Die Frau mit den „G’schichtla“
Katharina Küsters Weg war vorgezeichnet. An ihren Ehrentag wird schnell klar, warum sie in Bad Wörishofen so gut wie jeder kennt
Bad Wörishofen In ihrem Herzen ist viel Platz. Und den braucht Katharina Küster auch: Für ihre Familie, ihre Freundinnen und ein kleines Eckchen auch für Bad Wörishofen und Kneipp. Am wichtigsten sind ihr die fünf Kinder, 15 Enkel und acht Urenkel. Für sie hat sie immer ein offenes Ohr, weiß genau, wo gerade ein Schulwechsel ansteht, freut sich mit über eine bestandene Heilpraktikerprüfung – und gibt gerne Rat, wenn sie darum gefragt wird. Sonst nicht. Vielleicht macht gerade das ihre Meinung so wertvoll. Würde man überall mitreden wollen, hätte man bei einer so großen Familie auch reichlich zu tun. Und beim Geburtstag feiern auch. Denn Katharina Küster war es wichtig, dass an ihrem 90. möglichst alle dabei sind.
Sie sieht mit Freude, wie jeder von ihnen seinen eigenen Weg findet. Denn bei ihr war der Weg vorfezeichnet. Genau genommen wurden die Weichen schon in der Generation davor gestellt. Ihr Vater wuchs als eines von 16 Kindern in Unteregg-Bittenau auf. Da man den jungen Burschen als zu schmächtig für die harte Stallarbeit befand, gab man ihm den Ratschlag: „Gehscht nach Werishofa, werscht a Gießa.“Und das tat er auch. Zunächst arbeitete er als Stockdiener im Sebastianeum, in dem seinerzeit nur Männer kurten und arbeiteten.
Später wurde er Bademeister im Sanatorium Baumgarten und erlebte dabei die Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Schulmediziner Alfred Baumgarten und dem Heilpraktiker Bonifaz Reile mit. Auch Sebastian Kneipp, der erst wenige Jahre zuvor verstorben war, soll des öfteren zwischen diese Fronten geraten sein. Später gründete Katharina Küsters Vater seinen eigenen Kurbetrieb. Und so wurde seine Jüngste, die mit einem Bruder und einer Schwester aufwuchs, nicht groß gefragt, welche beruflichen Pläne sie habe. Denn der Kurbetrieb Wißmiller war ein so genanntes öffentliches Bad – und die junge Bademeisterin war in den 1950er Jahren wohl eine der letzten, die sich um fünf Uhr morgens mit dem Fahrrad aufmachte, um den Damen Anwendungen zu verabreichen. Die Kurgäste, die in Privatunterkünften untergekommen waren, wollten nämlich nicht auf ihre Wickel, Heusäcke und Waschungen verzichten. Diese Zeit brachte ihr eine Menge Menschenkenntnis und die Gewissheit, dass die Kneipp´sche Lehre etwas Wichtiges ist, das nicht verloren gehen sollte. „Ich bin eine eiserne Kneippianerin“, gesteht die 90-Jährige. Wenn sie nachts nicht schlafen kann, geht sie nicht zum Medikamentenschrank, sondern ins Bad: Ein kalter Schenkelguss wirkt Wunder. Und im Sommer gehören Wassertreten und kalte Wickel fest zu ihrem Alltag.
1970 hat sie beruflich die Wickel gegen die EDV getauscht. In der Kurgastmeldestelle wurde die elektronische Datenverarbeitung eingeführt: Ein neuer beruflicher Abschnitt für Katharina Küster bis zu ihrer Rente. Als Rentnerin widmete sich die Wörishoferin dann intensiv den „Wörishofer G´schichten“, die sie als Stadtführerin Gästen nahebrachte.
Bis zu ihrem 80. Geburtstag führte sie regelmäßig Gruppen durch die Kneippstadt. Doch auch mit 90 sind die „Wörishofer G´schichten“bei Katharina Küster noch brandaktuell. Mit ihren Freundinnen, etwa Jahrgang 1925 bis 1927, trifft sie sich regelmäßig und gerne zum Kaffeeklatsch.
Sie alle haben die Stadterhebung miterlebt, ein Meilenstein für Bad Wörishofen. Und die stete Entwicklung der Stadt. Das Ländliche gehe immer mehr verloren. Das macht die Damen etwas nachdenklich – auch wenn sie nicht böse darum sind, dass die Straßen heute geteert sind und nicht mehr täglich die Kühe durchs Heilbad getrieben werden.
Zu ihrem 90. Geburtstag überbrachte Zweiter Bürgermeister Stefan Welzel die Glückwünsche der Stadt und des Landrats und der Vorsitzende des Förderkreises Sebastian-Kneipp-Museum, Werner Büchele, brachte ein Geschenk für das „junge“Vereinsmitglied.
Katharina Küster möchte ihr Patentrezept auch für die nächsten zehn Jahre beibehalten: Kontakte, Kneipp und immer ein Fläschchen „Omawasser“(Sekt) im Haus. (tml)