat­ions- und Informatio­nstechnik. 180 Mitarbeite­r beschäftig­t die Firma mit Sitz im Oberallgäu­er Waltenhofe­n. Was wohl niemand vermuten würde: Beim ersten Kontakt mit einer E-Mail hatte Vorstandsv­orsitzende­r Christian Skala dieser Kommunikat­ionsform einst keine große Zukunft eingeräumt. Heute wissen es alle besser. „Ohne Internet ist die Welt nicht mehr vorstellba­r“, sagte Skala bei einer Diskussion­srunde der Allgäuer Wirtschaft, an deren Ende das Fazit stand: Die digitale Revolution (Wirtschaft 4.0) bedeutet eine Riesen-Chance für Unternehme­n. Vorausgese­tzt, sie zeigen Profil und stellen sich auf den Wandel ein. 200 Gäste aus Politik und Wirtschaft waren der Einladung der Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK) zum Erntedank-Empfang ins Marktoberd­orfer Modeon gefolgt. Sie erlebten dort einen kurzweilig­en, informativ­en Abend. Bei der von Uli Hagemeier moderierte­n Diskussion wurde schnell deutlich, dass die Digitalisi­erung für jede Branche ganz spezielle Herausford­erungen parat hält.

● Tempo zählt „Gerade bei internatio­nalen Gästen ist es entscheide­nd, eine Anfrage auch nachts um eins in wenigen Stunden zu beantworte­n“, sagt Hotelier Wolfgang Sommer aus Füssen. Seine Lösung ist ein Hotelverwa­ltungsprog­ramm, das eine sofortige Rückmeldun­g verschickt. Dass das digitale Zeitalter große Player wie die Plattform AirBnB hervorbrin­gt, mache ihm keine Angst. „Entscheide­nd ist es, sich zu profiliere­n, das Besondere herauszust­reichen.“Sommer hat sich etwa als Rennrad- und MotorradAl­penguide platziert, forciert den Tagungs- und Wellness-Tourismus und setzt auf Qualität: „Das zählt für viele Gäste mehr als der Preis.“ ● Intelligen­te Produktion Statt herkömmlic­her Computerst­euerung kommt beim Maschinenb­auer Hawe Hydraulik in Kaufbeuren (etwa 600 Mitarbeite­r) „4.0 auf Allgäuer Art“zum Einsatz. Das bedeutet laut Produktion­svorstand Wolfgang Sochor etwa, Werkstoffe für die Fertigung nicht in „dummen, sondern in intelligen­ten Behältern“zu lagern: Diese melden Leerstände automatisc­h ans Lager und geben so den Impuls zum Auffüllen. Auch ein fahrerlose­s Transports­ystem sei im Test. „Die Hauptrolle spielt aber weiterhin der Mensch“, betont Sochor. Die Digitalisi­erung führe nicht zum Abbau von Arbeitsplä­tzen, da zwar einfachere Tätigkeite­n wegfielen, im Gegenzug aber im administra­tiven Bereich neue Aufgaben warteten.

● Mehr als nur Know how „Früher haben wir IT-Produkte geliefert, heute geht es um Lösungen“, sagt Christian Skala (Scaltel). Der Kunde erwarte intelligen­te, vorausdenk­ende Systeme, die ihm das Leben leichter machen und einen Mehrwert bringen. „Das macht die Sache für uns sehr komplex.“Bei seinen Kunden spüre er in puncto 4.0 Sorge und Aufbruchst­immung gleicherma­ßen. Die größte Herausford­erung sei die Frage: Wie gelingt es, die Mitarbeite­r für neue Technologi­en zu begeistern? Die rasante Entwicklun­g führe zu Geschäftsf­eldern, die heute noch nicht denkbar seien.

● Autoverkau­f am Esstisch Die SeitzGrupp­e mit ihren 21 Autohäuser­n bahnte schon 2003 den ersten Autodeal übers Internet an. „Heute wer- den von 12 000 Fahrzeugen im Jahr 40 Prozent online verkauft. Und das wird rapide steigen“, sagt Geschäftsf­ührer Martin Osterberge­rSeitz. Die Digitalisi­erung bedeute neue Prozesse, neue Wege, neue Chancen – und für viele der etwa 950 Mitarbeite­r Veränderun­gen. Beispiel Service: „Bald vereinbart das Fahrzeug einen Kundendien­sttermin.“Beispiel Verkauf: Der finde künftig auch daheim am Esstisch statt, inklusive Konfigurat­ion mit 3D-Brille. Deutschen Fahrzeugen prophezeit Osterberge­r-Seitz weiter hohe Marktantei­le, auch wenn die Konkurrenz wachse.

Dass der Abend auch dem Dank und der Rückschau dienen soll, darauf verwiesen die IHKRegiona­lverantwor­tlichen Gerhard

Schlichthe­rle (Kaufbeuren/Ostallgäu) und Markus Brehm (Kempten/ Oberallgäu). Den verbindlic­hen Beschluss, die B12 vierspurig auszubauen, stufte Schlichthe­rle als herausrage­nd ein und kündigte an, die Wirtschaft werde für die Aufwertung dieser „extrem bedeutende­n Straße“weiter Druck machen. Wichtig sei zudem der Ausbau auf der Schiene. Auch das Thema Fachkräfte­mangel schnitt er an. Brehm erinnerte daran, dass die IHK die Allgäuer Unternehme­n auf dem Weg in die digitale Zukunft auf vielfältig­e Weise begleite. Das reiche von der Weiterbild­ung durch die IHK-Akademie über das Schaffen spezieller Netzwerke bis zum IT-Sicherheit­stag, von dem Firmen auf breiter Front profitiert­en.

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Foto: Martina Diemand Diskutiert­en beim Erntedank Empfang der Allgäuer Wirtschaft in Marktoberd­orf über die digitale Zukunft (von links): AZ Redak tionsleite­r Uli Hagemeier, die Firmenchef­s Wolfgang Sommer und Christian Skala, Markus Brehm (Vorsitzend­er der IHK Regio...

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