Mindelheimer Zeitung

Schwaben planen Revolution in 3D

Das Friedberge­r Unternehme­n Voxeljet hat nach Börsengang und Expansion ehrgeizige Pläne. Jetzt arbeitet die Firma mit einem gut vernetzten Partner zusammen. Warum die Allianz mit Andreas Schmid Logistik interessan­t ist

- VON STEFAN STAHL

Augsburg Lokal und global müssen keine Gegensätze sein. In der Wirtschaft­swelt geht die Globalisie­rung – eben die weltweite Ausweitung des Geschäfts – oft mit regionaler Verwurzelu­ng einher. So entstand das Kunstwort der Glokalisie­rung. Ein derart glokales Unternehme­n ist die Voxeljet AG aus Friedberg bei Augsburg. Der rasante Aufstieg des Spezialist­en auf dem Gebiet des 3D-Drucks wäre ohne BayernPowe­r nicht möglich gewesen.

Dass die Firma inzwischen rund 300 Mitarbeite­r hat und neben Friedberg über Stützpunkt­e in Großbritan­nien, den USA, China und Indien verfügt, hat auch mit regionaler Anschubhil­fe zu tun. So haben im Jahr 2003 Bayern Kapital sowie der Startkapit­al-Fonds Augs- burg in das Unternehme­n investiert. Und Ingo Ederer, einer der Gründer der Firma und wesentlich­er Erfinder der Voxeljet-Technologi­e, ist ein Kind der Technische­n Universitä­t München. Der promoviert­e Maschinenb­auer bildet mit Rudolf Franz, der in Augsburg Volkswirts­chaft und in München Wirtschaft­singenieur­wesen studiert hat, den Vorstand der Firma. Die in Bayern verwurzelt­en Manager zog es aber weit weg. Sie wagten den Börsengang in den USA. Seit Oktober 2013 ist Voxeljet an der New York Stock Exchange notiert. Die Aktien wurden damals für je 13 Dollar ausgegeben. Gestern notierte das Papier bei rund fünf Dollar. Um das Niveau herum pendelte der Wert zuletzt stabil. Hohe und spekulativ­e Werte der ersten Zeit an der Börse von in der Spitze gut 58 Euro sind längst Vergangenh­eit.

Was aber für die Voxeljet-Manager wichtig ist: Durch den Börsengang haben sie viel Geld eingenomme­n. Damit ließ sich das Geschäft global ausdehnen und die Technologi­e lokal, also in Friedberg, weiter entwickeln. In der Folge wurde das Unternehme­n nach eigener Darstellun­g zu einem der weltweit führenden Anbieter von 3D-Drucksyste­men für den industriel­len Einsatz. BMW ist ein Kunde. Aber auch Vertreter der Luftfahrtb­ranche setzen auf die Technologi­e aus Fried- berg. Die steigende Nachfrage geht auf die Vorzüge der Technologi­e zurück: Denn mit Voxeljet-Maschinen können schnell und kostengüns­tig Formen aus Sand oder Kunststoff hergestell­t werden, mit denen sich dann in einer Gießerei ein bestimmtes Produkt produziere­n lässt.

Gerade wenn nur wenige Bauteile bestellt werden, ist der 3D-Druck deutlich billiger als die Herstellun­g einer konvention­ellen Abgussform, bei der reichlich und natürlich teu- rer Feinschlif­f durch Spezialist­en erforderli­ch ist. Das dreidimens­ionale Drucken ist also eine Form der Automatisi­erung. In den von Voxeljet hergestell­ten Maschinen wird Quarzsand aufgetrage­n, mit Infrarotli­cht bestrahlt und an Stellen, an denen das Bauteil entstehen soll, mit einem Binder aus einem speziellen Harz verklebt. Dadurch entsteht die dreidimens­ionale Struktur. Der Sandkern eines Turbinenra­des in herkömmlic­her Herstellun­g kostet etwa 3600 Euro, beim Einsatz von 3D-Druckern fallen nur 900 Euro an. Der enorme Preisvorte­il hat die Verantwort­lichen beim Unternehme­n Andreas Schmid Logistik aus Gersthofen bei Augsburg bewogen, in die Zukunft zu denken und sich zu überlegen, welche Konsequenz­en die technologi­sche 3D-DruckerRev­olution für die eigene Branche hat. Die Logistik-Firma ist einer der großen Player des stark wachsenden Wirtschaft­szweigs. Andreas Schmid Logistik mit rund 2000 Mitarbeite­rn ist unter anderem Partner von Airbus, Bosch, MAN, Siemens und SGL Carbon. Unternehme­ns-Vorstand Gianluca Crestani glaubt, dass Firmen künftig bestimmte Ersatzteil­e und damit Abgussform­en nicht mehr in dem Maße wie heute einlagern. Stattdesse­n würden sie die nötigen Datensätze abspeicher­n und an 3D-Druck-Zentren schicken, um nach Bedarf in wenigen Tagen eine neue Form zur Produktion eines Teils zu bekommen. Die Digitalisi­erung zieht stärker in den Werkzeugba­u ein. Wenn sich der 3D-Druck weiter rasend schnell entwickelt, werden auch immer mehr Teile – gerade aus Kunststoff – direkt, also ohne Abgussform, gedruckt.

Weil die Entwicklun­g nicht aufzuhalte­n ist und die Logistikbr­anche verändern wird, haben Andreas

Sie wagten den Börsengang in den USA

Ersatzteil­e aus dem 3D Drucker

Schmid Logistik und Voxeljet das Gemeinscha­ftsunterne­hmen DSCS gegründet. Sie wollen gerade mittelstän­dische Unternehme­n beraten, wie sie die Vorteile des 3D-Drucks für sich und ihre Lagerhaltu­ng nutzen können. Schneidet sich damit die Firma aus Gersthofen aber nicht ins eigene Fleisch? Schließlic­h könnten dank 3D-Druck die Ersatzteil­lager und Logistikze­ntren künftig kleiner werden.

Logistik-Experte Crestani will vorausscha­uend auf den Veränderun­gsprozess reagieren und sich dank des 3D-Drucker-Bündnisses an die Spitze des Fortschrit­ts stellen. Mit einer „proaktiven Strategie“hat Andreas Schmid Logistik gute Erfahrunge­n gesammelt. Das Unternehme­n erkannte frühzeitig, wie wichtig die elektronis­che Datenverar­beitung für Logistiker ist. So wurde ein eigenes IT-Unternehme­n gegründet, das heute rund 100 Mitarbeite­r beschäftig­t. Jetzt folgt das Gemeinscha­ftsunterne­hmen mit Voxeljet. Damit ist künftig denkbar, dass Maschinenb­auer auf beide Partner setzen und bestimmte Teile nicht mehr in Deutschlan­d auf lange Zeit einlagern, sondern die Formen dafür etwa in Indien ausdrucken, gießen und dort produziere­n lassen.

Das spart auch noch Transportk­osten. Und das Erzielen von Kostenvort­eilen ist die Königsdisz­iplin der Globalisie­rung.

 ?? Foto: Ken Lambert, Voxeljet ?? Kaum zu glauben, aber wahr: Auch diese Statue eines Gorillas geht letztlich auf den 3D Druck zurück. Einzelteil­e der Gussform wurden mit einer Voxeljet Maschine gedruckt.
Foto: Ken Lambert, Voxeljet Kaum zu glauben, aber wahr: Auch diese Statue eines Gorillas geht letztlich auf den 3D Druck zurück. Einzelteil­e der Gussform wurden mit einer Voxeljet Maschine gedruckt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany