Advent mit allen Sinnen
Zur Vorbereitung auf Weihnachten gehört das Backen von Plätzchen. Bei vielen älteren Menschen bringt das Erinnerungen an längst vergessene Tage zurück
Bad Wörishofen Lukas Eyb steht an einem Tisch im Speisesaal des Seniorenzentrums Maximilian. Gemeinsam mit zwei Hauswirtschafterinnen rollt er eifrig Teig aus, verteilt leere Bleche auf den Tischen und legt den Bewohnern die Teigplatten und Ausstechformen zurecht. Es riecht nach Punsch, Zimt und Vanille und leise laufen im Hintergrund Weihnachtslieder. „Schon lange vor Weihnachten fragen viele unserer Bewohner danach, wann wir wieder anfangen zu backen“, erzählt der Ergotherapeut, der auch stellvertretender Leiter der Einrichtung ist. Rund 15 Senioren haben sich an diesem Nachmittag eingefunden, um gemeinsam vier verschiedene Sorten zu backen. Eine, die am eifrigsten bei der Sache ist, ist Margret Otten.
„Natürlich habe ich früher auch selber Plätzchen gebacken. Spritzgebäck und Lebkuchen“, erzählt die 86-Jährige sichtlich gut gelaunt. Und ihre Sitznachbarin Leona Kauth ergänzt: „Gekauft haben wir die nicht, da hätte man ja sonst nicht vom Teig naschen können. Das ist schließlich das Schönste daran.“Selbst wenn ihr davon oftmals schlecht geworden ist, erinnert sie sich gern daran und lacht.
Auch für Antonia Götzfried gehören Plätzchen zu Weihnachten dazu. Obwohl das Backen selber früher nicht zu ihren Lieblingsbeschäftigungen gehörte, wie sie zugibt. Doch gegessen habe sie sie immer gerne: „Vor allem die mit Marmelade, also Spitzbuben und Terrassen.“
Lukas Eyb sagt, es verblüffe ihn immer wieder, dass alle Frauen und Männer sofort wissen, wie die Ausstecher zu handhaben sind und wie sorgfältig sie mit dem Teig umgehen. Schließlich sei ein Teil der Senior-Bäcker mototrisch eingeschränkt oder schon ein wenig vergesslich. „Aber längst Vergangenes wird ja immer besser erinnert als vielleicht das, was vor ein paar Tagen oder sogar Stunden war.“Noch viel mehr, wenn es eine positive Tätigkeit ist, an die man gerne zurückdenkt.
Noch verblüffender ist Ingeborg Bartl: Wie die anderen Bewohner am Tisch sticht sie fleißig ein Plätzchen nach dem anderen aus und legt die blumenförmigen Teigstücke vor sich auf dem Tisch ab. Wer sich jedoch länger mit ihr unterhält, erfährt von ihr, dass sie blind ist. „Ich mache das alles nach Gefühl“, erklärt sie und zeigt, wie sie sich mit beiden Händen an der Teigplatte orientiert und den Teig anschließend mit dem Finger aus der Form drückt.
Die 88-Jährige liebt das Backen und erinnert sich genau, dass sie be- reits zum siebten Mal dabei ist: „Weil ich seit genau sieben Jahren hier bin.“
Einer, der erst seit Kurzem im betreuten Wohnen eingezogen ist, ist Georg Isidor Högg. Er liebt diese gemeinsamen Tätigkeiten: „Schließlich will ich ja nicht allein daheim sitzen bleiben, sondern unter Leute kommen.“Sehr geschickt handhabt er die Förmchen und die Teigpalette und füllt die Bleche mit dunklen und hellen Ausstecherle. Feinmotorische Tätigkeiten liegen ihm, meint er stolz, schließlich sei er Uhrmachermeister und früher mit weitaus kleineren Dingen beschäftigt gewesen. Zum Thema Plätzchen fällt ihm natürlich ein, wie er früher zusammen mit den sieben Geschwistern und der Mutter gebacken habe. „Am Besten waren die Plätzle ja vor Weihnachten“, sagt er und grinst schelmisch.
Die Mutter habe die Dosen mit dem Gebäck zwar immer gut versteckt, aber sie hatten sie jedes Jahr gesucht und gefunden, erzählt er und schmunzelt. Und obwohl die Anzahl der Plätzchen dann rapide abnahm: „Zu Weihnachten waren doch immer noch genügend übrig.“ Das wird auch im Seniorenzentrum der Fall sein. Blech um Blech tragen Eyb und die Hauswirtschafterinnen sie nach draußen in die Küche zum Ofen.
Während sich die Senioren an den Tischen über Weihnachtsmarktbesuche, Glühwein und Marzipanrezepte unterhalten, stechen sie weiter fleißig aus. Nebenher wird außerdem genascht: die Produkte der Weihnachtsbäckerei der letzten beiden Wochen werden mit großem Appetit gekostet. „Das wird dann in den nächsten Tagen zu tun sein: zusammensetzen und verzieren“, gibt Lukas Eyb Auskunft. Er ist froh darüber, dieses Angebot hier in Bad Wörishofen umsetzen zu können. Schließlich habe man hier eine eigene Küche, was in Seniorenheimen längst keine Selbstverständlichkeit mehr sei.
„Das ist immer ein sehr lebendiger Nachmittag. Es bringt unseren Bewohnern wirklich viele schöne Momente aus der Vorweihnachtszeit zurück ins Gedächtnis.“Das sieht man den fleißigen Frauen und Männern rund um die beiden Tische auch an: Viele von ihnen strahlen über das ganze Gesicht.