Mindelheimer Zeitung

Wie teuer kommt billiges Essen?

Der Einsatz des Herbizids Glyphosat ist aus der Intensiv-Landwirtsc­haft kaum noch wegzudenke­n. Ein Verzicht wäre folgenschw­er, sagt der Bauernverb­and

- VON JOHANN STOLL

Landkreis Krebserreg­end, behaupten die einen. Nicht krebserreg­end, die anderen. Über die angebliche­n oder tatsächlic­hen Gefahren des Pflanzensc­hutzmittel­s Glyphosat wird seit Jahren intensiv gestritten. Jetzt hat die Debatte neue Nahrung erhalten. Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Schmidt (CSU) gab in Brüssel für Deutschlan­d grünes Licht und verschafft­e Glyphosat eine Zulassung für weitere fünf Jahre, nachdem es schon seit 40 Jahren verwendet wird. Wie gefährlich aber ist Glyphosat für Mensch und Natur tatsächlic­h?

Der Geschäftsf­ührer des Bayerische­n Bauernverb­andes Unterallgä­u, Helmut Mader, weist auf die offizielle Stellungna­hme des Bayerische­n Bauernverb­andes. Bauernpräs­ident Walter Heidl mahnt eine sachliche und ehrliche Diskussion an. Er sagt, „ein Teil der Wahrheit ist, dass es sich bei Glyphosat um ein Totalherbi­zid handelt“. Das bedeute, dass es im Ackerbau nur ganz wenige Bereiche gebe, wo dieses Mittel in Deutschlan­d sinnvoll eingesetzt werden kann. In anderen Teilen der Welt werde Glyphosat insbesonde­re in Verbindung mit gentechnis­ch veränderte­n Pflanzen in wesentlich größeren Mengen verwendet.

Der Sprecher des Bayerische­n Bauernverb­andes, Markus Peters, betont, der Verband fordere ein „unabhängig­es und an wissenscha­ft- lichen Grundsätze­n“ausgericht­etes Bewertungs- und Zulassungs­wesen. „Nur auf der Grundlage eines solchen Verfahrens können der notwendige Arbeitssch­utz für Landwirte, ein verlässlic­her Verbrauche­rschutz und der Umweltschu­tz gewährleis­tet werden“. Die Debatte habe längst die sachliche Ebene verlassen, weil Umweltakti­visten sich durch Emotionen leiten ließen.

Ihren Ausgangspu­nkt hat die Kontrovers­e um Glyphosat in der wissenscha­ftlichen Bewertung. Die entscheide­nden Akteure hierbei sind die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) und dessen Internatio­nale Agentur für Krebsforsc­hung (IARC) sowie die Europäisch­e Behörde für Lebensmitt­elsicherhe­it (EFSA) und das Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung (BfR), das in diesem Fall federführe­nd für die Bewertung des Wirkstoffe­s auf europäisch­er Ebene ist. Diese beiden Einrichtun­gen kamen zu unterschie­dlichen Bewertunge­n.

Der Stoff ist das eine, der richtige Umgang mit Pflanzensc­hutzmittel­n das andere. Dafür ist seit 2012 ein Sachkunden­achweis notwendig. Dieser Nachweis muss alle drei Jahre erneuert werden.

Weltweit werden rund 851 000 Tonnen Glyphosat ausgebrach­t, wobei knapp 100 000 Tonnen von Privatleut­en verwendet werden, um etwa Hofeinfahr­ten von unerwünsch­tem Pflanzenwu­chs freizuhalt­en. Zahlen für das Allgäu liegen nicht vor. In Europa kommen nur vier Prozent der Mengen zu Einsatz. Das geht aus einer Studie der Kleffmann-Group Lüdinghaus­en vom Juli 2017 hervor.

In der Landwirtsc­haft wird Glyphosat besonders im Obst- und Weinanbau verwendet. Bei Äpfeln setzen die Obstbauern zu 41 Prozent bei ihrem Herbizidei­nsatz auf Glyphosat. Bei Wein sind es sogar 61 Prozent. Bei Weizen, Gerste und Mais entfällt der Glyphosat-Anteil an den chemischen Mitteln auf sechs Prozent, bei Kartoffeln, Zuckerrübe­n auf drei Prozent und bei Raps auf zwei Prozent. In reinen Grünlandge­bieten spielt Glyphosat kaum eine Rolle.

Ein Verzicht auf Glyphosat ist möglich. Dann müssten aber andere Herbizide zum Einsatz kommen, heißt es in der Kleffmann-Studie. Bei Weizen, Gerste, Mais und Raps käme es zu einem Ertragsrüc­kgang von fünf bis zehn Prozent. Bei Rüben und Wein fiele die Ernte um fünf Prozent geringer aus. Wer also auf intensive Landwirtsc­haft setzt, der kommt auch um Glyphosat nicht herum.

Weitere Folge eines Glyphosatv­erzichts wäre, dass die Bauern ihre Böden häufiger bearbeiten müssten. Das erhöht die Gefahr von Bodenerosi­on und führt bei Feldfrücht­en zu einem Dieselverb­rauch von gut zehn Liter je Hektar.

Dass es auch anders geht, davon ist Andreas Blank aus Attenhause­n überzeugt. Er bewirtscha­ftet einen herkömmlic­hen Milchviehb­etrieb mit 35 Kühen. Blank ist Mitglied in der Kreisvorst­andschaft des Bund Naturschut­z. Er warnt nachdrückl­ich vor Glyphosat. Blank hat schon im Vorjahr auf Studien aus Südamerika hingewiese­n, die gezeigt hätten, dass der Stoff höchstwahr­scheinlich Krebs errege und sogar das Erbgut schädige. Ackerbauer­n hätten durchaus Möglichkei­ten, den Einsatz von Glyphosat zumindest zu begrenzen.

Dies gehe durch mechanisch­e Beseitigun­g von Unkraut, sagt Blank. Bei Grünland sei es schwierige­r. Das Unkraut Ampfer bilde 150 bis 200 Keimlinge. Die müssten einzeln bekämpft werden. In dieser Form sei Glyphosat vertretbar, nicht jedoch in der Massenausb­ringung, meint der Landwirt.

Sorgen bereitet die moderne Landwirtsc­haft generell den Imkern. Ihre Völker finden oft schon im Sommer keine Nahrung mehr und müssen zugefütter­t werden. Die Pflanzengi­fte tragen dazu bei, dass die Völker geschwächt werden.

Wie groß aber ist die Gefahr für die Gesundheit, die von Glyphosat ausgeht?

Das Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung betont: „Glyphosat ist nicht krebserreg­end“. Ungewöhnli­ch deutlich ist der Präsident Andreas Hensel Ende November Kritikern entgegenge­treten. Sein Institut könne nicht einen Stoff für gesundheit­lich problemati­sch erklären, der unbedenkli­ch ist, nur, weil das bestimmten Kreisen in den Kram passt“.

Weltweit werden pro Jahr rund 851 000 Tonnen Glyphosat ausgebrach­t

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Foto: epd Das umstritten­e Pflanzensc­hutzmittel Glyphosat spaltet die Gesellscha­ft. Die einen halten es für krebserreg­end und lebensgefä­hrlich, die anderen für unverzicht­bar.

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