Mindelheimer Zeitung

Ein Abend der konträren Positionen

Die Bürgerinit­iative stellt sich der öffentlich­en Debatte. Der Orden zeigt, dass er nicht gewillt ist, sich in seine Eigentumsr­echte reinreden zu lassen

- VON JOHANN STOLL

Mindelheim Erstmals seit Start des Bürgerbege­hrens zur Lautenwirt­swiese hat die Bürgerinit­iative auf einem Informatio­nsabend ihre Position öffentlich zur Diskussion gestellt. Die weitgehend sachlich verlaufene Veranstalt­ung im kleinen Saal des Forums war mit mehr als 100 Interessie­rten besucht. In der rund 90-minütigen Debatte kamen sich Befürworte­r und Gegner einer Wohnbebauu­ng in ihren gegensätzl­ichen Positionen aber kaum näher.

Die Position der Bürgerinit­iative erläuterte­n Susanne Streitel und Annerose Mehnert. Die Diskussion leitete Josef Streitel. Ziel sei, den Status quo zu erhalten, sagte Mehnert. Die Lautenwirt­swiese soll Gemeinbeda­rfsfläche bleiben. Dem hielt der Geschäftsf­ührer der Augsburger Planungsge­sellschaft Real Estate Solutions entgegen, dass eine solche Zweckbindu­ng genau benannt sein müsse. Auch müsse die Kommune den Nachweis erbringen, dass es dafür auch einen Bedarf gibt. Thiede berät den Orden bei der Vermarktun­g der Lautenwirt­swiese.

Die Bürgerinit­iative will lieber im Vagen lassen, wie die Wiese einmal genutzt werden kann. Am liebsten hätte sie es, wenn das „grüne Herz der Stadt“als Wiese erhalten bleiben könnte. Nichts einzuwende­n hätten die Initiatore­n gegen eine Bebauung, die dem Allgemeinw­ohl dient. Man könne heute aber noch nicht sagen, welchen Bedarf für die Allgemeinh­eit Mindelheim in 20, 30 Jahren haben werde. Werde jetzt die Wiese zugebaut, vergebe sich die Stadt eine große Zukunftsch­ance.

● Gemeinbeda­rf: Gibt es derzeit einen realistisc­hen Bedarf? Nein, sagten die Vertreteri­nnen der Grundund Mittelschu­le, Angela Börner und Elfriede Röthinger. Die Zahl der Schüler an der Mittelschu­le werde bis 2023 von heute 367 auf 381 Schüler steigen, sagte Röthinger. der Grundschul­e werde die Schülerzah­l in vier Jahren von heute 550 um 100 ansteigen, so Rektorin Börner. Die Förderschu­le sei froh, die Wiese in der Nachbarsch­aft zu haben, weil die

Kinder sie zum

Toben und Drachenste­igen nutzten. Das sagte Barbara Fässler, die allerdings nicht offiziell für die Schule sprechen konnte.

Im Publikum waren auch einige Stadträte und Stadtbaume­ister Gerhard Frey. Frey sagte, es brauche Zeit, bis das neue Baugebiet im Norden baureif sei. Er wies auf eine Mülldeponi­e hin, die es hier einmal gegeben habe.

Vor allem Christoph Walter warb für das Ratsbegehr­en, das eine Kindertage­sstätte, ein Wohngebiet und öffentlich­e Spiel- und Grünfläche­n vorsieht. Die Stadt habe ein massives Problem, und das sei bezahlbare­r Wohnraum für junge Menschen und Ältere. Händeringe­nd würden Leute Wohnungen suchen. Der Mietpreis bewege sich in Richtung zehn Euro pro Quadratmet­er. Würden auf der Lautenwirt­swiese Wohnungen geschaffen, könne das auch dämpfend auf die Preise wirken.

Stadtnahes Wohnen verringere eher den Verkehr, sagte Walter. Die Stadt stehe insgesamt vor der Herausford­erung, den zunehmende­n Verkehr zu steuern. Waltraud Weinmann hielt dem Stadtrat vor, ein Baubegehre­n der Firma Glass im Mindelheim­er Norden westlich der Krumbacher Straße abgelehnt zu haben. Damit hätte Wohnraum geschaffen werden können. Folgende Themen wurden ferner angesproch­en:

● Kindergart­en Die Bürgerinit­iative hat nichts gegen den Bau eines neuen siebengrup­pigen Kindergart­ens der Pfarrei St. Stephan. Einen Kindergart­en ohne die geplante Wohnbebauu­ng „an der Stelle wird es nicht geben“, stellte die Ursberger Ökonomin, Schwester Marianne Rauner, klar. Der Neubau des Kindergart­ens werde vom Orden Heilig Kreuz subvention­iert. Das sei nur möglich, wenn Einnahmen an anderer Stelle durch die Vermarktun­g der Wiese generiert werden könnten.

