Mindelheimer Zeitung

Warum eine junge Muslimin aufs Christkind hofft

Eine Elfjährige wünscht sich sehnlichst ein rosa Handy. Als plötzlich eines vor ihr auf der Straße liegt, tut sie das Richtige

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Mindelheim Was muss das für eine Versuchung gewesen sein: Seit Monaten wünscht sich Sohal Malakzaela aus Mindelheim ein Handy – und jetzt liegt es einfach da, direkt vor ihren Füßen auf dem Gehweg. Nicht irgendein Handy, sondern genau so eines, wie sie es sich wünscht: pink, mit abgerundet­en Ecken. In der Dunkelheit wäre die Elfjährige beinahe darauf getreten. Sie hebt es auf, stellt fest, dass es nicht mit einem Passwort geschützt ist und wählt eine der Nummern aus dem Adressbuch, um den Besitzer ausfindig zu machen. Den ersten Mann versteht sie nicht, er spricht eine Sprache, die sie nicht kennt. Doch beim zweiten hat sie mehr Glück: Sie vereinbare­n, dass sie das Telefon zur Polizei bringt und es der Besitzer dort abholt.

„Der Polizist hat gesagt, dass ich etwas Gutes gemacht habe“, sagt Sohal mit einem schüchtern­en Lächeln. Seit rund vier Jahren lebt die junge Afghanin in Deutschlan­d und fühlt sich sehr wohl hier. „In Deutschlan­d ist man frei“, sagt sie. „Hier macht es Spaß.“In ihrem Heimatland sei das anders gewesen, da sei schließlic­h Krieg. „Da sind alle gestorben“, sagt sie und wird kurz still.

Sohal ist aufgeweckt­es, sehr höfliches Kind. Deshalb war es für sie auch selbstvers­tändlich, das Handy nicht einfach einzusteck­en. „Ich kann das nicht behalten. Das gehört mir ja nicht“, sagt sie.

Was freilich nichts daran ändert, dass sie immer noch gerne ein eigenes Handy hätte. Ihre Freundinne­n haben schließlic­h auch alle eins. Außerdem könnte sie sich dann noch leichter mit ihnen verabreden, glaubt sie, sie könnte Filme anschauen und vor allem Musik hören. ein Deshalb hofft Sohal nun sehr auf das Christkind.

Als Muslimin kennt sie das zwar eigentlich nicht, so wie sie bis vor vier Jahren Weihnachte­n nicht kannte. Doch seit Sohal, ihre vier Geschwiste­r und die Eltern in Deutschlan­d sind, feiern sie das Fest eben mit. Ohne Baum oder Krippe, aber mit vielen Bekannten. „Das ganze Haus ist voll. Es ist sehr schön und sehr lustig. Ich freue mich schon so sehr auf Weihnachte­n“, sagt sie und blickt kurz auf den Kalender an der Wand. Und dann hat ihr ein Freund der Familie angeboten, einen Brief ans Christkind zu schreiben und ihm von ihrem Wunsch zu berichten. „Aber die Wünsche werden nicht immer wahr“, weiß Sohal.

Auch über einen indischen Sari würde sie sich riesig freuen, doch ihr größter Wunsch ist ein ganz anderer: „Mein Herzenswun­sch ist, dass meine Eltern für immer bei mir sind und gesund bleiben.“

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Sohal Malakzaela

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