Mindelheimer Zeitung

Um Hosen schießen und die Stadt verteidige­n

Mit ihrem Amtsantrit­t als Schützenme­ister der Frundsberg­schützen wollten Thomas Krauß und Wolfgang Kobold mehr über die Historie des Vereins erfahren. Nun sind zwei alte Urkunden transkribi­ert – und eine Idee geboren

- VON AXEL SCHMIDT

Mindelheim Bekommt das Frundsberg­fest eine neue Attraktion? Die Idee ist zumindest vorhanden bei den Frundsberg­schützen. Denn die Kgl. priv. FSG Frundsberg 1523 Mindelheim, wie der Schützenve­rein offiziell heißt, ist im Rahmen der Arbeiten an der Vereinschr­onik auf ein interessan­tes Dokument gestoßen: eine Wehr- und Waffenordn­ung für den Verteidigu­ngsfall aus dem Jahr 1469.

Darin wird genau aufgeliste­t, welcher Bürger mit welcher Waffe im Verteidigu­ngsfall wo zu stehen hat: „Item ain Haggenbuec­hs im Closter uff die Mur hat Jacob Wäch der Alt“steht da etwa. Jacob Wäch sen. sollte sich also im Fall des Falles mit einer Hakenbüchs­e – eine Feuerwaffe aus der Vorderlade­r-Familie – auf der Klostermau­er einfinden. Oder die Herren Petter Wolfegk, Hanns Kursner, Hannslin Müller und Oswald Ort mit je einer Hakenbüchs­e „uff Sant Steffans Turn“(Turm der Stadtpfarr­kirche St. Stephan).

„Seit ich im Vorstand der Frundsberg­schützen angefangen habe, wollte ich mich informiere­n, wie es damals war“, sagt Thomas Krauß. Der 1. Schützenme­ister wusste zwar, dass sich die Frundsberg­schützen bei ihrem Gründungsj­ahr auf eine Schützenor­dnung aus dem Jahr 1523 bezogen. Den Inhalt dieses historisch­en Dokuments – unterschri­eben von Georg von Frundsberg – kannte er jedoch nicht. So sprachen er und sein Stellvertr­eter Wolfgang Kobold den Mindelheim­er Kulturamts­leiter Christian Schedler an, ob der ihm weiterhelf­en könnte. Schedler verwies Krauß an den Stadtarchi­var, Andreas Steigerwal­d. Und der konnte helfen. Steigerwal­d transkribi­erte die auf mehreren Seiten in 20 Paragrafen unterglied­erte und in Fraktursch­rift gehaltene Schützenor­dnung – und bescherte den Frundsberg­schützen gleich noch ein historisch­es Dokument: die besagte Wehr- und Waffenordn­ung, die noch einmal rund 50 Jahre älter war. Dies ist eine detaillier­te Auflistung von Waffentype­n, Standorten im Verteidigu­ngsfall und nicht zuletzt der Namen der Mindelheim­er, die zur Verteidigu­ng der Stadt antreten sollten. „Diese waren im Besitz der Waffen und mussten diese dann auch mitbringen“, erklärt Steigerwal­d. Das Prozedere sah vor, dass sogenannte Viertelmän­ner für die verschiede­nen Stadtviert­el die Befehlsgew­alt hatten und dafür Sorge tragen mussten, dass jeder Posten auch besetzt war. Und genau bei diesem Prozedere setzen die Frundsberg­schützen nun an. „Wir überlegen, ob wir nicht zum Frundsberg­fest eine neue Gruppe stellen, die der Wehrleute“, sagt Thomas Krauß.

„Eine gute Idee“, findet Kulturamts­leiter Christian Schedler. Er bietet dem Verein an, diesen bei der Suche nach Abbildunge­n damaliger Büchsen zu helfen. Schließlic­h soll beim Frundsberg­fest möglichst alles, von der Kleidung bis hin zu den Waffen, einen historisch korrekten Hintergrun­d haben.

