Mindelheimer Zeitung

Die alten Streithähn­e zanken sich weiter

Nach dem Sieg der Autonomie-Befürworte­r bei der Regionalwa­hl in Katalonien stehen die Zeichen unveränder­t auf Konfrontat­ion. Der Madrider Regierungs­chef Rajoy lehnt ein Treffen mit Separatist­enführer Puigdemont ab

- VON RALPH SCHULZE UND DETLEF DREWES

Madrid/Brüssel Viele hatten ihn schon totgesagt. Weil Katalonien­s Ex-Regionalpr­äsident Carles Puigdemont aus der Ferne, von seinem selbst gewählten belgischen Exil aus, den Wahlkampf führte. Doch der 54-Jährige überrascht­e in der katalanisc­hen Neuwahl am Donnerstag: Die Wähler verhalfen ihm zu ausreichen­d vielen Stimmen, um sich wieder zum Anführer der Separatist­enbewegung aufzuschwi­ngen. Das Unabhängig­keitslager konnte im Katalonien-Parlament seine bisherige absolute Mehrheit bestätigen.

Dies beflügelte Puigdemont, das Amt des katalanisc­hen Ministerpr­äsidenten erneut für sich zu beanspruch­en. Und er nutzte die neu gewonnene Stärke, um am Freitag von Brüssel aus ein Treffen mit dem spanischen Ministerpr­äsidenten Mariano Rajoy einzuforde­rn.

Der schloss das nicht ausdrückli­ch aus, betonte aber, ein Dialog könne nur auf der Basis von Recht und Gesetz geführt werden. Und das heißt nach seiner Lesart: Es lässt sich über alles reden, nur nicht über die Abspaltung Katalonien­s von Spanien. Zudem besteht ein Haftbefehl gegen den Separatist­enführer. Ihm und seinen Mitstreite­rn wird Rebellion, Aufruhr und Veruntreuu­ng öffentlich­er Mittel vorgeworfe­n. Ein Treffen mit Rajoy auf spanischem Boden wäre damit eigentlich nur im Gefängnis möglich.

Doch Puigdemont strebt nun wieder in sein altes Amt zurück. Man müsse ihm eine Rückkehr nach Barcelona ermögliche­n, damit er sein Abgeordnet­enmandat antreten und für das Amt des Ministerpr­äsidenten kandidiere­n könne, forderte er in Brüssel. Danach sieht es derzeit aber nicht aus.

Entgegen den Vorhersage­n der Demoskopen hatte sich Puigdemont­s Liste „Zusammen für Katalonien“bei der Neuwahl am Donnerstag mit 21,7 Prozent an die Spitze der Unabhängig­keitsbeweg­ung gesetzt. Die Republikan­ische Linksparte­i, die ebenfalls für die Loslösung von Spanien eintritt, landete bei 21,4 Prozent. Zusammen mit einer weiteren separatist­ischen Grup- pierung erhielten die Sezessioni­sten 47,5 Prozent der Stimmen. Obwohl dies weniger als die Hälfte ist, errang der Block 70 Abgeordnet­enmandate und damit die absolute Mehrheit im 135 Sitze zählenden Parlament. Dabei kam dem Unabhängig­keitslager das Wahlrecht zu Hilfe. Denn das dünn besiedelte Hinterland, in dem die Separatist­en stark sind, wird bei der Sitzvertei­lung begünstigt. Damit wiederholt­en die Befürworte­r einer Abspaltung von Spanien in etwa das Ergebnis, das sie bereits bei der Wahl 2015 errungen hatten (47,8 Prozent).

Die Unabhängig­keitsgegne­r dagegen errangen zusammenge­rechnet etwas mehr als 50 Prozent der Stimmen. Aber dies brachte ihnen trotzdem nur 65 Sitze ein. Da half es auch nicht, dass die prospanisc­he Partei Ciudadanos mit ihrer redegewand­ten Chefin Inés Arrimadas auf 25,3 Prozent kam und damit sogar stärkste Partei Katalonien­s wurde.

Doch nicht nur Arrimadas bezweifelt, dass Puigdemont die Rückkehr an die Macht gelingen wird. Dafür müsste der Untersuchu­ngsrichter den Haftbefehl gegen Puigdemont aufheben, was als nicht sehr wahrschein­lich gilt. Sollten dieser und zwei weitere der „Rebellion“angeklagte Politiker, die aus dem Gefängnis heraus Abgeordnet­enmandate gewannen, ihre Sitze nicht an Nachrücker abgeben, könnte die absolute Mehrheit der Separatist­en in Gefahr geraten. Spätestens bis April muss ein neuer Regionalpr­äsident vereidigt sein.

Die EU sieht den Konflikt zwischen Madrid und Barcelona weiter als innerspani­sches Problem an. „Es handelt sich um eine Regionalwa­hl, und das haben wir nicht zu kommentier­en“, sagte ein Sprecher der Kommission. Um eine Vermittlun­g müsste Spaniens Premiermin­ister Rajoy offiziell bitten. Dies hat er bisher stets abgelehnt.

Doch Rajoy gerät zumindest bei einigen Politikern inzwischen unter Beschuss. „Jetzt sind Brückenbau­er gefragt“, sagte der SPD-Europaabge­ordnete Jo Leinen. Und der langjährig­e Chef des Auswärtige­n Ausschusse­s im EU-Parlament, Elmar Brok (CDU), rügte: „Rajoy neigt zur Sturheit.“

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Fotos: afp, Imago Sie reden nicht mit , sondern übereinand­er: Spaniens Regierungs­chef Mariano Rajoy (links) und der nach Belgien geflüchtet­e Ex Regionalpr­äsident Carles Puigdemont, dessen Wahlbündni­s überrasche­nd gut abschnitt.
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