Mindelheimer Zeitung

Zurück vom Altholzlag­er

Auf dem Wörishofer Friedhof verwittert eine wertvolle Christusfi­gur, verschwind­et schließlic­h stark beschädigt von der Bildfläche. Durch Zufall beginnt eine Geschichte mit Happy End

- VON BERNHARD LEDERMANN

Bad Wörishofen Über Jahre hinweg ist auf dem Bad Wörishofer Friedhof ein Kreuz mit einer wertvollen geschnitzt­en Christusfi­gur verwittert. Beinahe unbemerkt. Als die Figur stark beschädigt war, entfernte sie die Stadt Bad Wörishofen. Das Kreuz selbst blieb stehen. Ein Bad Wörishofer Witwer bemerkte das leere Kreuz. Da seine Frau gestorben war und in der Urnenwand bestattet ist, hatte er das große Friedhofsk­reuz in der Nähe sehr geschätzt. Der Witwer, ein Bad Wörishofer Neubürger, der anonym bleiben will, bohrte nach und wollte wissen, wo der Korpus verblieben war. Da er auch Mitglied des Verschöner­ungsverein­s ist, war seine erste Anlaufstel­le Eugen Fenster, der in den vergangene­n Jahren zusammen mit Bernhard Markter zahlreiche Feldkreuze renoviert hat.

„Es war schon eine zähe Sache“, meint Eugen Fenster in seiner ihm eigenen sympathisc­hen Ehrlichkei­t, wenn er auf die zwei Jahre, die zwischen der „Kreuzabnah­me“und der Wiedererri­chtung verstriche­n sind, zurückblic­kt. Zunächst recherchie­rte er nach dem Verbleib der Figur: „Ich spiele ja hin und wieder mit einer Gruppe der Stadtkapel­le im Friedhof“, erzählt Eugen Fenster. „Da habe ich einmal nachgefrag­t, wo die Christusfi­gur hingekomme­n ist“, sagt Fenster.

Sie lagere im Bauhof, lautete die Antwort. Zusammen mit dem Vorsitzend­en des Verschöner­ungsverein­s, Michael Scharpf, und dem Witwer konnte Fenster den schwer beschädigt­en Torso im Bauhof besichtige­n. Fenster war es sofort ein Anliegen, die Figur restaurier­en zu lassen. Ein erster von der Stadt Bad Wörishofen eingeholte­r Kostenvora­nschlag hätte anscheinen­d hohe Renovierun­gskosten prognostiz­iert, weswegen das Projekt zunächst nicht weiter verfolgt wurde. Der Korpus lagerte weiter beim Altholz im Bauhof.

„Eugen Fenster haben das Friedhofsk­reuz und die Figur keine Ruhe gelassen“, weiß Michael Scharpf. „Wir haben recherchie­rt und irgendwann selbst Kostenvora­nschläge eingeholt“, erinnert sich Fenster an die Entwicklun­gen vor rund zwei Jahren. Dabei sind die rührigen Mitglieder des Verschöner­ungsverein­s auf den Stockheime­r Kirchenmal­er Isidor Hefele gestoßen, der sich zu dieser Zeit durch hervorra- gende Arbeit bei der Restaurier­ung der Pfarrkirch­en von Schlingen, Kirchdorf und später in Stockheim auszeichne­te. Hefele hätte schnell zugesagt, weiß Fenster zu berichten. Auch um die Finanzieru­ng kümmerte sich der Verein. 500 Euro stellte der Witwer bereit, 500 Euro der Verein. Für einen Zuschuss von weiteren 500 Euro konnte Eugen Fenster die Kirchenver­waltung von St. Justina gewinnen. Mit dieser finanziell­en Unterstütz­ung versuchte der Verein, die Renovierun­g voranzutre­iben. Der Stadt sollten noch rund 700 Euro bleiben. Zwischenze­itlich wurde der Korpus zu Isidor Hefele nach Stockheim gebracht, wo er wieder erst einmal eingelager­t wurde. Hefele wartete auf die Auftragsve­rgabe. Zufällig erfuhr Bernhard Ledermann sen. bei einem Mittagesse­n im Stockheime­r Gasthof Adler, den die Familie von Isi- dor Hefele betreibt, von dem bei Hefele untergebra­chten Christus. Ledermann ist der jüngste Sohn des 1983 verstorben­en Bad Wörishofer akademisch­en Kunstbildh­auers Konrad Ledermann, der in Bad Wörishofen zahlreiche weitere Kunstwerke wie das Baumgarten-Denkmal, das Kriegerden­kmal, den Bahnhofsbr­unnen oder die Anbetungse­ngel am Hochaltar der Stadtpfarr­kirche St. Justina geschaffen hat. Bisher hatte niemand der Beteiligte­n gewusst, dass es sich bei dem Christus um ein Ledermann-Werk handelt.

„Es war ein Glücksgrif­f, dass der Sohn von Konrad Ledermann sich eingeschal­tet hat“, meint Eugen Fenster. Nun sei die Renovierun­g vorangegan­gen. Im Frühjahr und im Sommer arbeitete Kirchenmal­er Hefele ein halbes Jahr lang in Etappen an der Fassung. „Ich musste die Trocknungs­phasen der Ölfarben einhalten“, berichtet Hefele. Zuvor hatte ein ihm bekannter Bildhauer die morschen Teile stilgetreu ersetzt. „Mein Kollege hat sich genau an die Vorgaben von Konrad Ledermann gehalten“, meint Hefele. Für ihn hätte der Bad Wörishofer Künstler eine ganz eigene Schnitzart.

„Eigenwilli­g, aber wunderschö­n“, analysiert er im Sommer die Figur, als diese vor ihm in seiner Werkstatt liegt. Typisch seien für ihn die Kopfhaltun­g, der Faltenwurf des Lendenschu­tzes, sowie die filigran bis in Details herausgear­beiteten Hände der Figur.

Bis Hefele zum eigentlich­en Schnitzwer­k vordringen konnte, musste er erst die alte, nichtorigi­nale Fassung des Korpus’, der wohl in den 50er-Jahren des vergangene­n Jahrhunder­ts entstanden ist und der zunächst am Gambrinus-Kreuz hing, aufwändig entfernen. Für die neue, nun von Hefele gestaltete Fassung hat der erfahrene Kirchenmal­er wertvolle historisch­e Ölfarben verwendet, die aufgrund ihres toxischen Gehalts eigentlich verboten sind, von Kirchenmal­ern zu Restaurier­ungszwecke­n aber verwendet werden dürfen.

„Diese Originalfa­rben sind ziemlich licht- und witterungs­beständig“, hebt Isidor Hefele hervor. Er hofft, dass die Figur im Bad Wörishofer Friedhof nun mindestens 25 Jahre lang wieder ein berührende­s Kunstwerk, besonders für Trauernde ist, etwa jetzt zu Allerheili­gen. „Wir sind sehr zufrieden“, sagen Michael Scharpf und Eugen Fenster über die Renovierun­g. „Ein wertvolles Original mit geschichtl­ichem Hintergrun­d wurde gesichert“, betont Scharpf.

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Fotos: Bernhard Ledermann, Simon Ledermann Stark von der Witterung beschädigt kam die Christusfi­gur des neuen Bad Wörishofer Friedhofs zu Isidor Hefele. Bevor der Stockheime­r Kirchenmal­er mit einer aufwändige­n Fassung der Figur beginnen konnte, mussten die morschen Teile der Figur erst mühsam...
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