Er stellt heute den neuen Trainer vor
Memmingens Vorsitzender Armin Buchmann spricht vor der Jahresversammlung über die sportliche Krise, persönliche Fehler bei der Anderl-Entlassung und einen möglichen Abstieg
Herr Buchmann, seit Freitag ist bekannt, dass Sie am heutigen Dienstagabend bei der FCM-Jahresversammlung einen neuen Trainer präsentieren wollen. Wie viele Anfragen haben Sie seitdem denn bekommen? Und wollen Sie es uns nicht auch vorab verraten? Armin Buchmann: (lacht) Nein, haben Sie bitte Verständnis, dass wir den neuen Trainer unseren Mitgliedern exklusiv vorstellen wollen. Es ist von allen Seiten absolutes Stillschweigen vereinbart. Sogar die schriftliche Vertragsunterzeichnung wird ganz kurzfristig vorher stattfinden, damit beide Seiten bei etwaigen Medienanfragen einen vertragslosen Zustand zusichern können – ohne lügen zu müssen.
Fakt ist, Sie werden keinen hauptamtlichen Trainer engagieren? Buchmann: Richtig. Das passt nicht in unser Gefüge. Unsere Region ist vom Handwerk und vom Mittelstand geprägt. Es gibt keine Industriebetriebe, die in Vereine oder Institutionen in einer Größenordnung von ein oder zwei Millionen Euro aufwärts investieren. Wir haben über 160 kleine Unternehmen, die uns zum Teil in der dritten Generation Geld geben und uns mit Nachhaltigkeit unterstützen, aber eben jeden Euro drei Mal umdrehen, weil sie nicht diese großen Gewinne erwirtschaften.
Was würde denn kosten?
Buchmann: Es war hochinteressant, als das Gehalt von Claus-Dieter Wollitz bekannt wurde, weil er sich mit Viertligist Viktoria Köln vor dem Arbeitsgericht traf. Er hatte ein Einkommen von 20000 Euro im Monat, eine Punkteprämie von 1000 Euro, eine Wohnung und ein Auto. Rechnen wir alles zusammen, sind wir bei einem Einkommen, das höher ist als das unserer Kanzlerin Angela Merkel. Und noch einmal, das ist vierte Liga. Auch wenn das ein extremes Beispiel nach oben ist: Ein hauptamtlicher Trainer würde uns mit einem sechsstelligen Betrag belasten. Das könnten wir vielleicht ein, zwei Jahre so machen, aber danach wird nichts mehr so sein, wie es vorher war.
Das heißt, Ihr neuer Trainer kommt wie Stefan Anderl aus einem reduzierten Arbeitsverhältnis?
Buchmann: (Überlegt) Das geben wir dann alles am Dienstag bekannt. Der neue Trainer wird auch da sein und sich vorstellen. Er wird auch seine Ideen und seine private und berufliche Situation erklären.
War Ihr Interimstrainer und Sportlicher Leiter Bernd Kunze in die Suche eigentlich mit eingebunden? Buchmann: Ja, er war involviert – und andere auch. Natürlich werfe ich als Vorsitzender ein gewisses Gewicht in die Waagschale. Aber weil ich selbst nie so richtig Fußball gespielt habe, bin ich schon auf die Urteile von Leuten angewiesen, die sehr wohl wissen, von was sie reden. Ohne das grüne Licht von den Personen, die sich mit dem Trainer dann auch im Alltag auseinandersetzen müssen, würde ich so eine Entscheidung nicht treffen.
Was hat Sie am Neuen überzeugt? Buchmann: Ich habe gespürt, dass er das Umfeld bei uns schätzt und ihn unsere Struktur reizt. Ich habe komischerweise gar nicht viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Und das Finanzielle war in zwei Minuten geklärt.
In welchen Bereichen ist der neue Trainer ganz besonders gefordert? Buchmann: Uns geht es darum, jemanden zu haben, der die Spieler auch psychologisch beim Schopf packen kann, um die Leistungen wieder abzurufen. Denn ich glaube schon, dass bei dem einen oder anderen Spieler das größere Problem gerade im Kopf ist.
Über was werden Sie bei der Jahresversammlung noch berichten? Buchmann: Über unsere sportliche
Misere rede ich ausschließlich hier in diesem Interview – falls Sie mir dazu ein paar Fragen stellen. Ansonsten schaue ich vor den Mitgliedern nach vorn, weil ich weiß, Vergangenheitsbewältigung und Vorwürfe bringen niemanden weiter.
Wir möchten mit Ihnen aber schon noch einmal zurückblicken? Die Entlassung von Stefan Anderl hat hohe Wellen geschlagen ...
