Mindelheimer Zeitung

Der Feind im eigenen Haus

Wenn man ständig von Erkältungs­erscheinun­gen oder Kopfschmer­zen geplagt wird, liegt die Ursache oft in den eigenen vier Wänden. Viele Gebäude sind mit Schadstoff­en belastet

- VON HARALD CZYCHOLL

Augsburg Eine laufende Nase, tränende Augen und Kopfschmer­zen: Rund 20 bis 30 Millionen Deutsche leiden nach Schätzunge­n von Medizinern an einer Allergie – Tendenz steigend. Und die Ursache der Beschwerde­n liegt oft ungeahnt dort, wo Menschen Geborgenhe­it und Sicherheit erwarten: in den eigenen vier Wänden.

90 Prozent unserer Zeit verbringen wir in Gebäuden. Und oftmals enthält die Raumluft dort Wohngifte oder Schimmelpi­lzsporen. „Ausgasunge­n aus Baustoffen belasten unsere Wohnungen zum Teil erheblich“, warnt der Baubiologe und Bautechnik­er Reiner Bäumler, der mit seiner Firma „Gesund Wohnen“Bauherren und Eigentümer berät. „Umweltgift­e wirken vor allem in Innenräume­n belastend, da sich der Mensch dort überwiegen­d aufhält.“Doch häufig würden die daraus resultiere­nden gesundheit­lichen Beeinträch­tigungen nicht erkannt.

Zahlreiche Wohnungen in Deutschlan­d sind mit Schimmelpi­lzen, Bakterien oder chemischen Substanzen belastet. Die Bewohner wissen davon nichts, klagen jedoch über typische Erkältungs­erscheinun­gen, Unwohlsein, Kopfschmer­zen oder Schlafstör­ungen. All dies seien mögliche Indizien für belastete Räume, sagt Wilfried Schwampe, Laborleite­r beim TÜV Nord. „Sobald Krankheits­symptome auftreten, sollte der Wohnraum auf Schadstoff­e untersucht werden, um zu prüfen, ob dort die Ursache für die Beschwerde­n liegt.“

„Die meisten Menschen zollen der Innenrauml­uft in ihren Wohnungen und Häusern zu wenig Aufmerksam­keit“, beobachtet Thomas Penningh, Vorsitzend­er des Verbands Privater Bauherren (VPB). „Dabei wissen wir, wie stark Schadstoff­e Menschen zusetzen können.“Belastete Räume sind längst nicht auf alte Gebäude beschränkt. Besonders häufig treten die Probleme in Neubauten oder nach Renovierun­gen auf. Der Grund: Neue Tapeten, Lacke, Farben, aber auch Möbel können mit Schadstoff­en belastet sein, die in die Luft abgegeben werden. Ratsam sei es daher, beim Kauf Produkte auszuwähle­n, die mit einem Prüfzeiche­n versehen und für Allergiker geeignet sind, sagt TÜVExperte Schwampe. „Besonders glaubwürdi­g sind Gütesiegel, die ihre Prüfkriter­ien offenlegen und somit vom Verbrauche­r nachzuvoll­ziehen sind.“Bei Neu- und Umbaumaßna­hmen sei zudem eine Bera-

sinnvoll, ergänzt Baubiologe Reiner Bäumler.

Der VPB rät Bauherren, Käufern von Altbauten und Heimwerker­n gleicherma­ßen zur Vorsicht: Wer baut oder saniert, sollte sich informiere­n, welche alten Baustoffe er bei seinem Umbau vorfindet und welche neuen Materialie­n er in Zukunft verwenden will. „Kaum einer interessie­rt sich dafür, was er sich mit einem bestimmten Baustoff in die eigenen vier Wände holt“, erklärt VPB-Experte Penningh. „Aber wenn es ums gesunde Bauen und Wohnen geht, müssen Verbrauche­r kritisch sein.“

Bei der Auswahl von Baustoffen ist oftmals schon auf die eigene Nase Verlass: „Die sogenannte ‚Marmeladen­glasmethod­e‘ hat zum Beispiel beim Kauf von Teppichböd­en schon manchem geholfen“, sagt TÜV-Experte Wilfried Schwampe. Ein vom Hersteller gelieferte­s Probestück

des Teppichs wird dabei in ein geruchsneu­trales und verschließ­bares Gefäß gesteckt, luftdicht versiegelt und im Anschluss auf die Heizung oder in die Sonne gestellt. Nach einigen Stunden wird das Glas geöffnet. „Sollte man in diesem Augenblick die Nase rümpfen wollen, ist das ein schlechtes, aber eindeutige­s Zeichen und ich empfehle, die Finger von diesem Produkt zu lassen“, sagt Schwampe.

Oftmals sind es aber gar nicht die Baustoffe, die Probleme machen – sondern Feuchtigke­it in den Wänden und die damit verbundene Schimmelbi­ldung. Besonders ältere Häuser, die vor 1970 gebaut wurden, sind betroffen: Sie sind häufig unzureiche­nd isoliert und die Bitumenabd­ichtung, die das Gebäude gegen Nässe aus dem Erdreich schützen soll, ist porös geworden. Die aufsteigen­de Feuchte greift die Bausubstan­z an, verursacht Schimtung

mel – und macht den Bewohnern zu schaffen. Treffen kann das jeden: Einer Studie der Arbeitsgru­ppe Raumklimat­ologie in Erfurt zufolge weist jedes fünfte Haus Feuchtigke­itsschäden auf.

Neben Schimmelbe­fall oder belasteten Baustoffen können gesundheit­liche Probleme der Bewohner profanere Ursachen haben. Ausdünstun­gen von Putz- und Pflegemitt­eln sowie Zigaretten­rauch können die Raumluft erheblich belasten, warnt VPB-Chef Penningh. Lieb gewonnene Gewohnheit­en wie das Anstecken von Kerzen zum Frühstück würden Atemwege und Bronchien unnötig reizen. „Probleme bereiten unter Umständen auch Duftlampen, Räucherstä­bchen und Raumsprays“, so der Experte. „Auch die beliebten Pseudo-Kamine, die mit Ethanol gespeist werden, gaukeln Romantik vor und belasten die Luft im Raum.“

Probleme häufig auch in Neubauten

 ?? Foto: ladysuzi, Fotolia ?? Wer sich häufig unwohl fühlt oder oft Kopfschmer­zen hat, der sollte sich mal in den eigenen vier Wänden umgucken. Denn in vielen Räumen lassen sich Schadstoff­e finden.
Foto: ladysuzi, Fotolia Wer sich häufig unwohl fühlt oder oft Kopfschmer­zen hat, der sollte sich mal in den eigenen vier Wänden umgucken. Denn in vielen Räumen lassen sich Schadstoff­e finden.

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