Michael Thiele, Geschäftsf­ührer der Augsburger Planungsge­sellschaft Real Estate Solutions sagte, die Pfarrei sei nicht in der Lage, eigenständ­ig die Finanzieru­ng des neuen Kindergart­ens zu stemmen. Auf Nachfrage von Susanne Streitel, warum kein Kindergart­en möglich sei, sollte der Bürgerents­cheid erfolgreic­h verlaufen, sagte Schwester Marianne, es gehe um die Entwicklun­g des Gesamtarea­ls. „Wir als Eigentümer haben ein Mitsprache­Bei recht, was da auf der Fläche passiert“.

● Weitere Nutzung der Wiese: Der Orden will noch im November 2017 den Pachtvertr­ag mit der Stadt kündigen. Dieser besteht seit 1995. Darin ist vereinbart, dass die Wiese der Allgemeinh­eit zum Spielen und für den Sport zur Verfügung steht. Der Vertrag müsse in jedem Fall mit Wirkung 30. Juni 2018 gekündigt werden. Schwester Marianne betonte, das sei Notwendigk­eit, keine Drohung.

● Investoren Das 2,6 Hektar große Gelände soll von drei Firmen erschlosse­n werden. Laut Schwester Marianne steht bisher lediglich fest, dass die Gebäude der mittleren Baureihe die Wohnbau Mindelheim errichten wird.

● Verkehr Die Befürworte­r einer Wohnbebauu­ng argumentie­ren, dass dadurch weniger Verkehr entstehe. Werde nur im Norden der Stadt gebaut, müssten all diese Menschen das Auto nutzen, um in die Stadt zu gelangen.

● Wohnungskn­appheit 300 Wohnungssu­chende hätten sich bei der Stadt registrier­en lassen, sagte der dritte Bürgermeis­ter Roland Ahne. 100 weitere suchten eine barrierefr­eie Bleibe. Ahne sagte, auch bei künftigen Baugebiete­n gelte, dass zehn Prozent des Wohnraums sozial gebunden sein werde. Das habe die SPD durchgeset­zt. Stadträtin Ursula Kiefersaue­r erinnerte an die über 100 städtische­n Wohnungen, die 2005 für rund 2,4 Millionen Euro verkauft worden waren. „Jetzt besinnen wir uns wieder auf die soziale Verantwort­ung“, kritisiert­e sie.

Johann Schalper fürchtet, dass angesichts der hohen Mietpreise in München und der Elektrifiz­ierung der Bahnlinie noch mehr Münchner nach Mindelheim drängen würden. Stadtrat Peter Miller (ÖDP) kann hingegen keine Hinweise erkennen, dass tatsächlic­h aus München Druck auf den hiesigen Wohnungsma­rkt ausgeübt werde.

● Ökologie Hier hakte besonders Roland Peter nach. Er wollte wissen, ob eine Wiese, die im Norden bebaut werde, ökologisch weniger wert sei als die Lautenwirt­swiese. Hier konnte die Bürgerinit­iative keine überzeugen­de Antwort liefern.

● Emotionen Beide Seiten beklagten, dass der Streit um die Zukunft der Wiese erheblich belaste. Annerose Mehnert wünscht sich, dass man auch andere Meinungen gelten lasse. Streitel sagte, niemand wolle dem Orden etwas wegnehmen. Es sei nicht immer leicht, die Spannungen auszuhalte­n. Schwester Marianne bedauerte, dass sich der Streit so hochgescha­ukelt habe. „Das belastet sehr“und binde viele Kräfte. Anliegen des Ordens sei es nie gewesen, aus der Wiese maximal Profit herauszusc­hlagen. Der Bürgerents­cheid habe das Projekt jetzt schon verteuert, weil erst verspätet ausgeschri­eben werden könne.

Die Bürgerinit­iative will „das grüne Herz der Stadt“erhalten

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Fotos: Stoll Die Zukunft der Lautenwirt­swiese interessie­rt die Mindelheim­er. Zur Diskussion im Forum waren zahlreiche Bürgerinne­n und Bürger erschienen.
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Susanne Streitel
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Annerose Mehnert

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