Wie Allgäuer Batterien Hurrikan Opfern helfen
Das Unternehmen Sonnen aus Wildpoldsried versorgt arme Leute in Puerto Rico wieder mit Strom
Wildpoldsried Wo früher grüne Regenwälder wuchsen, stehen nur noch braune Stämme, das Holz ist zersplittert, die Hügel kahl. Christoph Ostermann, 46, kann die Zerstörung, die die Hurrikans Irma und Maria diesen Sommer und Herbst auf der mit den USA assoziierten Karibikinsel Puerto Rico angerichtet haben, eindrucksvoll beschreiben. Im November war der Chef des Stromspeicher-Herstellers Sonnen aus Wildpoldsried im Allgäu in dem Land. Die Hurrikans haben die Insel verwüstet, die zu einem großen Teil arme Bevölkerung traf es hart. In dieser Situation entschloss sich das Unternehmen Sonnen, den Menschen dort zu helfen.
Die Wildpoldsrieder Firma ist ein Spezialist für Energiespeicher. Privatleute in Deutschland mit einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach stellen sich solch eine Batterie zum Beispiel in den Keller, um Strom für die Nacht zurückzuhalten. Elektrizität ist genau das, was derzeit in Puerto Rico fehlt. Der Hurrikan knickte Strommasten um, die Leitungen wurden zerstört. Ein großer Teil der Insel ist seit Monaten ohne Strom, berichtet Ostermann. Die Folgen des mittlerweile größten Stromausfalls in der Geschichte der USA seien desaströs.
Ohne Strom funktionieren auch Kläranlagen oder die Wasseraufbereitung nicht. Abwässer verseuchen Flüsse, Bäche und das Meer. Bei Sonnen war man sich sicher, zumindest einigen Menschen schnell eine Lösung bieten zu können. Denn mit einer Photovoltaik-Anlage und einem Batteriespeicher lässt sich in dem sonnenreichen Land schnell eine begrenzte Stromversorgung aufbauen, die in der Lage ist, ein oder einen Gebäudekomplex mit Elektrizität zu versorgen. Fachleute sprechen von einer Insellösung oder einem „Microgrid“.
Die Firma Sonnen hat eine Niederlassung in den USA und eine Partnerfirma in Puerto Rico. In Container verpackt, ließen sich Batterien und Module in überschaubarer Zeit auf die Insel verfrachten. Zusammen mit den Behörden vor Ort identifizierte das Team aus rund zwölf Leuten schnell 15 Einsatzorte, wo Strom besonders dringend gebraucht wird. Ein Projekt ist ein Waschsalon in La Perla, einem Viertel in der Hauptstadt San Juan.
Wer in La Perla wohnt, zählt zum ärmsten Teil der Bevölkerung, berichtet Ostermann. Der Stadtteil ist ein Elendsviertel. Hunde laufen frei durch die Gegend, die Häuser sind mit einfachen Mitteln erbaut. Und seit dem Sturm fehlt auch der Strom – und damit die bloße Möglichkeit, Wäsche waschen zu können. Einige Menschen, berichtet Ostermann, standen davor, ihre Wäsche im Fluss zu waschen, wo Krankheiten lauern. Die Lage, sagt Ostermann, sei „katastrophal“.
Das Team unterstützte deshalb den improvisierten Aufbau eines Waschsalons – eine Anlaufstelle, an der die Bewohner ihre Kleidung säubern können. Basis war eine einfache Garage mit einem Wasseranschluss. Ein Waschmaschinen-Hersteller stiftete fünf Geräte, Sonnen sorgte für den Strom. 169 Haushalte können nun wieder ihre Wäsche säubern. Als er vor Ort war, blickte der Manager aus Deutschland in glückliche Gesichter.
Der Flughafen von Puerto Rico ist wieder offen, so gelang der Sonnen-Chef auf die Insel. Ein Urlaub wurde das nicht: Zwei Millionen der über drei Millionen Einwohner von Puerto Rico leben in oder nahe der Hauptstadt San Juan. Auch dort fehlt noch immer in weiten Teilen der Strom. Es gibt keine Straßenbeleuchtung, ein Großteil der Hochhäuser fällt nachts in Dunkelheit. Notstromaggregate versorgen einiHaus ge Restaurants und Hotels mit Licht, doch viele hatten geschlossen. „Wer Geld hat, kann sich auch dort helfen“, sagt Ostermann. „Die meisten Menschen haben aber nicht viel und so mangelt es an den grundlegenden Dingen.“Zum Beispiel an Trinkwasser und Kühlung für das Essen.
Hurrikan Maria traf im Südosten der Insel auf Land. Dort ist die Zerstörung besonders stark. Im Ort Humacao wollte das Team dafür sorgen, dass die Bewohner zumindest regelmäßig essen können. In einem Gemeindezentrum setzten die Photovoltaik-Anlage und die Batteriespeicher Kühlschränke, Gefrierschränke und eine Wasseraufbereitung in Gang. Jetzt können dort wieder rund 500 Menschen täglich mit Mahlzeiten versorgt werden. Auch an anderen Orten auf der Insel konnte die Stromversorgung aus Deutschland einspringen: in Schulen, einer Werkstatt für behinderte Kinder und einem Waisenhaus. Insgesamt 15 Projekte packten die Wildpoldsrieder an. Ostermann schätzt, dass insgesamt rund 5000 Menschen geholfen wird.
„Viele Nöte und Sorgen, die wir hierzulande haben, relativieren sich, wenn man die Nöte der Betroffenen dort sieht“, beschreibt Ostermann seine Erfahrung. Zusammen mit seinen Kollegen freue er sich, unbürokratisch helfen zu können. Er ist überzeugt, dass ein dezentrales Energiesystem Regionen wie Puerto Rico robuster gegenüber zukünftigen Stürmen machen würde.
Das Unternehmen Sonnen stellt seit 2011 Stromspeicher in Wildpoldsried her. Mittlerweile hat die Firma internationale Niederlassungen und beschäftigt weltweit 390 Angestellte, davon 270 in Wildpoldsried. Die Monate Oktober und November bezeichnet SonnenSprecher Mathias Bloch als „Rekordmonate“, in denen jeweils mehr als 1450 Batteriespeicher verkauft wurden. Schwarze Zahlen schreiben die Wildpoldsrieder aber noch nicht. „Wir wollten ein Wachstumsunternehmen aufbauen und Marktführer werden“, sagt Ostermann. „Das haben wir erreicht.“