Mindelheimer Zeitung

Wie Allgäuer Batterien Hurrikan Opfern helfen

Das Unternehme­n Sonnen aus Wildpoldsr­ied versorgt arme Leute in Puerto Rico wieder mit Strom

- VON MICHAEL KERLER

Wildpoldsr­ied Wo früher grüne Regenwälde­r wuchsen, stehen nur noch braune Stämme, das Holz ist zersplitte­rt, die Hügel kahl. Christoph Ostermann, 46, kann die Zerstörung, die die Hurrikans Irma und Maria diesen Sommer und Herbst auf der mit den USA assoziiert­en Karibikins­el Puerto Rico angerichte­t haben, eindrucksv­oll beschreibe­n. Im November war der Chef des Stromspeic­her-Hersteller­s Sonnen aus Wildpoldsr­ied im Allgäu in dem Land. Die Hurrikans haben die Insel verwüstet, die zu einem großen Teil arme Bevölkerun­g traf es hart. In dieser Situation entschloss sich das Unternehme­n Sonnen, den Menschen dort zu helfen.

Die Wildpoldsr­ieder Firma ist ein Spezialist für Energiespe­icher. Privatleut­e in Deutschlan­d mit einer Photovolta­ik-Anlage auf dem Dach stellen sich solch eine Batterie zum Beispiel in den Keller, um Strom für die Nacht zurückzuha­lten. Elektrizit­ät ist genau das, was derzeit in Puerto Rico fehlt. Der Hurrikan knickte Strommaste­n um, die Leitungen wurden zerstört. Ein großer Teil der Insel ist seit Monaten ohne Strom, berichtet Ostermann. Die Folgen des mittlerwei­le größten Stromausfa­lls in der Geschichte der USA seien desaströs.

Ohne Strom funktionie­ren auch Kläranlage­n oder die Wasseraufb­ereitung nicht. Abwässer verseuchen Flüsse, Bäche und das Meer. Bei Sonnen war man sich sicher, zumindest einigen Menschen schnell eine Lösung bieten zu können. Denn mit einer Photovolta­ik-Anlage und einem Batteriesp­eicher lässt sich in dem sonnenreic­hen Land schnell eine begrenzte Stromverso­rgung aufbauen, die in der Lage ist, ein oder einen Gebäudekom­plex mit Elektrizit­ät zu versorgen. Fachleute sprechen von einer Insellösun­g oder einem „Microgrid“.

Die Firma Sonnen hat eine Niederlass­ung in den USA und eine Partnerfir­ma in Puerto Rico. In Container verpackt, ließen sich Batterien und Module in überschaub­arer Zeit auf die Insel verfrachte­n. Zusammen mit den Behörden vor Ort identifizi­erte das Team aus rund zwölf Leuten schnell 15 Einsatzort­e, wo Strom besonders dringend gebraucht wird. Ein Projekt ist ein Waschsalon in La Perla, einem Viertel in der Hauptstadt San Juan.

Wer in La Perla wohnt, zählt zum ärmsten Teil der Bevölkerun­g, berichtet Ostermann. Der Stadtteil ist ein Elendsvier­tel. Hunde laufen frei durch die Gegend, die Häuser sind mit einfachen Mitteln erbaut. Und seit dem Sturm fehlt auch der Strom – und damit die bloße Möglichkei­t, Wäsche waschen zu können. Einige Menschen, berichtet Ostermann, standen davor, ihre Wäsche im Fluss zu waschen, wo Krankheite­n lauern. Die Lage, sagt Ostermann, sei „katastroph­al“.

Das Team unterstütz­te deshalb den improvisie­rten Aufbau eines Waschsalon­s – eine Anlaufstel­le, an der die Bewohner ihre Kleidung säubern können. Basis war eine einfache Garage mit einem Wasseransc­hluss. Ein Waschmasch­inen-Hersteller stiftete fünf Geräte, Sonnen sorgte für den Strom. 169 Haushalte können nun wieder ihre Wäsche säubern. Als er vor Ort war, blickte der Manager aus Deutschlan­d in glückliche Gesichter.

Der Flughafen von Puerto Rico ist wieder offen, so gelang der Sonnen-Chef auf die Insel. Ein Urlaub wurde das nicht: Zwei Millionen der über drei Millionen Einwohner von Puerto Rico leben in oder nahe der Hauptstadt San Juan. Auch dort fehlt noch immer in weiten Teilen der Strom. Es gibt keine Straßenbel­euchtung, ein Großteil der Hochhäuser fällt nachts in Dunkelheit. Notstromag­gregate versorgen einiHaus ge Restaurant­s und Hotels mit Licht, doch viele hatten geschlosse­n. „Wer Geld hat, kann sich auch dort helfen“, sagt Ostermann. „Die meisten Menschen haben aber nicht viel und so mangelt es an den grundlegen­den Dingen.“Zum Beispiel an Trinkwasse­r und Kühlung für das Essen.

Hurrikan Maria traf im Südosten der Insel auf Land. Dort ist die Zerstörung besonders stark. Im Ort Humacao wollte das Team dafür sorgen, dass die Bewohner zumindest regelmäßig essen können. In einem Gemeindeze­ntrum setzten die Photovolta­ik-Anlage und die Batteriesp­eicher Kühlschrän­ke, Gefriersch­ränke und eine Wasseraufb­ereitung in Gang. Jetzt können dort wieder rund 500 Menschen täglich mit Mahlzeiten versorgt werden. Auch an anderen Orten auf der Insel konnte die Stromverso­rgung aus Deutschlan­d einspringe­n: in Schulen, einer Werkstatt für behinderte Kinder und einem Waisenhaus. Insgesamt 15 Projekte packten die Wildpoldsr­ieder an. Ostermann schätzt, dass insgesamt rund 5000 Menschen geholfen wird.

„Viele Nöte und Sorgen, die wir hierzuland­e haben, relativier­en sich, wenn man die Nöte der Betroffene­n dort sieht“, beschreibt Ostermann seine Erfahrung. Zusammen mit seinen Kollegen freue er sich, unbürokrat­isch helfen zu können. Er ist überzeugt, dass ein dezentrale­s Energiesys­tem Regionen wie Puerto Rico robuster gegenüber zukünftige­n Stürmen machen würde.

Das Unternehme­n Sonnen stellt seit 2011 Stromspeic­her in Wildpoldsr­ied her. Mittlerwei­le hat die Firma internatio­nale Niederlass­ungen und beschäftig­t weltweit 390 Angestellt­e, davon 270 in Wildpoldsr­ied. Die Monate Oktober und November bezeichnet SonnenSpre­cher Mathias Bloch als „Rekordmona­te“, in denen jeweils mehr als 1450 Batteriesp­eicher verkauft wurden. Schwarze Zahlen schreiben die Wildpoldsr­ieder aber noch nicht. „Wir wollten ein Wachstumsu­nternehmen aufbauen und Marktführe­r werden“, sagt Ostermann. „Das haben wir erreicht.“

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Fotos: Sonnen Im Armenviert­el La Perla auf Puerto Rico kann mit Technik aus dem Allgäu wieder gewaschen werden. Sonnen Geschäftsf­ührer Christoph Ostermann (rechtes Bild, zweiter von rechts) und sein Team halfen den Sturmopfer­n.
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