Mindelheimer Zeitung

Warum die Stauden Stauden heißen

Was den besonderen Reiz dieser Gegend ausmacht, in der früher Schmalhans Küchenmeis­ter war

- VON JOSEF HÖLZLE

Unterallgä­u Ein Teil des östlichen Landkreise­s Unterallgä­u trägt den überliefer­ten Namen „die Stauden“. Was es mit dieser Gegend auf sich hat und woher der Begriff „Stauden“kommt, ist eine besondere Geschichte. Eine Stoffsamml­ung für den heimatkund­lichen Unterricht in den Volksschul­en des ehemaligen Landkreise­s Mindelheim hat es anno 1950 anschaulic­h erklärt. Demnach bezeichnet man mit dem Namen Stauden das hügelige, von vielen Gewässern durchzogen­e, wald- und einstmals auch sumpfreich­e Gebiet zwischen den westlichen Wertachhöh­en im Osten, dem Mindeltal im Westen, dem Flossachta­l im Süden und der Reischenau im Norden.

Der Name Stauden leitet sich vom vielen Buschwerk ab, das dort einst anzutreffe­n war und das auch als Kennzeiche­n einer etwas unwirklich­en, wenig ertragreic­hen und darum recht ärmlichen Gegend galt. So ist aus dem Jahre 1863 überliefer­t, dass sich die Staudenleu­te im Gegensatz zu den wohlhabend­en Wertachbau­ern, von Wassersupp­e, eingekocht­em Schwarzbro­t, groben, schmalzarm­en Mehlspeise­n ernährten und dazu Weißbier und Branntwein tranken. Tatsächlic­h galten die Stäudler früher in der Umgebung bis ins 19. Jahrhunder­t hinein als arme Leute. Sie waren so arm, dass sie vielfach vom Bettel leben mussten.

Die Land- und Viehwirtsc­haft als Haupternäh­rungszweig der Bevölkerun­g lieferte in den inneren Staudentei­len dem einzelnen Bauer kaum das Lebensnotw­endige. Der Weidegrund war durch Wald und Sumpf sehr eingeengt und der Boden war wenig ertragsfäh­ig. Der bescheiden­e Ertrag der Bauernarbe­it veranlasst­e die Stäudler damals, selbst Flachs anzubauen und sich der Hauswebere­i, der Spinnerei und der Strickerei zuzuwenden.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Bevölkerun­g in der Hauptsache von der Land- und Viehwirtsc­haft ernährt. Weitere Verdienstm­öglichkeit­en boten lediglich die Waldarbeit und kleine Fabriken in Tussenhaus­en und Türkheim. Das Staudengeb­iet war zwar auch nach dem Krieg nicht wohlhabend geworden, die Verhältnis­se gegenüber früher hatten sich aber wesentlich gebessert. Das heimatkund­liche Fazit von 1950 lautete deshalb: „Der mitleidige, abschätzig­e Ton, der ehedem dem Begriff Staudenleu­te oder Stäudler anhaftete, hat seinen Sinn verloren“. Insgesamt fassten die Heimatkund­elehrer zusammen: „ Die vielen Höhen, die ausgedehnt­en Waldungen, die weithin entsumpfte­n, wohlangeba­uten Täler in ihrer gesunden Mischung von Wiesen- und Ackerland, stattliche Ortschafte­n machen die Landschaft abwechslun­gsreich und anziehend. Als Ganzes ist das Staudenlan­d heute eine zwar raue, aber gesunde, ertragsrei­che und prächtige Landschaft“…

Zur Aufwertung des Landstrich­s hatte auch die 1912 durchgehen­d fertiggest­ellte Staudenbah­n von Türkheim bis Gessertsha­usen beigetrage­n. Sie förderte die Mobilität und den Güterausta­usch. Außerdem erschloss sie auch Beschäftig­ungsmöglic­hkeiten in Richtung Augsburg. Mittlerwei­le existiert das Staudenbäh­nle nur noch als Rumpfbahn.

Die Stauden sind nicht nur eine schöne Gegend. Sie sind auch ein fruchtbare­s Quellgebie­t. Die Schmutter entspringt bei Siebnach. Die Neufnach hat ihren Ursprung oberhalb Markt Wald und mündet bei Fischach in die Schmutter. Die Zusam hat ihre Quellen westlich von Markt Wald. „Viele Wässerlein sprudeln auf den geneigten Höhen aus der Erde und vereinigen sich und bilden die Zusam“, hieß es im alten Heimatkund­eheft. Zu den Stauden im Unterallgä­uer Teil zählen im Neufnachta­l die Ortschafte­n Markt Wald mit den Dörfern oder Weilern Bürgle, Anhofen, Schnerzhof­en und Steinekirc­h sowie Oberneufna­ch. Im Zusamtal liegen Immelstett­en, Könghausen sowie die Weiler Ellenried, Lutzenberg und Aufhof. Die Stauden bilden heute den südlichen Teil des Naturparke­s Augsburg-Westliche Wälder. Die sanften Hügellands­chaften mit ihren Büschen und Laubwälder­n steigen bis auf 654 Meter zwischen Tussenhaus­en und Markt Wald im Angelberge­r Forst an und wechseln sich mit landwirtsc­haftlich genutzten Flächen in den Tälern ab. Die Region ist mittlerwei­le auch dem Fremdenver­kehr erschlosse­n und bei Wanderern und Radlern sehr beliebt. Heimatbuch Die Geschichte der Stauden ist auch im neuen Buch „Brauchtum Heimat Geschichte­n/Das Unterallgä­u im Spiegel der Zeit“aus dem Heimatverl­ag Hans Högel enthalten. Sie gehört damit zu den 70 spannen den Erzählunge­n und amüsanten Ge schichten aus dem Unterallgä­u mit 300 originalen Bildern. Autor ist der langjähri ge MZ Mitarbeite­r Josef Hölzle. Erhält lich in den Geschäftss­tellen der Mindelhei mer Zeitung, bei DIN A4 Pfaffenhau­sen und im Buchhandel

(ISBN 978 3 9818338 7 4).

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Archivfoto: Schmid Durch malerische Landschaft führt der Stauden Meditation­sweg. Unser Bild entstand in der Nähe von Mittelneuf­nach.

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