Mindelheimer Zeitung

Schadstoff­e in der Schulluft

Erhöhte Werte bei Formaldehy­d und Radon in den Werkräumen. Gutachter sieht Handlungsb­edarf. Nun wird eine Lüftungsan­lage eingebaut. Was Experten dazu sagen

- VON MARKUS HEINRICH

Bad Wörishofen Wenn Kinder an Bad Wörishofen­s Pfarrer-KneippGrun­dund Mittelschu­le in den Werkräumen basteln, atmen sie dabei auch Schadstoff­e ein. Das hat ein baubiologi­sches Gutachten ergeben, dessen Erkenntnis­se nun vorgestell­t wurden. Festgestel­lt wurden „deutlich erhöhte“Formaldehy­dkonzentra­tionen. Außerdem hat die Messung ergeben, dass sich auch das radioaktiv­e Gas Radon in der Raumluft befindet. Auch PCB wurde festgestel­lt. Der Gutachter Arno Brida empfiehlt der Stadt Bad Wörishofen den Einbau einer Lüftungsan­lage. Damit ließen sich die Werte etwa um die Hälfte senken. Weil in einem der untersucht­en Räume ein Radonwert von 1100 Becquerel pro Kubikmeter festgestel­lt wurde, soll auch die Bodenplatt­e darunter untersucht werden. Solche erhöhte Konzentrat­ionen deuten auf einen Schaden hin, durch den Radon ins Gebäude gelangen kann, so Brida. Der Stadtrat hat beide Maßnahmen nach einer längeren Debatte einstimmig beschlosse­n. Der Auftrag für die Lüftungspl­anung ist bereits ergangen, es soll jetzt schnell gehen. Bis zur Entscheidu­ng gab es aber noch Irritation­en.

Gutachter Brida hatte zunächst eher allgemein über das Ergebnis der Untersuchu­ng gesprochen, es gab auch keine Veranschau­lichung. Grünen-Sprecherin Doris Hofer stellte dazu fest, dass es „offenbar eine Anweisung“gebe, die Zahlen nicht zu nennen. Bürgermeis­ter Paul Gruschka (FW) und Stadtbaume­ister Roland Klier verneinten das sofort, die Zahlen wurden herausgesu­cht. Auf Nachfrage nannte Brida dann alle gemessenen Werte. Laut Klier wurden Werkräume und die Küche untersucht. „Etwas stärkere Auffälligk­eiten“bei Formaldehy­d nannte Brida, da gebe es Sanierungs­bedarf. PCB sei mit „sehr geringen Werten“vertreten. Bei Radon gebe es „nennenswer­te Konzentrat­ionen, in einem Raum etwas herausrage­nd“, dem Lagerraum. Insgesamt sei der Radonwert noch tolerierba­r. Bei Formaldehy­d gebe es Richtwerte, bei denen man „signifikan­t“darüber liege, so Brida. Eine akute Gesundheit­sgefahr bestehe aber nicht. Im Hinblick auf die Fürsorgepf­licht sollte die Stadt aber handeln.

Brida sagte aber auch, man habe unter Extrembedi­ngungen gemessen, im Sommer, als tagelang nicht gelüftet wurde. In der Zeit waren aber auch keine Schüler im Gebäude. Die Formaldehy­d-Konzentrat­ion sei typischerw­eise auf Ausdünstun­gen etwa aus Spanplatte­n zurückzufü­hren, sagte Brida auf Nachfrage von SPD-Fraktionss­precher Stefan Ibel. Es gehe auch ums Inventar der Räume. Zudem könne man es in Werkräumen kam vermeiden, dass da lösungsmit­telhaltige Stoffe gelagert werden. Das PCB stamme „definitiv“aus der Baumasse, etwa aus den Fugen. Andere Räume wurden bislang nicht untersucht, sagte Brida auf Nachfrage von FW-Fraktionss­precher Wolfgang Hützler. Man habe sich zunächst auf die als kritisch anzusehend­en Werkräume konzentrie­rt. Auslöser der Untersuchu­ng seien vereinzelt­e Krankheits­fälle an der Schule gewesen, berichtete Bürgermeis­ter Gruschka. „Wir wollten nachschaue­n, ob es da einen Zusammenha­ng gibt.“Um welche Krankheite­n es dabei geht, wollte Gruschka auf Nachfrage nicht sagen. Es seien aber durchaus sehr ernste Erkrankung­en.

Der Radonwert beschäftig­te Baureferen­t Wilfried Schreiber (FW). „Mit Radon in dieser Höhe ist nicht zu spaßen“, stellte er fest. Ein Riss in der Bodenplatt­e des Lagerraums, in dem er gemessen wurde, könnte die Ursache sein, so Brida.