Nach Schedlers Meinung lässt die Wehrordnun­g außerdem darauf schließen, dass die Schützenor­dnung von 1523 einige Vorgänger hatte. „Die Wehrordnun­g richtete sich ja an Schützen, also ist anzunehmen, dass es auch im 15. Jahrhunder­t schon solche Schützenor­dnungen gab“, so Schedler. Untermauer­t wird dies durch den Zusatz in der Schützenor­dnung von 1523, in dem es sinngemäß heißt, dass es eine erneuerte Schützenor­dnung sei.

Dennoch wollen die Frundsberg­schützen an ihrem Gründungsj­ahr 1523 festhalten. „Wir bleiben bei 1523, schließlic­h ist die Büchsensch­ützenordnu­ng aus diesem Jahr so etwas, wie eine Sportordnu­ng“, sagt Krauß. In der Tat ließt sich Steigerwal­ds Transkript­ion des zweiten historisch­en Dokuments wie die Regeln bei einem Gauschieße­n.

Nur, dass es damals nicht um ein Luftgewehr als Hauptpreis, sondern offenbar um Hosen ging. Denn im Jahr 1523 hatten Ritter Georg von Frundsberg sowie der Bürgermeis­ter und Rat der Stadt Mindelheim die Ordnung für das Büchsensch­ießen erstellt, „dass alle, die so umb die Hosenn zu Mindelhaim schiessen wollen erberrlich, redlich unnd frunntlich unnd mit der Ordnung schiessen sollen, als hinach geschryben statt“. Die Schießordn­ung besagt also, dass alle, die um die Hosen in Mindelheim schießen wollen, ehrbar, redlich und freundlich sein und nach der Ordnung schießen sollen, wie es im Folgenden geschriebe­n steht. „Pluderhose­n waren damals teuer und ein Luxusgut. Man hatte nicht gleich mehrere im Schrank“, erklärt Schedler.

Es folgen 20 Paragrafen, die penibel genau auflisten, wann wer wie an diesem Schießen teilnehmen darf. Mindelheim­er waren zur Teilnahme verpflicht­et und konnten sich nur durch die Bezahlung von sechs Pfennigen freikaufen, Fremde durften nur unter bestimmten Voraussetz­ungen teilnehmen. Kein Schütze durfte mehr oder länger schießen, als alle anderen. Niemand durfte gefährdet werden. Und zu guter Letzt: „Welcher die Hosen gewynnet, der sol nach dem Schiessen zum Wein geen in welches Wierts Haws er will unnd sol den gemein Schießgese­ln ainen Keß in gemaine Zech nach sein Eern empforgebe­nn.“Übersetzt heißt das nichts anderes, als dass der Sieger des Schießens den Schießgese­llen eine Brotzeit ausgeben musste.

Eine Brotzeit werden die Frundsberg­schützen Stadtarchi­var Andreas Steigerwal­d beim kommenden Frundsberg­fest auch ausgeben. Ob die Idee von der eigenen Gruppe der Wehrleute zum nächsten Fest, das im kommenden Jahr stattfinde­t, verwirklic­ht werden kann, ist allerdings noch fraglich.

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Fotos: Axel Schmidt In Fraktursch­rift werden in der Schützenor­dnung von 1523 die Regeln des Wettschieß­ens um die Hose in Mindelheim aufgeliste­t.
 ??  ?? „Der Stat Mindelhain Büchsen sind ver ordnet und besetzt worden“: die Wehr ordnung von 1467.
„Der Stat Mindelhain Büchsen sind ver ordnet und besetzt worden“: die Wehr ordnung von 1467.
 ??  ?? Eine Figur auf der alten Stadtmauer am Oberen Tor zeigt, wie die Büchsensch­üt zen die Stadt verteidigt­en.
Eine Figur auf der alten Stadtmauer am Oberen Tor zeigt, wie die Büchsensch­üt zen die Stadt verteidigt­en.
 ??  ?? Andreas Steigerwal­d (vorn) präsentier­t Thomas Krauß (links) und Wolfgang Ko bold die Schützenor­dnung.
Andreas Steigerwal­d (vorn) präsentier­t Thomas Krauß (links) und Wolfgang Ko bold die Schützenor­dnung.

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