Es brennt nicht öfter, aber schneller
Dank Rauchmeldern gibt es weniger Dachstuhlbrände. Neue Materialien am Bau und in den Wohnräumen stellen die Feuerwehren aber vor ganz andere Herausforderungen. Ein Brandexperte redet Klartext
Bad Wörishofen Rund um das Kurhaus von Bad Wörishofen: Feuerwehrfahrzeuge, wohin man blickt. Genobank: gleiches Bild. Ebenso an anderen Plätzen der Innenstadt. Nein, dort fand kein Großbrand statt. Der Einsatz von mehr als 200 Feuerwehrleuten aus dem Unterallgäu galt an diesem Tag einzig der Aus- und Weiterbildung. Der Ernstfall fand im Kursaal statt. Aus berufenem Mund erfuhren die in Dienstkleidung angetretenen Feuerwehrleute, wie man dem „Roten Hahn“mit modernem Gerät wirksam zu Leibe rückt.
„Brandbekämpfung von heute“schilderte im Saal der Ingenieur Jan Südmersen. Der Brandamtmann der Berufsfeuerwehr Osnabrück machte die Wehren aus der Region recht anschaulich mit modernen Einsatztaktiken vertraut.
Vor allem beschäftigte sich der Experte, der sich gerne auch als „Feuerwehrhandwerker“bezeichnete , in seinem dreistündigen Fachvortrag mit dem Thema „Erstangriff“, das in der selbstkritischen Frage gipfelte: „Sind wir wirklich jederzeit einsatzbereit?“. Hier wies Südmersen darauf hin, durch die Verlagerung des Einsatzspektrums in Richtung technische Hilfeleistung sei die taktische Ausbildung zur Brandbekämpfung etwas in Hintertreffen geraten. Doch gerade dieses Thema stelle die Wehren heute vor große Herausforderungen. Moderne Baustoffe, Möbel und auch Bodenbeläge gerieten materialbedingt extrem schnell in Brand und die Zeit vom ersten Funken bis zum Vollbrand habe sich wesentlich verkürzt, wusste der erfahrene Feuerwehrmann.
Doch wie diesem Phänomen begegnen? „Durch Weiterbildung, Ausstattung mit modernen Technik und unkomplizierter Taktik“, empfahl Südmersen, wohl wissend, dass der Bürger nach wie vor Anspruch auf schnelle Hilfe hat. Der Experte brachte es auf den Punkt. „Sind wir nicht schnell, sind wir nicht gut“. Kritik übte Südmersen in diesem Zusammenhang an der Dauer des „Erstschlages“und nannte Gründe dafür. „Die ehrenamtlichen Kräfte werden immer weniger und können bei einem Alarm nicht schnell genug von der Arbeitsstelle weg“. Vielfach würde den Einsatzkräften auch die Routine fehlen, monierte er. Auch dafür hatte er eine Erklärung parat. Angesichts einer Verbreitung von privaten Rauchmeldern seien große Dachstuhlbrände glücklicherweise stark rückläufig. Den Rettern fehlten damit aber auch Erfahrungswerte.
Sich auf die Grundlagen der Brandbekämpfung zu besinnen, empfahl der Brandamtmann seinen Kameraden im Unterallgäu. „Wer die beherrscht, wird auch mit schwierigen, durch Niedrigenergiebauweise ausgelösten Bränden, wie auch mit Feuern an hoch isolierten Gebäuden und leicht entflammbaren Wärmedämmungssystemen fertig“, gab er sich überzeugt.
Südmersen ging auch auf die Brandbekämpfung in der Vergangenheit ein. Eindrucksvoll verglich er Tradition und Innovation. Seine Erfahrung: „Weil heute viel mehr Technik für die Brandbekämpfung zur Verfügung steht, wird es immer schwieriger das richtige Gerät an der richtigen Stelle einzusetzen“. Provokant stellte der Referent die Frage: „Ist die Technik von heute wirklich noch beherrschbar“? Zum Vergleich verwies er auf die Fernbedienung für ein Fernsehgerät mit immer mehr Tasten. „Wie viele davon nutzen sie täglich“, wollte er wissen. Mit dem nötigen Schuss Humor bescherte Jan Südmersen den vom Kreisfeuerwehrverband Unterallgäu eingeladenen Einsatzkräften einen kurzweiligen und informativen Vortrag.
Dies sah auch Bad Wörishofens Bürgermeister Paul Gruschka so. Der Rathauschef warf in seinem Grußwort einen Blick in die Geschichte der Feuerwehren, die bis in die Römerzeit zurückreicht und deren erste Kapitel bereits von den alten Ägyptern geschrieben wurden. Gruschka lobte besonders die Wehren der Kneippstadt und ihrer Ortsteile über den grünen Klee und nannte sie das Rückgrat des Brandund Katastrophenschutzes von Bad Wörishofen. Es sei gut zu wissen und auch beruhigend, so der Bürgermeister, dass es noch Frauen und Männer gibt, die für die Bevölkerung Leben und Gesundheit aufs Spiel setzen, um fremdes Hab und Gut vor Feuergefahren zu retten und Mitmenschen vor Schaden zu bewahren. In der Pause und nach der Veranstaltung konnten sich die Feuerwehrleute bei einer Ausstellung im Foyer des Kurhauses über Gebrauch von Schutzkleidung, Wärmebildkamera und Messgeräten kundig machen.