Warum die Stauden Stauden heißen
Was den besonderen Reiz dieser Gegend ausmacht, in der früher Schmalhans Küchenmeister war
Unterallgäu Ein Teil des östlichen Landkreises Unterallgäu trägt den überlieferten Namen „die Stauden“. Was es mit dieser Gegend auf sich hat und woher der Begriff „Stauden“kommt, ist eine besondere Geschichte. Eine Stoffsammlung für den heimatkundlichen Unterricht in den Volksschulen des ehemaligen Landkreises Mindelheim hat es anno 1950 anschaulich erklärt. Demnach bezeichnet man mit dem Namen Stauden das hügelige, von vielen Gewässern durchzogene, wald- und einstmals auch sumpfreiche Gebiet zwischen den westlichen Wertachhöhen im Osten, dem Mindeltal im Westen, dem Flossachtal im Süden und der Reischenau im Norden.
Der Name Stauden leitet sich vom vielen Buschwerk ab, das dort einst anzutreffen war und das auch als Kennzeichen einer etwas unwirklichen, wenig ertragreichen und darum recht ärmlichen Gegend galt. So ist aus dem Jahre 1863 überliefert, dass sich die Staudenleute im Gegensatz zu den wohlhabenden Wertachbauern, von Wassersuppe, eingekochtem Schwarzbrot, groben, schmalzarmen Mehlspeisen ernährten und dazu Weißbier und Branntwein tranken. Tatsächlich galten die Stäudler früher in der Umgebung bis ins 19. Jahrhundert hinein als arme Leute. Sie waren so arm, dass sie vielfach vom Bettel leben mussten.
Die Land- und Viehwirtschaft als Haupternährungszweig der Bevölkerung lieferte in den inneren Staudenteilen dem einzelnen Bauer kaum das Lebensnotwendige. Der Weidegrund war durch Wald und Sumpf sehr eingeengt und der Boden war wenig ertragsfähig. Der bescheidene Ertrag der Bauernarbeit veranlasste die Stäudler damals, selbst Flachs anzubauen und sich der Hausweberei, der Spinnerei und der Strickerei zuzuwenden.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Bevölkerung in der Hauptsache von der Land- und Viehwirtschaft ernährt. Weitere Verdienstmöglichkeiten boten lediglich die Waldarbeit und kleine Fabriken in Tussenhausen und Türkheim. Das Staudengebiet war zwar auch nach dem Krieg nicht wohlhabend geworden, die Verhältnisse gegenüber früher hatten sich aber wesentlich gebessert. Das heimatkundliche Fazit von 1950 lautete deshalb: „Der mitleidige, abschätzige Ton, der ehedem dem Begriff Staudenleute oder Stäudler anhaftete, hat seinen Sinn verloren“. Insgesamt fassten die Heimatkundelehrer zusammen: „ Die vielen Höhen, die ausgedehnten Waldungen, die weithin entsumpften, wohlangebauten Täler in ihrer gesunden Mischung von Wiesen- und Ackerland, stattliche Ortschaften machen die Landschaft abwechslungsreich und anziehend. Als Ganzes ist das Staudenland heute eine zwar raue, aber gesunde, ertragsreiche und prächtige Landschaft“…
Zur Aufwertung des Landstrichs hatte auch die 1912 durchgehend fertiggestellte Staudenbahn von Türkheim bis Gessertshausen beigetragen. Sie förderte die Mobilität und den Güteraustausch. Außerdem erschloss sie auch Beschäftigungsmöglichkeiten in Richtung Augsburg. Mittlerweile existiert das Staudenbähnle nur noch als Rumpfbahn.
Die Stauden sind nicht nur eine schöne Gegend. Sie sind auch ein fruchtbares Quellgebiet. Die Schmutter entspringt bei Siebnach. Die Neufnach hat ihren Ursprung oberhalb Markt Wald und mündet bei Fischach in die Schmutter. Die Zusam hat ihre Quellen westlich von Markt Wald. „Viele Wässerlein sprudeln auf den geneigten Höhen aus der Erde und vereinigen sich und bilden die Zusam“, hieß es im alten Heimatkundeheft. Zu den Stauden im Unterallgäuer Teil zählen im Neufnachtal die Ortschaften Markt Wald mit den Dörfern oder Weilern Bürgle, Anhofen, Schnerzhofen und Steinekirch sowie Oberneufnach. Im Zusamtal liegen Immelstetten, Könghausen sowie die Weiler Ellenried, Lutzenberg und Aufhof. Die Stauden bilden heute den südlichen Teil des Naturparkes Augsburg-Westliche Wälder. Die sanften Hügellandschaften mit ihren Büschen und Laubwäldern steigen bis auf 654 Meter zwischen Tussenhausen und Markt Wald im Angelberger Forst an und wechseln sich mit landwirtschaftlich genutzten Flächen in den Tälern ab. Die Region ist mittlerweile auch dem Fremdenverkehr erschlossen und bei Wanderern und Radlern sehr beliebt. Heimatbuch Die Geschichte der Stauden ist auch im neuen Buch „Brauchtum Heimat Geschichten/Das Unterallgäu im Spiegel der Zeit“aus dem Heimatverlag Hans Högel enthalten. Sie gehört damit zu den 70 spannen den Erzählungen und amüsanten Ge schichten aus dem Unterallgäu mit 300 originalen Bildern. Autor ist der langjähri ge MZ Mitarbeiter Josef Hölzle. Erhält lich in den Geschäftsstellen der Mindelhei mer Zeitung, bei DIN A4 Pfaffenhausen und im Buchhandel
(ISBN 978 3 9818338 7 4).