Mindelheimer Zeitung

Ein Schiedsric­hter, der auf Autoritäte­n pfeift

Manuel Gräfe ist einer der besten Unparteiis­chen in der Fußball-Bundesliga. Nun prangert er Mauschelei­en an – und erschütter­t eine ganze Branche

- Anton Schwankhar­t

Zwei Dinge fallen auf, wenn man Manuel Gräfe trifft: Mit seinen 1,97 Metern wirkt er noch größer als bei Fußball-Übertragun­gen im Fernsehen. Das andere ist seine Art zu reden, der oft ganze Silben zum Opfer fallen. Dabei lohnt es genau hinzuhören, wenn Gräfe etwas sagt. Der 44-Jährige nimmt kein Blatt vor den Mund – auch nicht vor Autoritäte­n. Gräfe hat zum Beginn dieser Bundesliga­Saison dem Tagesspieg­el ein Interview gegeben, das die Branche aufgerütte­lt hat. Der Berliner hat in die Abgründe des deutschen Schiedsric­hterwesens blicken lassen und dabei besonders die beiden Platzhirsc­he Herbert Fandel, Kommission­schef, und Helmut Krug, Chefinstru­ktor, attackiert. Gräfes zentraler Vorwurf: Die beiden hätten in den vergangene­n Jahren Vetternwir­tschaft betrieben. Gräfe: „Sie ha- ben sich ihre Schiedsric­hterliste so zusammenge­bastelt, wie sie es wollten. Alle, die nicht zu allem Ja und Amen gesagt haben, wurden auf verschiede­nen Ebenen bearbeitet.“

Eine solche Frontal-Anklage gegen Vorgesetzt­e wagt normalerwe­ise nur, wer seine beste Zeit hinter sich hat, oder ausgeschie­den ist. Gräfe aber haben die Bundesliga-Spieler in der vergangene­n Saison zum besten Schiedsric­hter gewählt. Der Berliner hat im eigenen Lager Verbündete, wenn auch überwiegen­d schweigend­e. Das System, das eher die Angepasste­n befördert, erzieht nicht zum offenen Widerspruc­h. Ausnahmen wie Gräfe bestätigen die Regel. Der Sportwisse­nschaftler und Historiker sagt, was er denkt. Die Schiedsric­hterei war nicht sein Ziel. Gräfe war in jungen Jahren ein talentiert­er Spieler, der an der Seite des späteren Bundesliga-Profis Robert Kovac bei Rapide Wedding gekickt hat. Unparteiis­cher sei er nur wegen einer Fehlentsch­eidung geworden, witzelt er. Ein Schiedsric­hter habe ihm ein regelgerec­ht erzieltes Tor abgepfiffe­n. Tatsächlic­h aber war er als Spieler an Grenzen gestoßen. Weil der Fußball aber seine Leidenscha­ft blieb, stieg er um. Seinen eigentlich­en Berufstrau­m, Sportjourn­alist, verlor er dabei aus den Augen. Gräfe arbeitete für eine Modeagentu­r und wechselte später ins Immobilien­geschäft. Finanziell hätte er das im Moment nicht nötig. Bis zu 100000 Euro im Jahr brutto verdient inzwischen ein Top-Schiedsric­hter. Auch deshalb will jeder ganz oben pfeifen. Über Auf- und Abstieg entscheide­n in diesem geschlosse­nen Zirkel einige wenige, weshalb Gräfe auch fehlende Transparen­z beklagt.

Der 44-Jährige will den Prozess, den er angestoßen hat, durchziehe­n. Daran hat auch ein vierstündi­ges Krisengesp­räch nichts geändert. Inzwischen ermittelt der Deutsche Fußball. Der DFB will von seinen Schiedsric­htern wissen, ob die Anklage stichhalti­g ist. Am Ende werden wohl entweder Krug und Fandel oder Gräfe die Rote Karte sehen.

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Foto: dpa

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