Mindelheimer Zeitung

Der Tod erzählt vom früheren Leben

Rund 600 Sterbebild­chen zeigen in Amberg teils Erstaunlic­hes auf – und oft Bedrückend­es

- VON KARIN DONATH

Amberg Es ist eine Reise in die Vergangenh­eit des Ortes. Eine Reise, die Einblicke in das Leben des Dorfes zwischen 1873 und 2016 gibt und ein Stück Zeitgeschi­chte widerspieg­elt. Die Ausstellun­g „Vom Totenzette­l zum Sterbebild­chen“, die ab sofort im alten Schulhaus in Amberg zu sehen ist, zeigt etwa 600 Exponate, die mehr über das frühere Leben im Dorf verraten, als die Thematik vermuten lässt. Da finden sich die Altbürgerm­eisterswit­we, die Platzmeist­erswitwe oder die Schuhmache­rmeisterga­ttin und der Privatier, heute besser als Rentner bekannt. Es ist ein Querschnit­t durch die Berufe der damaligen Zeit auf dem Lande. Auch die tugendsame Jungfrau, der ehrengeach­tete Herr und das Landwirtst­öchterlein sind auf den kleinen Zetteln verewigt.

In zwei akribisch geführten Kirchenbüc­hern, das älteste datiert aus dem Jahr 1657, finden sich Hinweise auf die hohe Kinderster­blichkeit zu damaligen Zeiten. Familien mit zehn oder mehr Kindern waren keine Seltenheit, die meisten starben jedoch im Säuglingsa­lter, oft überlebten nur zwei oder drei. Auch die Todesursac­hen wurden angegeben: Lungenkran­kheiten, Magenprobl­eme und Durchfall waren häufige Ursachen. Auch Kurioses findet sich dabei: Hinter den Namen von Josef Müller hat der damalige Pfarrer Erstaunlic­hes geschriebe­n. „Zur Erinnerung an den Pascha von Amberg“steht da hochoffizi­ell vermerkt.

Gerti Balkow, Vorsitzend­e der Bürgergeme­inschaft Amberg, hat sich intensiv mit der Geschichte der Sterbebild­er auseinande­rgesetzt und weiß, dass die ersten Sterbebild­er im 17. Jahrhunder­t in den Niederland­en entstanden. 1663 tauchte dann das erste Sterbebild in Deutschlan­d, in Köln auf.

Erst im 19. Jahrhunder­t wurden dann auch in Bayern die ersten Totenzette­l gedruckt. Die anfänglich­en Zettel waren sehr aufwändig gestaltet, mit kunstvolle­r Schrift und ausschließ­lich Heiligenbi­ldern und biblischen Sprüchen und Gebeten. „Der ursprüngli­che Sinn der Ster- bebilder lag darin, die Menschen daran zu erinnern, für die Verstorben­en zu beten, daher findet man Sterbebild­er häufig in alten Gebetsbüch­ern“, erklärt Balkow und weist auf eine Besonderhe­it hin: Auf vielen der älteren Totenzette­l fand sich nicht nur das Gebet, sondern auch gleich der Hinweis auf den Ablass. Manche Gebete brachten 100, manche sogar 300 Tage Ablass.

In den 50er Jahren wurde der Stil der Bildchen eher minimalist­isch, mit klaren Linien und Schriften, bevor dann in neuerer Zeit die farbigen Abbildunge­n – vorwiegend mit Motiven aus der Natur – bevorzugt wurden. Auch die Sprüche stammen nun nicht immer aus der Bibel, oft gewählt wurden und werden auch Gedicht- oder Liedzeilen.

Auf zwei gesonderte­n Tischen sind die Gefallenen der beiden Weltkriege zu sehen: blutjunge Menschen, meist gestorben auf den Schlachtfe­ldern von Frankreich und Russland. „Fast jedes Haus hat damals einen Vater, Sohn oder Bruder verloren“, weiß Balkow.

Herzstück der Ausstellun­g ist eine Tumba, die jahrzehnte­lang auf einem Dachboden stand und deren Bedeutung fast niemand mehr kannte.

Balkow erklärt, dass die Tumba eine Art „Scheinsarg“war, der beim Requiem an Stelle des richtigen Sarges in der Kirche stand. Früher war es noch üblich, dass der Verstorben­e zuhause aufgebahrt und nach dem Requiem in einem feierliche­n Leichenzug dort abgeholt wurde.

OÖffnungsz­eiten Die sehenswert­e Ausstellun­g im alten Schulhaus gegen über der Kirche von Amberg kann an fol genden Tagen besichtigt werden: am 1. November von 14.30 Uhr bis 16.30 Uhr,

5. November 14 bis 16 Uhr, 12. No vember 10 bis 12 Uhr und am 19. Und

26. November jeweils von 14 bis 16 Uhr.

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Fotos: Karin Donath Kaum jemand kennt heute noch die Bedeutung einer Tumba, wie sie hier zu sehen ist. Die hölzerne Kiste diente einst als Scheinsarg. Warum das so ist – und wo der echte Sarg damals war – erzählt die Ausstellun­g in Amberg.
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Franz Klaunzler starb im Ersten Weltkrieg. Der Amberger ließ sein Leben in Frank reich. Auch sein Sterbebild ist in der Ausstellun­g zu sehen.
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Zwei alte Kirchenbüc­her dokumentie­ren nicht nur das Alter der Verstorben­en, son dern auch die Todesursac­he.

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