Neue Thora Rolle für Ulm
Jüdische Gemeinde feiert besonderes Ereignis am Sonntag
Ulm Wenn Dov Ginzburg am Sonntag in Ulm hebräische Buchstaben mit dem Federkiel auf Pergament schreibt, hat er eine weite Reise hinter sich: beinahe 4000 Kilometer. Ginzburg ist Sofer, ein kunstfertiger Schreiber hebräischer Texte. Er hat für die jüdische Gemeinde in Ulm eine neue Thora-Rolle gefertigt. Die Buchstaben der heiligen Schrift hat der Mann, der in der Nähe von Nazareth in Israel lebt, von Hand geschrieben. Ein Jahr lang hat diese Arbeit gedauert.
Dass eine jüdische Gemeinde eine neue Thora-Rolle bekommt, ist ein außergewöhnliches Ereignis, das üblicherweise nur etwa alle 50 Jahre vorkommt, wie der Ulmer Rabbiner Shneur Trebnik erklärt. Für Ulm ist es bereits die dritte Rolle in eineinhalb Jahrzehnten. Denn die Gemeinde ist noch nicht alt, erst seit dem Jahr 2000 hat die Stadt wieder einen Ortsrabbiner. Mehrere Thora-Rollen zu besitzen sei für eine Synagoge durchaus üblich, erklärt
Das hat es in Deutschland noch nicht gegeben
Trebnik. Schon aus praktischen Gründen. Denn bei manchen Gottesdiensten werden mehrere Passagen aus der Thora vorgelesen, die auf eine einzige lange Pergamentrolle geschrieben ist.
Wenn die Thora-Rolle am Sonntag in die Gemeinde eingebracht wird, soll das nicht nur ein religiöses Fest sein. Die letzten Buchstaben, die der Tradition gemäß am Ort der Synagoge geschrieben werden, schreibt Sofer Ginzburg im Ulmer Rathaus. Ein Festzug bringt die heilige Schrift von dort zur Synagoge. Rabbiner Trebnik will die Einbringung als Fest der Stadtgesellschaft feiern, er hofft auch auf viele nichtjüdische Besucher.
Die letzten Buchstaben der Thora setzt Sofer Ginzburg im Rathaus aufs Pergament, um den Vertretern der Stadt eine Ehre zu erweisen. Aus diesem Grund hat er am Freitag bereits im Landtag in Stuttgart einige Buchstaben geschrieben – das hat es dem Wissen des Ulmer Rabbiners Trebnik nach in Deutschland noch nie zuvor gegeben.
Rund 50 000 Euro hat das Exemplar der heiligen Schrift gekostet, es soll eleganter verziert sein als die bisherigen Rollen. Die Spenden dafür kamen nicht nur aus der jüdischen Gemeinde, sondern auch von anderen Bürgern. Eingebracht wird sie an einem Tag, an dem die Gemeinde auch das fünfjährige Bestehen der Neuen Synagoge feiert. Diese war am 3. Dezember 2012 eingeweiht – ganz in der Nähe des alten Gotteshauses, das in den Novemberpogromen 1938 von den Nationalsozialisten zerstört worden war.