Zurück vom Altholzlager
Auf dem Wörishofer Friedhof verwittert eine wertvolle Christusfigur, verschwindet schließlich stark beschädigt von der Bildfläche. Durch Zufall beginnt eine Geschichte mit Happy End
Bad Wörishofen Über Jahre hinweg ist auf dem Bad Wörishofer Friedhof ein Kreuz mit einer wertvollen geschnitzten Christusfigur verwittert. Beinahe unbemerkt. Als die Figur stark beschädigt war, entfernte sie die Stadt Bad Wörishofen. Das Kreuz selbst blieb stehen. Ein Bad Wörishofer Witwer bemerkte das leere Kreuz. Da seine Frau gestorben war und in der Urnenwand bestattet ist, hatte er das große Friedhofskreuz in der Nähe sehr geschätzt. Der Witwer, ein Bad Wörishofer Neubürger, der anonym bleiben will, bohrte nach und wollte wissen, wo der Korpus verblieben war. Da er auch Mitglied des Verschönerungsvereins ist, war seine erste Anlaufstelle Eugen Fenster, der in den vergangenen Jahren zusammen mit Bernhard Markter zahlreiche Feldkreuze renoviert hat.
„Es war schon eine zähe Sache“, meint Eugen Fenster in seiner ihm eigenen sympathischen Ehrlichkeit, wenn er auf die zwei Jahre, die zwischen der „Kreuzabnahme“und der Wiedererrichtung verstrichen sind, zurückblickt. Zunächst recherchierte er nach dem Verbleib der Figur: „Ich spiele ja hin und wieder mit einer Gruppe der Stadtkapelle im Friedhof“, erzählt Eugen Fenster. „Da habe ich einmal nachgefragt, wo die Christusfigur hingekommen ist“, sagt Fenster.
Sie lagere im Bauhof, lautete die Antwort. Zusammen mit dem Vorsitzenden des Verschönerungsvereins, Michael Scharpf, und dem Witwer konnte Fenster den schwer beschädigten Torso im Bauhof besichtigen. Fenster war es sofort ein Anliegen, die Figur restaurieren zu lassen. Ein erster von der Stadt Bad Wörishofen eingeholter Kostenvoranschlag hätte anscheinend hohe Renovierungskosten prognostiziert, weswegen das Projekt zunächst nicht weiter verfolgt wurde. Der Korpus lagerte weiter beim Altholz im Bauhof.
„Eugen Fenster haben das Friedhofskreuz und die Figur keine Ruhe gelassen“, weiß Michael Scharpf. „Wir haben recherchiert und irgendwann selbst Kostenvoranschläge eingeholt“, erinnert sich Fenster an die Entwicklungen vor rund zwei Jahren. Dabei sind die rührigen Mitglieder des Verschönerungsvereins auf den Stockheimer Kirchenmaler Isidor Hefele gestoßen, der sich zu dieser Zeit durch hervorra- gende Arbeit bei der Restaurierung der Pfarrkirchen von Schlingen, Kirchdorf und später in Stockheim auszeichnete. Hefele hätte schnell zugesagt, weiß Fenster zu berichten. Auch um die Finanzierung kümmerte sich der Verein. 500 Euro stellte der Witwer bereit, 500 Euro der Verein. Für einen Zuschuss von weiteren 500 Euro konnte Eugen Fenster die Kirchenverwaltung von St. Justina gewinnen. Mit dieser finanziellen Unterstützung versuchte der Verein, die Renovierung voranzutreiben. Der Stadt sollten noch rund 700 Euro bleiben. Zwischenzeitlich wurde der Korpus zu Isidor Hefele nach Stockheim gebracht, wo er wieder erst einmal eingelagert wurde. Hefele wartete auf die Auftragsvergabe. Zufällig erfuhr Bernhard Ledermann sen. bei einem Mittagessen im Stockheimer Gasthof Adler, den die Familie von Isi- dor Hefele betreibt, von dem bei Hefele untergebrachten Christus. Ledermann ist der jüngste Sohn des 1983 verstorbenen Bad Wörishofer akademischen Kunstbildhauers Konrad Ledermann, der in Bad Wörishofen zahlreiche weitere Kunstwerke wie das Baumgarten-Denkmal, das Kriegerdenkmal, den Bahnhofsbrunnen oder die Anbetungsengel am Hochaltar der Stadtpfarrkirche St. Justina geschaffen hat. Bisher hatte niemand der Beteiligten gewusst, dass es sich bei dem Christus um ein Ledermann-Werk handelt.
„Es war ein Glücksgriff, dass der Sohn von Konrad Ledermann sich eingeschaltet hat“, meint Eugen Fenster. Nun sei die Renovierung vorangegangen. Im Frühjahr und im Sommer arbeitete Kirchenmaler Hefele ein halbes Jahr lang in Etappen an der Fassung. „Ich musste die Trocknungsphasen der Ölfarben einhalten“, berichtet Hefele. Zuvor hatte ein ihm bekannter Bildhauer die morschen Teile stilgetreu ersetzt. „Mein Kollege hat sich genau an die Vorgaben von Konrad Ledermann gehalten“, meint Hefele. Für ihn hätte der Bad Wörishofer Künstler eine ganz eigene Schnitzart.
„Eigenwillig, aber wunderschön“, analysiert er im Sommer die Figur, als diese vor ihm in seiner Werkstatt liegt. Typisch seien für ihn die Kopfhaltung, der Faltenwurf des Lendenschutzes, sowie die filigran bis in Details herausgearbeiteten Hände der Figur.
Bis Hefele zum eigentlichen Schnitzwerk vordringen konnte, musste er erst die alte, nichtoriginale Fassung des Korpus’, der wohl in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstanden ist und der zunächst am Gambrinus-Kreuz hing, aufwändig entfernen. Für die neue, nun von Hefele gestaltete Fassung hat der erfahrene Kirchenmaler wertvolle historische Ölfarben verwendet, die aufgrund ihres toxischen Gehalts eigentlich verboten sind, von Kirchenmalern zu Restaurierungszwecken aber verwendet werden dürfen.
„Diese Originalfarben sind ziemlich licht- und witterungsbeständig“, hebt Isidor Hefele hervor. Er hofft, dass die Figur im Bad Wörishofer Friedhof nun mindestens 25 Jahre lang wieder ein berührendes Kunstwerk, besonders für Trauernde ist, etwa jetzt zu Allerheiligen. „Wir sind sehr zufrieden“, sagen Michael Scharpf und Eugen Fenster über die Renovierung. „Ein wertvolles Original mit geschichtlichem Hintergrund wurde gesichert“, betont Scharpf.