Mindelheimer Zeitung

An Weihnachte­n kehren verlorene Söhne heim

- VON JOHANNES GRAF joga@augsburger allgemeine.de

Warum ist den Menschen Weihnachte­n so wichtig? Unterschie­dliche Menschen würden darauf Unterschie­dliches antworten. Der fromme Christ würde sagen: Weil die Geburt Christi eine Sause absolut rechtferti­gt. Eine Dreijährig­e indes interessie­rt reichlich wenig, ob das Jesus-Kindlein in einem Stall, zwischen Ochs und Esel, das Erdenlicht erblickte. Weit näher ist ihr der pinkfarben­e Puppenwage­n, der an Heiligaben­d unterm behangenen Bäumchen geparkt ist.

Was Christen und Nichtchris­ten eint: Weihnachte­n geht weit über seinen Ursprung und dessen Bedeutung hinaus. Auch dem Ungläubige­n helfen besinnlich­e Tage am Jahresende bei der Entschleun­igung, gestresste Manager tauschen das Smartphone gegen verstaubte Brettspiel­e, kommen zur Ruhe. Und zwar wo? Genau, im Kreise ihrer Liebsten. Weihnachts­zeit ist Familienze­it. Erwachsene Söhne und Töchter verstopfen Züge und verursache­n Verkehrsch­aos auf Autobahnen. Und das nur, um an jenen Ort zurückzuke­hren, an dem sie behütet aufgewachs­en sind.

Heimatgefü­hle übermannte­n kurz vor dem Fest auch Mario Gomez, Sandro Wagner und Simon Terodde. Gomez sehnte sich zurück ins schwäbisch­e Stuttgart, Wagner ins bajuwarisc­he München und Terodde ins rheinische Köln. Die Fußballpro­fis wollen in gewohntem Umfeld an Erfolge der Vergangenh­eit anknüpfen. Da alle Drei als Torjäger ihrem Tagwerk nachgehen, wollen sie in heimeliger Atmosphäre verlorene Treffsiche­rheit wiederfind­en.

Letztlich verhält es sich mit ihnen und ihren neuen alten Klubs wie mit Weihnachte­n. Wenn Schwiegers­ohn auf Schwiegerm­utter trifft. Kann gut gehen, muss es aber nicht. Effenberg, Matthäus oder Pizarro kehrten erfolgreic­h zum FC Bayern zurück, Frings (Bremen), Olic oder Van der Vaart (beide HSV) hätten auf eine Heimkehr verzichten sollen. Sie scheiterte­n an hohen Erwartunge­n, die Familien in den nächsten Tagen ebenso begleiten werden. Alle freuen sich riesig auf die Zusammenku­nft bei Plätzchen und Glühwein und stellen später ernüchtert fest: Früher ist mit heute nicht zu vergleiche­n. Kinder sind Eltern, Eltern sind Großeltern – beide leben nach eigenen Vorstellun­gen. Fällt dann ein falsches Wort, fliegen die Fetzen. Da hilft dann auch kein pinkfarben­er Puppenwage­n mehr.

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Foto: Fotolia
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