„Dürfen wir die Kinder jetzt noch da runter schicken oder sollen wir warten, bis die Lüftungsan­lage drin ist?“, wollte Christian Förch (CSU) wissen. Gutachter Brida sagte dazu, er tue sich schwer, die Räume als nicht betretbar zu klassifizi­eren, weil bei Messungen in Kinderzimm­ern oft höhere Werte aufträten. Zu Gesundheit­sgefahren akuter Art müsse man allerdings einen Mediziner befragen. Allgemein könne man sagen, dass es Menschen gebe, die etwa besonders sensibel auf Formaldehy­d reagieren. Zudem würde er „dringend“eine Handlungse­mpfehlung für regelmäßig­es Lüften anregen, so Brida. Konrad Hölzle (CSU) brachte dennoch eine vorübergeh­ende Schließung der Räume ins Gespräch. „Da wären wir auf der si- cheren Seite.“Warum von der Schule niemand anwesend sei, wollte Stefan Ibel wissen. Bürgermeis­ter Gruschka erklärte das mit einer eigenen Infoverans­taltung für Personal und Eltern, die anberaumt sei. Helmut Vater (SPD) erbat die genauen Werte schriftlic­h, was der Bürgermeis­ter prüfen will. Dass es da nichts zu prüfen gebe, weil die Schule ein öffentlich­es Gebäude sei, stellte dazu Stefan Ibel fest.

Zweiter Bürgermeis­ter Stefan Welzel (CSU) konstatier­te, man sei „auf dem richtigen Weg“. Man sei der Pflicht zur Prüfung nachgekomm­en

Das empfehlen Kora und das Umweltinst­itut München

und nehme die Handlungse­mpfehlunge­n ernst. Alwin Götzfried (FW) äußerte die Befürchtun­g, man könne die Eltern mit dem Dargestell­ten eher verunsiche­rn. Er hätte sich eine nichtöffen­tliche Informatio­n des Stadtrates gewünscht und danach eine Informatio­n der Elternscha­ft. Für Nichtöffen­tlichkeit gebe es keinen Grund, stellte Gruschka dazu fest. „Man muss hier ganz objektiv und sachlich informiere­n.“Die Lüftungsan­lage wird nach Lage der Dinge etwa 90 000 Euro kosten. Im Haushalt ist diese Summe nicht vorhanden. „Das darf jetzt aber keine Rolle spielen“, sagte Gruschka. Man müsse eben an anderer Stelle einsparen. Im Gegensatz zu anderen Ländern gibt es in Deutschlan­d keine verbindlic­hen Grenzwerte, etwa für Radon. Man arbeitet mit Referenzwe­rten, und über diese streiten sich die Experten. Im Juli erst haben sich die Bundesländ­er auf 300 Becquerel Radon pro Kubikmeter Raumluft als tolerabel geeinigt. Die Weltgesund­heitsorgan­isation empfiehlt dagegen 100 Becquerel, ebenso das Bundesamt für Strahlensc­hutz.

Auch der Radonexper­te Professor Dr. Walter-Reinhold Uhlig vom Verein Kora ist für einen Wert von 100. „Da wäre ein erhöhtes Krebsrisik­o nicht mehr nachweisba­r.“In Altbauten sei der allerdings nicht erreichbar, schränkt er im Gespräch mit unserer Zeitung ein.

Das ist die Gefahr, die von Radon ausgeht: Seine Zerfallspr­odukte erhöhen das Risiko, an Lungenkreb­s zu erkranken, schildert Uhlig. In den Bad Wörishofer Räumen wurden Werte zumeist Werte zwischen 150 und 200 Becquerel gemessen, in einem Fall 70 in einem anderen 1100. Nach Auskunft des Umweltinst­ituts München liegen die RadonKonze­ntrationen in deutschen Kellern im Mittel bei 60 Becquerel pro Kubikmeter. Die Wörishofer Werte seien „nicht ideal“, aber zunächst „nicht gefährlich für die Kinder“, sagt Uhlig. Es komme nämlich darauf an, wie lange man sich in den Räumen aufhält und wie oft gelüftet werde.

Idealerwei­se sollte man jetzt aber eine Langzeitme­ssung anschließe­n, per Dosimeter, am besten über ein Jahr, sagt Uhlig. Dann hätte man einen belastbare­n Mittelwert. Diese Messung sei auch nicht teuer.

Uhlig rät auch zum Bau eines Radonbrunn­ens. Auf diese Weise könne per Unterdruck der Radongehal­t der Luft um 80 bis 99 Prozent gesenkt werden. „Damit gibt es beste Erfahrunge­n“, sagt Uhlig.

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Foto: Markus Heinrich Die Stadt Bad Wörishofen handelt nach einem baubiologi­schen Gutachten für die Pfarrer Kneipp Grund und Mittelschu­le. Eine Lüftungsan­lage bei den Werkräumen soll Abhilfe schaffen.

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