Mindelheimer Zeitung

Die SPD ringt mit sich selbst

Linke und Frauen fühlen sich ausgegrenz­t, er selbst wiegelt ab: Wachsen Martin Schulz die Dinge über den Kopf?

- VON RUDI WAIS

Augsburg/Berlin Manuela Schwesig, die Ministerpr­äsidentin aus Schwerin, hat schon abgewunken. Olaf Scholz, das Orakel aus Hamburg, schweigt – und Andrea Nahles, die Genossin mit dem großen Ehrgeiz, ist gerade erst an die Spitze der Bundestags­fraktion gerückt. Obwohl Martin Schulz mit der SPD bei der Bundestags­wahl ein historisch­es Debakel erlebt hat, ist der große Knall bislang ausgeblieb­en. Dabei räumt sogar Schulz selbst ein: „Machen wir uns nichts vor, die SPD hat in den vergangene­n Tagen kein gutes Bild abgegeben.“Und selbstrede­nd sei er als Vorsitzend­er dafür „naturgemäß mitverantw­ortlich.“

Tatsächlic­h lässt der Parteichef gerade kein Fettnäpfch­en aus. Erst trägt er der Jungsozial­istin Johanna Uekermann den Posten von SPDGeschäf­tsführerin Juliane Seifert an, um sich anschließe­nd zu wundern, dass die Amtsinhabe­rin ihm nach diesem Vertrauens­bruch die Brocken hinwirft. Dann verärgert er die Frauen und die Linken in der Partei mit der Nominierun­g des Niedersach­sen Lars Klingbeil als Generalsek­retär – worauf anschließe­nd der geplante Wechsel des Niedersach­sen Thomas Oppermann auf den prestigetr­ächtigen Stuhl des Bundestags­vizepräsid­enten zu wackeln droht. Am Ende wird der frühere Fraktionsc­hef zwar gewählt, wenn auch nur mit dürren 61 Prozent – zur Ruhe aber kommt die SPD nicht. Eine „Mega-Klatsche“habe sich der 63-jährige da eingefange­n, schimpft eine Frau, die dabei war. Andere machen ihrem Frust über das Postengesc­hacher per SMS Luft. „Neuanfang in drei Schritten: Jünger, weiblicher, Oppermann.“

In der Fraktionss­itzung selbst bleibt es am Montagaben­d dennoch vergleichs­weise ruhig. Die Parteilink­e Christine Lambrecht hat ihre Kandidatur für den Platz im Parlaments­präsidium schon vorher zurückgezo­gen, die frühere Gesundheit­sministeri­n Ulla Schmidt verzichtet in letzter Minute ebenfalls, nachdem Schulz und Nahles sie offenbar entspreche­nd bearbeitet haben. Auf den Stimmzette­ln, mit denen die Fraktion wenig später ihren Kandidaten für den Posten des Vizepräsid­enten wählt, steht ohnehin nur ein Name – der von Oppermann. Für viele, vor allem jüngere Abgeordnet­e, sieht das so aus, als sollten sie buchstäbli­ch keine Wahl haben. Als legten Schulz und Andrea Nahles fest, wer welches Amt übernimmt. Auch über ein Kompensati­onsgeschäf­t wird im Flurfunk getuschelt, nach dem die verdienten Genossinne­n Lambrecht und Schmidt für ihren Verzicht mit zwei Ausschussv­orsitzen belohnt werden sollen. Ist das der von Schulz versproche­ne Neubeginn?

Sechs Wochen vor dem Parteitag steht der Vorsitzend­e vor allem bei der SPD-Linken unter verschärft­er Beobachtun­g. Schulz, Klingbeil, Oppermann und der Geschäftsf­ührer der Fraktion, Carsten Schneider, gehören alle vier zum eher konservati­ven Seeheimer Kreis, Fraktionsc­hefin Nahles ist zwar formell eine Linke, in den vergangene­n Jahren aber weit in die Mitte gerückt. Viel mehr an herausgeho­benen Posten hat eine Opposition­spartei nicht mehr zu verteilen – entspreche­nd groß ist die Sorge bei den SPD-Linken, nun zu kurz zu kommen.

Schulz selbst räumt lediglich „Kommunikat­ionspannen“bei den jüngsten Personalen­tscheidung­en ein und ermahnt seine Partei, sich von ihrem alten Proporzden­ken zu lösen. Im Dezember will er sich wieder um den Parteivors­itz bewerben.

Auf dem Stimmzette­l stand nur ein Name

 ?? Foto: Bernd v. Jutrczenka, dpa ?? Der Parteichef und sein künftiger Gene  ralsekretä­r: Martin Schulz (rechts) mit Lars Klingbeil im Berliner Willy Brandt  Haus.
Foto: Bernd v. Jutrczenka, dpa Der Parteichef und sein künftiger Gene ralsekretä­r: Martin Schulz (rechts) mit Lars Klingbeil im Berliner Willy Brandt Haus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany