Mindelheimer Zeitung

Jesus war immer wichtiger

Der Mindelheim­er Georg Peter ist am Heiligen Abend geboren. Die Feier von Jesu Geburt hatte stets Vorrang vor seiner eigenen. Warum das den heute 85-Jährigen nie gestört hat

- VON JENS REITLINGER

Mindelheim Weihnachte­n und der eigene Geburtstag – zwei Ereignisse im Jahr, auf die sich Kinder besonders freuen. Und das liegt nicht allein an den Geschenken. Familie und Freunde kommen zusammen und lassen es sich gut gehen: Sowohl der eigene als auch Jesu Geburtstag sind keine alltäglich­en Daten. Großes Pech also für diejenigen, deren Geburtstag auf den 24. Dezember fällt? „Wirklich nicht“, sagt Georg Peter aus Mindelheim und lacht. Der Rentner feiert in diesem Jahr zum 85. Mal beide Ereignisse am gleichen Tag.

„Genau genommen hat mein Geburtstag viele Jahre lang überhaupt keine Rolle gespielt“, sagt Peter und erinnert sich: Während seiner Kindheit sei es schlicht nicht gebräuchli­ch gewesen, Geburtstag­e zu feiern. Gratuliert habe man sich üblicherwe­ise zum Namenstag, diese Ehre wurde ihm jedes Jahr Ende April zuteil. Größere Geschenke im heutigen Stil waren damals auch nicht vorgesehen. „Nicht, dass es uns an etwas gefehlt hätte, aber gab nichts, was wir uns hätten schenken können“, sagt Peter, der mit seinen Geschwiste­rn auf dem Bauernhof seiner Eltern in Kirchheim aufwuchs. „Gelegentli­ch gab es irgendeine Kleinigkei­t – eine Flasche Limonade, ein Stückchen Schokolade“, erzählt er.

Der mit Abstand wichtigere Termin im Jahreskale­nder seiner Familie war stets das Weihnachts­fest, auf das sich die Kinder auch damals freuten. „Jedes Jahr kurz vor Weihnachte­n wurde bei uns ein Schwein geschlacht­et“, sagt Peter. So wie man heute Plätzchen im Bekanntenk­reis verteilt, versorgte seine Familie da- das nähere Umfeld mit frischem Fleisch und Kesselsupp­e. An den Weihnachts­feiertagen habe es im Kreise der Familie daher als Festtagses­sen stets einen frischen Braten, Koteletts oder Würstchen gegeben.

Etwas Besonderes war auch der Ort, an dem die Familie Weihnachte­n feierte: „Das war einer der wenigen Tage des Jahres, an denen wir in die Stube durften“, erzählt er. Wie ein Heiligtum sei sie behandelt und gepflegt worden. Da sich in der Küche der Alltag abspielte, war das Wohnzimmer den besonderen Anlässen vorbehalte­n. Während Peter mit seinen vier Geschwiste­rn warten musste, schmückte seine Mutter den Baum, den sein Vater zuvor im eigenen Wald gefällt hatte.

Gemeinsam mit seinen Geschwiste­rn freute sich Georg Peter dann über Spielsache­n und Naschereie­n, die sie gemeinsam unter dem Baum auspackten. „Von unserer Tante aus München haben wir einmal eine Ritterburg und ein kleines Blechschif­fchen bekommen“, weiß der 85-Jähmals rige noch. Jedes Jahr wurde in der Stube außerdem die Krippe aufgebaut, an deren Entstehung sich die ganze Familie mit Schnitzen und Malen beteiligte. Wie auch der Baum, stammte das Holz für die Figuren und Tiere aus dem eigenen Wald. „Die Krippe ist eine Tradition für uns, auch heute bauen wir sie für die Enkel gerne noch auf“, sagt Peter, der viele Jahre am Mindelheim­er Bahnhof als Fahrdienst­leiter gearbeitet hat.

Spät am Abend reihte sich die ganze Familie in den Zug derer ein, die die letzte Messe besuchten. In der Nacht von Peters Geburt im Jahr 1932 waren es jene nächtliche­n Kirchgänge­r, die durch die Schreie des Neugeboren­en als Erste von der Geburt des zweiten Kinds der Familie erfuhren. Als es in Mode kam, Geburtstag­e zu feiern, war Peter bereits erwachsen und Vater zweier Kinder. „Da haben wir vormittags ein bisschen Geburtstag und abends Weihnachte­n gefeiert“, sagt er. Das ist bis heute so geblieben: Nachmittag­s kommen Freunde, abends sieht sich Georg Peter zusammen mit seiner Frau Marianne die Weihnachts­messe im Fernsehen an und lässt so den doppelten Feiertag ausklingen.

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Foto: jmr Die alte Familienkr­ippe ist für das „Geburtstag­s Christkind“Georg Peter ein wichtiges Stück Weihnachts­tradition.

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