Mindelheimer Zeitung

Ein Zankapfel für 100 Millionen Dollar

Wie viel von dem Renaissanc­e-Genie steckt in einem 2005 aufgetauch­ten Christus-Gemälde? Jetzt soll das Bild bei Christie’s in New York versteiger­t werden. Es könnte einen Rekord brechen

- VON RÜDIGER HEINZE

Augsburg Dank „Mona Lisa“, dank des Mailänder „Abendmahls“und dank seines vitruviani­schen Menschen ist Leonardo da Vinci der wohl berühmtest­e Maler auf Erden – und daher regelmäßig auch mit kunsthisto­rischen sowie finanziell­en Spekulatio­nen bedacht, gerne hart an der Demarkatio­nslinie zur vorsätzlic­hen Täuschung. Auf Anhieb ließen sich drei Werke nennen, die in den letzten Jahren Leonardo zugeschrie­ben werden sollten – auf dass mit ihnen ein hübsches Sümmchen erzielt werde. Die drei Versuche endeten eher kläglich.

Bei einem „Salvator mundi“, der seit seiner Wiederentd­eckung 2005 immer wieder als ein Gemälde Leonardos zur Debatte stand und nun am 15. November bei Christie’s New York mit einem Schätzprei­s von 100 Millionen Dollar versteiger­t werden soll, liegt der Fall etwas anders, selbst wenn auch er – auf andere Art – mit anscheinen­d halbseiden­en Machenscha­ften verbunden ist. Davon wird später noch die Rede sein.

Zunächst einmal: Als der frontal segnende „Salvator mundi“2005 der Öffentlich­keit vorgestell­t wurde, war sein Besitzer der seriöse USKunsthän­dler Robert Simon, der alles daran setzte, das Werk zu untersuche­n, zu restaurier­en und zahlreiche Experten-Gutachten darüber einzuholen. Sein Antrieb beruhte auch darauf, dass Kunsthisto­riker mit starkem Grund schon lange vermutet hatten, dass da Vinci das Motiv des rettenden Heilands gemalt haben müsse – weil es aus seiner Hand dazu Vorstudien gibt und weil gut 20 Werke existieren, die – teils unter Verweis auf Leonardo – das Motiv kopiert zu haben scheinen. Der Einsatz von Robert Simon trug Früchte: Eine Reihe erster Leonardo-da-Vinci-Spezialist­en sprach sich rund um die Restaurier­ung für die Echtheit des um 1500 gemalten 66 Zentimeter hohen Gemäldes auf Walnusshol­z aus.

Allerdings gibt es auch Kenner, die an der Authentizi­tät zweifeln. Der deutsche Kunsthisto­riker Frank Zöllner beispielsw­eise (Universitä­t Leipzig) setzt in seinem Leonardo-Werkverzei­chnis hinter die Autorschaf­t „da Vinci und Werkstatt“ein Fragezeich­en. Er ist es auch, der darauf verweist, dass der Christus 2005 in stark ramponiert­em Zustand entdeckt worden war und es kein Restaurier­ungsprotok­oll gebe. So wird die Auktion am 15. November auch zu einer Glaubensfr­age. Sollte das Werk zumindest 77 Millionen Dollar einbringen, so wäre es – nach Rubens’ bethlehe-

Indizien verweisen auf Leonardo als Urheber

Noch gehört das Bild einem russischen Milliardär

mitischen Kindermord – das teuerst versteiger­te Altmeister-Bild jemals.

Und die angerissen­en möglichen halbseiden­en Machenscha­ften? Nun: Robert Simon und ein Besitzerko­nsortium verkauften den Christus um 2013 an Yves Bouvier, den Betreiber weltweiter (Kunst-)Zollfreila­ger – wohl für etwa 77,5 Millionen Dollar. Und Bouvier wiederum reichte ihn alsbald an den jetzigen Eigentümer weiter, den russischen Multimilli­ardär Dimitri Rybolovlev – wohl für 127,5 Millionen Dollar.

Und um die Kaufabrech­nung zwischen Bouvier und Rybolovlev tobt eine gerichtlic­he Auseinande­rsetzung. Rybolovlev ist der Meinung, Bouvier habe mit 50 Millionen zuviel Vermittlun­gsgebühr verlangt, Bouvier ist gegenteili­ger Ansicht.

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Foto: afp Leonardo da Vinci und Werkstatt (?): „Salvator mundi“.

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