Buchmann: Darüber, wie wir ihm die Entscheidung mitgeteilt haben, gab es ja zum Teil böse Leserbriefe. Ich packe mich auch an der eigenen
Nase und sage, dass mir so etwas in dieser Form nicht mehr passieren wird. Grundsätzlich sage ich: Stefan Anderl hat uns ein fantastisches erstes Jahr beschert. Dafür zollen wir ihm Dankbarkeit und Anerkennung. Da gibt’s kein böses Wort.
War Ihr Handeln damals nicht eine Überreaktion?
Buchmann: Nein, irgendwann kam der Punkt, wo ich wusste, jetzt müssen wir etwas ändern, sonst kommen wir nicht mehr raus aus dem Schlamassel. Wir haben aus den ersten acht Spielen einen einzigen Sieg ge- holt und sieben Niederlagen kassiert. Und dann haben wir ihm noch vier Spiele gegeben. Auch wenn die Ausführung unglücklich war, die Entscheidung haben wir uns alles andere als leicht gemacht.
Erinnern Sie sich noch, wann Sie sich gedanklich gegen Anderl gewandt haben?
Buchmann: Das war beim Unterföhring-Spiel. Das war für mich nicht ergebnisorientiert. Ihrer Zeitung gegenüber hat Stefan Anderl gesagt, er sei kein Pizzabote, der Punkte abliefern müsse. Das ist Welten von meiner Anschauung entfernt. Klar sind wir Lieferanten. Wir bekommen zwei Drittel unserer Einnahmen von Fans und Sponsoren und haben keine andere Aufgabe als das Geld so einzusetzen, damit wir maximalen Erfolg haben. Da sind wir in der Pflicht. Und da war auch Stefan Anderl in der Pflicht. Das Entscheidende an dem Abend war für mich aber, dass keiner der Spieler mehr wusste, was er tun muss, um dieses Spiel nicht wieder zu verlieren. Ich habe mich gewundert, wie viele Spielsysteme wir an diesem Abend ausprobiert haben. Waren es fünf, sechs oder sieben? Da wusste ich, dass wir was verändern müssen.
Herr Anderl lamentierte ständig über die Zahl der Verletzten ... Buchmann: Genau das ist der Punkt, wo ich nicht mitmache. Wir könnten jetzt zwei Stunden hier sitzen und ich würde darüber klagen, was alles schlecht ist. Wie viel Geld andere haben und wie viel Verletzte wir haben und und und. Dann habe ich mich zwei Stunden lang entschuldigt und bin genauso weit wie vorher.
Lassen Sie uns ein bisschen in Ihre Seele blicken: Wie geht es Ihnen, wenn Sie solche schwierigen Personalentscheidungen treffen müssen? Buchmann: Da geht’s einem nicht gut. Ganz ehrlich. Ich weiß ja, dass so eine Entscheidung – wenn jemand so einen Erfolg hatte wie Stefan Anderl – hinterfragt, verurteilt und vielleicht auch als falsch angesehen wird. Und da gibt es auch ganz wenige, die so eine Entscheidung mittragen wollen – zumindest öffentlich.
Schauen wir nach vorn: Müssen Sie sich in der Winterpause nach einem neuen Stürmer umschauen? Denn im Angriff hapert’s ja am meisten. Buchmann: Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder Sie haben Ihren Stoßstürmer – wie einen Stefan Schimmer oder Michael Geldhauser. Wenn man die nicht hat, weiß man, dass man das im Kollektiv lösen muss und mehrere Spieler die Tore schießen sollten. Andererseits würde uns ein guter Stürmer schon gut tun.
Ärgert es Sie, wenn beim Memminger Eishockeyverein ECDC manchmal mehr als doppelt so viele Zuschauer sind wie bei Ihnen?
Buchmann: Der ECDC hat natürlich ein Alleinstellungsmerkmal. Wie viele Eishockeyklubs gibt es denn? Natürlich haben die eine tolle Halle und sich positioniert. Uns unterscheidet aber die Historie. Wir liefern seit Jahrzehnten etwas ab. Die aber spielen das erste Mal in der Oberliga. Andererseits muss man auch bedenken, dass wir ein Stadion mit 20 000 Zuschauern gefüllt hätten bei einem Spiel wie gegen 1860 München. Aber unterm Strich hätten wir schon gerne höhere Zuschauerzahlen. Weil wir ja auch mit davon leben.
Welche Summe würde denn dem FCM bei einem Abstieg verloren gehen? Buchmann: Im Endeffekt geht es um einen mittleren fünfstelligen Betrag. Wenn es schlecht läuft, ist es sogar ein sechsstelliger Betrag, der uns bei einem Abstieg in die Bayernliga fehlt. Wichtig ist, dass uns die Unternehmen weiterhin finanziell zur Seite stehen.
Die Fragen stellten Markus Brändle, Freddy Schissler, Stephan Schöttl und Thomas Weiß. D KLASSE SÜD LG E KLASSE LG GAUOBERLIGA LP GAULIGA LP