Der Anfang vom Ende für Glyphosat?
Seit Monaten wird über eine weitere Zulassung des umstrittenen Pflanzenschutzmittels diskutiert. Jetzt können die Kritiker einen ersten Erfolg verbuchen. Die bayerische Molkerei Berchtesgadener Land setzt unabhängig vom Ausgang der Debatte ein Zeichen
Brüssel Die Gegner des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat können einen Etappensieg feiern: Das Europäische Parlament forderte gestern mit einer klaren Mehrheit, das Herbizid schrittweise bis 2022 zu verbieten und bis dahin nur unter Auflagen nutzen zu lassen. Eine endgültige Entscheidung ist das allerdings nicht. Denn die, die darüber wirklich beschließen, kommen erst heute in einem Ausschuss der Brüsseler Kommission zusammen: Scopaff nennt sich das Gremium, in dem Vertreter der Mitgliedsstaaten sitzen. Übersetzt: Ausschuss für Pflanzen-, Tier- Lebensmittel- und Futtersicherheit.
Ob die Mitglieder heute eine Entscheidung treffen, ist aber nicht völlig klar. Irgendwann in den vergangenen Wochen haben selbst die Experten aufgehört zu zählen, wie oft es im Ausschuss schon keinen tragfähigen Beschluss gab und man deshalb auf ein formelles Votum verzichtete. Mit dem Beschluss des EU-Parlaments hat sich aber etwas geändert. Bisher hatte die EUKommission dem Ausschuss emp- fohlen, die Zulassung um zehn Jahre zu verlängern. Nach dem Votum des EU-Parlaments ist sie nun von ihrem Vorschlag abgerückt. Wie ein Sprecher nach der wöchentlichen Sitzung der Kommission sagte, strebt die Behörde jetzt eine Verlängerung zwischen fünf und sieben Jahren an. Wenn es im Ausschuss wieder keine Einigung gibt, müsste gemäß aktueller Rechtslage die Kommission selbst entscheiden.
Der Kompromissvorschlag, die Zulassung bereits in fünf Jahren auslaufen zu lassen, kommt aus Deutschland. Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU), der eigentlich für den weiteren Einsatz von Glyphosat eintritt, aber angesichts eines Vetos von Umweltmi- nisterin Barbara Hendricks (SPD) nichts machen kann, propagierte den Plan B. Bis 2022 sollen nach Schmidts Vorschlag neue wissenschaftliche Erkenntnisse gesammelt werden. Sollten die den Krebsverdacht belegen, habe die Kommission das Recht, den Einsatz sofort zu stoppen.
Experten streiten bereits seit eini- gen Jahren darüber, wie gefährlich Glyphosat ist. Schon 2015 haben Krebsforscher der Weltgesundheitsagentur (IARC) das Mittel als „wahrscheinlich krebserregend“eingestuft. Dagegen hält das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) das Mittel weiter für unbedenklich und unterstützt das Ergebnis der EU-Agentur für Lebensmit- telsicherheit (Efsa), die ebenfalls keine Einwände hat.
Während die Experten sich nicht einigen können, setzt die Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land ein Zeichen. Der Aufsichtsrat will heute in einer Sitzung beschließen, als erste deutsche Molkerei den Einsatz von Glyphosat sofort zu untersagen. Milchviehhalter, die das Mittel einsetzen, dürfen ihre Milch künftig also nicht mehr an die Molkerei liefern.
Die Frage, wie es ohne Glyphosat weitergehen würde, ist nur schwer zu beantworten. Nach Angaben des Umweltbundesamts würde es bei einem Auslaufen der Zulassung eine mehrmonatige Aufbrauchfrist geben, die sicherlich noch die Saison 2018 beinhalten dürfte. Dann, so befürchten viele, könnten die Bauern geneigt sein, zu anderen Herbiziden zu greifen, die weiter erlaubt sind, aber deren Risiko deutlich höher als Glyphosat ist.
Bei Monsanto und seinem künftigen Besitzer Bayer ist man übrigens schon weiter als bei der EU. Sollte Glyphosat tatsächlich verschwinden, will man die Gemeinschaft verklagen.