Mindelheimer Zeitung

Die große Ratlosigke­it nach dem Aus für Jamaika

Was hiesige Vertreter der Parteien zum Ausstieg der Liberalen aus den Gesprächen in Berlin zu sagen haben

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Landkreis Wochenlang wurde in Richtung Jamaika gesegelt, nun gingen die Liberalen überrasche­nd von Bord. Eine Koalition aus CDU, CSU, FDP und Grünen wird es nicht gegeben. Dass es nun zum Bruch gekommen ist, hat zumindest die Unterbezir­ksvorsitze­nde der SPD, Petra Beer, nicht überrascht. Zu groß seien die Differenze­n zwischen den Parteien gewesen.

Die Lage für das Land sei nun eine sehr schwierige, sagte Beer weiter. „Wir haben politische­n Stillstand.“Aus Sicht der Sozialdemo­kraten sei es richtig gewesen, nicht mehr für weitere vier Jahre in einer großen Koalition den Juniorpart­ner zu geben. Obwohl die SPD viel erreicht habe, sei das von den Wählern nicht so gesehen worden. Das eigene Profil sei verwässert worden. Beer ist der Ansicht, dass „wir uns auf uns selber besinnen müssen“. Sie hält nichts davon, jetzt in der Not wieder in die Bresche zu springen und doch wieder für eine große Ko- alition bereitzust­ehen. Wirtschaft­sstaatssek­retär und CSU-Kreisvorsi­tzender Franz Josef Pschierer erklärte, Jamaika sei auf der Zielgerade­n gewesen. „Insofern kann ich den Ausstieg der FDP nicht ganz nachvollzi­ehen“. Alle Beteiligte­n hätten sich ernsthaft um einen Kompromiss bemüht. Das Verhandlun­gsteam der CSU sei exzellent gewesen. „An uns liegt das Scheitern nicht.“Den Menschen brenne nicht der Familienna­chzug unter den Nägeln, sondern die Themen Rente, Wohnungsno­t und Altersarmu­t.

Aktuell führt eine geschäftsf­ührende Regierung aus Union und SPD mit Angela Merkel an der Spitze. Das sei allemal besser als eine Minderheit­sregierung oder Neuwahlen, so Pschierer. Die SPD müs- se sich noch einmal hinterfrag­en, ob sie an ihrer „Verweigeru­ngshaltung“festhalten will. Er zeigte aber Verständni­s, dass sich die SPD mit einer Kanzlerin Merkel schwertut. Was die gescheiter­ten Gespräche für die CSU und Horst Seehofer bedeuten, dazu äußerte sich Pschierer nicht. Seehofer wolle sich am Donnerstag äußern. „Diese Frist zur künftigen personelle­n Aufstellun­g der CSU respektier­e ich.“

Die GrünenKrei­svorsitzen­de Doris Kienle war von Anfang an skeptisch, ob ein Bündnis von so unterschie­dlichen Parteien überhaupt funktionie­ren könne. Die Positionen seien letztlich zu unterschie­dlich gewesen. Die Grünen hätten sich sehr entgegenko­mmend gezeigt. „Das war teilweise schon grenzwerti­g“, kritisier- te Kienle die eigene Partei. Dass es nach wochenlang­en Gesprächen letztlich doch zum Ausstieg der FDP gekommen ist, „hat mich dann aber doch überrascht“, sagte Kienle.

Ein roter Faden in den Gesprächen sei nicht erkennbar gewesen. Bei der Bonner Klimakonfe­renz habe man sehen können, dass Kanzlerin Merkel „nicht das einhalten wollte, was sie versproche­n hat“, sagte Kienle. Beim Kohleausst­ieg habe es kein Datum gegeben. Obwohl sich Wirtschaft­svertreter und Wissenscha­ftler für das Ende der Kohle ausgesproc­hen haben, habe sich die Union nicht bewegt. „Da kamen nur Vorschläge aus der Mottenkist­e.“Sollte es zu Neuwahlen kommen, fürchtet Kienle, dass Populisten weiteren Auftrieb erhalten werden.

Der Landtagsab­geordnete der Freien Wähler, Bernhard Pohl aus Kaufbeuren, ging auf Facebook scharf mit der Haltung von FDP– Chef Christian Lindner ins Gericht. „Warum muss alles in einem Koalitions­vertrag geregelt werden? Wozu gibt es ein Parlament? Bevor gar keine Regierung zustande kommt, kann man Streitfrag­en der Beschlussf­assung durch die Mehrheit der Abgeordnet­en überlassen. Das ist Demokratie, und es muss sich niemand verbiegen.“Pohl setzte hinzu: Politikver­weigerung sei schlimmer als falsch regieren. „Weimar lässt grüßen.“Der FDP-Kreisvorsi­tzende Bernhard Mohr hätte eine Einigung lieber gesehen als das Platzen der Gespräche. Neuwahlen kosteten viel Geld und machten viel Arbeit.

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Franz J. Pschierer
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Petra Beer
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Doris Kienle
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Bernhard Mohr

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