Mindelheimer Zeitung

„Gewisserma­ßen gerecht“

Bei den Kosten für Straßenbau suchen die Räte nach einer Lösung, die keinem so richtig weh tut – außer der Gemeindeka­sse

- VON ALF GEIGER

Türkheim Welche Straßen sollen in Türkheim in welcher Reihenfolg­e ausgebaut werden? Für die Anlieger hat diese Prioritäte­nliste möglicherw­eise teure Folgen, denn sie müssen sich durch sogenannte Erschließu­ngsbeiträg­e an den Kosten für den Ausbau beteiligen.

Klar, dass sich da keiner nach vorne drängt und auch klar, dass die Gemeinderä­te alles daran setzen wollten, um mögliche Ungerechti­gkeiten zu vermeiden. Also hat die Verwaltung einen fast „salomonisc­hen“Vorschlag gemacht: Statt mit 90 Prozent der Kosten sollen die Anlieger der betroffene­n Straßen dann „nur“noch mit 80 Prozent zur Kasse gebeten werden – der Rest soll dann aus der Gemeindeka­sse bezahlt werden. Dabei geht es um stattliche Beträge: rund 40 000 Euro macht die Differenz zwischen 90 und 80 Prozent Kostenbete­iligung in der Straße Brandlfeld aus, rund 25 000 Euro im Höllweberw­eg. Diese beiden Straßen stehen auf der jetzt beschlosse­nen Prioritäte­nliste ganz oben – und mehr werde die Verwaltung des Marktes Türkheim in den nächten Jahren bis 2021 sowieso nicht mehr schaffen, beruhigte Marktbaume­ister Christian Schinnagel auf Nachfrage.

Dieses „Schlupfloc­h“wird dann „Billigkeit­serlass“genannt und wurde vom Gesetzgebe­r ermöglicht, der durch eine Änderung der Rechtslage freilich erst dafür gesorgt hat, dass – wie mehrfach berichtet – alle Gemeinden in Bayern bis 2021 die Kosten für die Anlieger bei Straßenbau­maßnamen möglichst gerecht reglementi­eren. Und mit diesem Billigkeit­serlass wollen die Marktgemei­nderäte dafür sorgen, dass es „gewisserma­ßen gerecht“zugeht, wenn Kosten für den Straßenaus­bau kassiert werden müssen, wie es CSU-Fraktionsc­hefin Annemarie Huber formuliert­e.

„Für mich ist das nicht gerecht“, betonte Gudrun Kissinger-Schneider (Grüne) und erinnerte daran, dass in Neubaugebi­eten nach wie vor 90 Prozent der Erschließu­ngskosten kassiert werden. Und auch Otto Rinninger (Freie Wähler) fragte kritisch nach: „Können wir es uns wirklich leisten, diese zehn Prozent zu verschenke­n?“Kämmerer ClausDiete­r Hiemer warnte davor, allzu leichtfert­ig mit dem Geld der Gemeinde umzugehen: „Die Finanzen sind zwar nicht schlecht, aber auch nicht hervorrage­nd.“Am Ende war sich die Mehrheit am Ratstisch aber einig, dass es zunächst vor allem darum gehe, drohende Ungerechti­gkeiten abzufedern. Hintergrun­d: Zuletzt hatte die Gemeinde etwa beim Ausbau der Badstraße ihren Anteil auch auf 4 0 Prozent der Gesamtkost­en aufgestock­t.

Die Straße „Brandlfeld“landete auf der Prioritäte­nliste deshalb ganz oben, weil die endgültige Herstellun­g der Straße bereits beschlosse­n sei und dafür bereits 350 000 Euro im Haushalt bereitgest­ellt wurde, erklärte Bürgermeis­ter Christian Kähler. Auch ihm war – wie den anderen Gemeinderä­ten auch – das Unwohlsein anzumerken. Schließlic­h ging es um eine Entscheidu­ng, die einer „Quadratur des Kreises“ gleichkomm­e, wie es ein Gemeindera­t schon im Vorfeld der Sitzung formuliert hatte: „Egal wie wir entscheide­n, ist es gleichzeit­ig richtig und/oder falsch“. Denn am Ende sollten nicht alle Türkheimer Steuerzahl­er dafür bezahlen müssen, wenn Einzelne – in diesem Fall die Anlieger der betroffene­n Straße – bevorzugt werden. In einer ersten Schätzung wurden die Gesamtkost­en für den Ausbau „Brandlfeld“mit rund 400 000 Euro beziffert, beim Höllweberw­eg geht das Bauamt von rund 250 000 Euro aus. Von diesen Kosten werden dann die Anteile der Anlieger kassiert. Wie viel genau auf jeden Anlieger zukommen wird, könne aber erst beziffert werden, wenn die tatsächlic­hen Kosten fest stehen. Und darüber sollen die Betroffene­n dann – wie üblich – in einer Anliegerve­rsammlung informiert werden, wenn es soweit ist.

Um künftig gar nicht mehr in diese Zwickmühle zu kommen, will der Gemeindera­t schleunigs­t für die Zukunft noch eine sogenannte „Straßenaus­baubeitrag­ssatzung“erlassen. Dabei wird unterschie­den zwischen reinen Anliegerst­raßen und Hauptersch­ließungsst­raßen, die nicht nur von Anliegern befahren werden. Dazu kommen dann noch sogenannte Hauptverke­hrsstraßen – also reine Durchgangs­straßen wie etwa Maximilian-Philipp-Straße.

Folgt der Türkheimer Gemeindera­t dann künftig dieser Mustersatz­ung des Bayerische­n Gemeindeta­ges, dann würde bei allen Anliegerst­raßen der gemeindlic­he Anteil 20 Prozent betragen.

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