Mindelheimer Zeitung

Aldi will Glyphosat aus Lebensmitt­eln verbannen

Der Discounter hat Lieferante­n aufgeforde­rt, ihre Produkte auf das Herbizid hin zu untersuche­n und die Belastung zu reduzieren. Dafür erntet er vielerorts Zustimmung, der Bauernverb­and übt aber auch Kritik

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg Dass eine Naturschut­zorganisat­ion wie der Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d – kurz BUND – den Discounter Aldi lobt, dürfte eine Seltenheit sein. Doch nun ist es so weit. Denn Aldi Nord und Aldi Süd haben eine Allianz gegen Glyphosat geschmiede­t. Die Unternehme­n haben Lieferante­n von Fleisch-, Eier-, und Milchprodu­kten für die Aldi-Eigenmarke in einem Schreiben aufgeforde­rt, ihnen bis Ende Januar mitzuteile­n, wie sie Glyphosat verwenden. Das heißt, in welchem Futtermitt­eln das Herbizid zum Einsatz kommt, wie viel dieser Futtermitt­el sie verfüttern und wie sie darauf verzichten könnten. Das bestätigte das Unternehme­n Aldi unserer Zeitung.

Diese Entscheidu­ng freut die Umweltschü­tzer und ärgert viele Bauern. Hinter der Freude und dem Ärger steht die gleiche Überlegung: Wenn Aldi die Anforderun­gen an seine Lieferante­n anpasst, dann werden andere Lebensmitt­elhändler wohl nachziehen. Denn Aldi gilt nicht nur bei den Preisen von Le- bensmittel­n wie Butter und Milch als Vorreiter.

Deshalb ist Heike Moldenhaue­r, die sich beim BUND um das Thema Glyphosat kümmert, ganz begeistert. „Aldi hat eine enorme Marktmacht, und wenn der Discounter die nutzt, um etwas Gutes zu tun, dann kann das auch viel Gutes bewirken“, sagt sie. Sie geht davon aus, dass Aldi mit dem Vorstoß die Verwendung von Glyphosat langfristi­g senken will. Das ist für sie etwas Gutes. Moldenhaue­r ist auch fest davon überzeugt, dass der Discount-Riese mit seiner Entscheidu­ng nicht alleine bleibt, sondern andere Handelsket­ten folgen werden. „Aldi macht mit der Entscheidu­ng Politik. Und das ist legitim“, findet die BUND-Expertin.

Vor knapp einem Monat haben die EU-Mitgliedss­taaten entschiede­n, die Zulassung für das Totalherbi­zid um weitere fünf Jahre zu verlängern. Das war bis zuletzt umstritten, auch weil das Mittel als potenziell krebsauslö­send gilt. Die Ver- längerung kam unter anderem deshalb zustande, weil Bundesland­wirtschaft­sminister Christian Schmidt (CSU) auf europäisch­er Ebene gegen den Willen von SPD-Umweltmini­sterin Barbara Hendricks zustimmte. Das löste viel Unmut aus – auch bei Verbrauche­rn. Denn die hatten sich in Umfragen immer wieder gegen die Verlängeru­ng ausgesproc­hen.

„Ich habe schon damals prognostiz­iert, dass irgendein Lebensmitt­elhändler diesen Schritt wagen und Glyphosat aus seiner Lieferkett­e verbannen wird. Ich wusste nur nicht, wer den Anfang macht“, sagt BUND-Expertin Moldenhaue­r. Deshalb ist sie momentan ein AldiFan.

Völlig unbegeiste­rt von dem Vorstoß ist dagegen der bayerische Bauernverb­and. Zwar sagt auch Bauernverb­ands-Sprecher Markus Peters: „Im Prinzip war das vorhersehb­ar.“Trotzdem ärgert ihn das Aldi-Schreiben. Aus der Sicht des Bauernverb­andes ist es nicht in Ordnung, wenn ein Lebensmitt­elhändler Politik macht. „Die Bauern müssen die Standards erfüllen, aber Aldi bezahlt dafür keine höheren Preise“, sagt er. Und er spricht noch etwas anderes an: „Wir haben in Bayern Molkereien wie zum Beispiel Berchtesga­dener Land, die gehen diesen Weg gemeinsam mit den Bauern. Die verzichten auf Glyphosat und bezahlen aber auch angemessen­e Preise“, sagt er. Wenn dann aber auch die billige Milch bei Aldi verspreche, frei von Glyphosat zu sein, sähen viele Verbrauche­r keinen Mehrwert darin, das teurere Produkt zu kaufen, befürchtet er. „Aber Nachhaltig­keit hat für mich nicht nur etwas mit einem Umweltschu­tzgedanken zu tun, sondern auch mit Ökonomie.“Deshalb sieht er hinter dem Schreiben vor allem eine gute Marketing-Aktion. „Der Discounter kann am Ende sagen: ,Wir haben bei dem Thema eine weiße Weste.‘ Aber es geht zulasten der Bauern“, urteilt Peters.

Aldi selbst äußert sich auf Anfrage nicht zu seinen genauen Zielen. Allerdings hat der Konzern schon im Frühjahr einen ähnlichen Brief an die Lieferante­n verschickt. Damals ging es um Getreidepr­odukte. Auch darin forderte Aldi die Zulieferer auf, die Glyphosat-Grenzwerte, die die EU für Endprodukt­e vorschreib­t, zu unterschre­iten. Das damalige Schreiben ist recht vage gehalten. Eine Verpflicht­ung lässt sich daraus nicht entnehmen.

Für Beobachter liegt deshalb die Vermutung nahe, dass der Discounter die momentane Debatte und die Stimmung in der Bevölkerun­g geschickt nutzt, um sich ein positives Image aufzubauen. Wie ernst es Aldi wirklich ist, wird sich zeigen, wenn dem Schreiben in den kommenden Monaten Taten folgen.

Ziehen andere Händler nach?

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Foto: Sina Schuldt, dpa Der Discounter Aldi fordert seine Liefe ranten auf, ihre Produkte auf Glyphosat hin zu untersuche­n.

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