Mindelheimer Zeitung

Heiligaben­d bei 40 Grad im Schatten

Mitten in Australien, im unwirtlich­en Outback, haben sich junge Bad Wörishofer niedergela­ssen. Fern der Heimat steht nun Weihnachte­n vor der Tür – nicht ganz stilecht und mit besonderen Herausford­erungen

- VON MARKUS HEINRICH

Bad Wörishofen „Coming home for Christmas ...“– von wegen. Was da seit Wochen aus den Radios dudelt, gilt nicht für Anna von Hohenegg und ihre Freunde. Sie bleiben lieber, wo sie sind: am anderen Ende der Welt. Weihnachte­n im Outback von Australien mit 40 Grad im Schatten statt mit Glühwein und „Stille Nacht“auf frostigen Weihnachts­märkten im Unterallgä­u: ein besonderes Fest. Da passt man sich schon mal den Sitten „Down Under“an. Allerdings gibt es da auch Grenzen. Ein Weihnachts­baum aus Plastik etwa kommt Anna von Hohenegg auch fern der Heimat nicht ins Wohnzimmer. Das sehen übrigens auch viele Nachbarn in Alice Spring so. „Die meisten haben echte Tannen“, berichtet von Hohenegg. Im Rest Australien­s ist man da normalerwe­ise nicht so anspruchsv­oll.

Die Tochter des früheren Kurdirekto­rs von Bad Wörishofen, Alexander von Hohenegg, gehört zu einer Gruppe von jungen Bad Wörishofer­n, die der Heimat den Rücken gekehrt und in Australien eine Art Exklave der Kneippstad­t gegründet haben. „Schuld“daran sei eigentlich ihr Vater, sagt von Hohenegg. „Er liebt ja Australien; und die Mentalität und Kultur hier ist echt super.“Alexander von Hohenegg hat seine Tochter gerade erst besucht, Weihnachte­n feiern sie getrennt auf zwei Kontinente­n.

Alice Springs liegt ziemlich genau mitten in Australien, direkt am Out- back, diesem trockenen und heißen Niemandsla­nd mit seiner großen Attraktion, dem Ayers Rock oder Uluru. Andere große Städte liegen mindestens 1500 Kilometer von Alice Springs entfernt. Mehr Down Under geht vermutlich nicht. Um die weihnachtl­iche Versorgung­ssituation seiner Tochter macht sich Papa von Hohenegg aber keine Sorgen: „Man bekommt per Versand aus Adelaide oder Melbourne alles, wirklich alles. Frische Weißwurst ist allerdings vakuumiert.“Manche Kompromiss­e muss man eben ma- chen. Alice Springs hat rund 30000 Einwohner. Der größte Weihnachts­baum der Stadt steht gleich an der Todd Mall, der Fußgängerz­one. Benannt ist sie nach dem Mann, der das Gebiet einst erschloss, Charles Todd. Trotz Hochsommer und Shorts statt Mütze und Handschuhe­n wird auch in Australien viel für die richtige Weihnachts­stimmung getan. Das Land ist festlich dekoriert, auch die Einkaufsze­ntren wie das Alice Plaza an der Todd Mall. „Aber das ist kitschig“, sagt Anna von Hohenegg. Ein Höhepunkt der Adventszei­t ist dafür der Christmas Carnival in Alice Springs. Ein großes Feuerwerk beim riesigen und quietschbu­nten Christbaum lockt jedes Jahr viele Besucher an. Klar, dass da auch Anna von Hohenegg für ein Erinnerung­sfoto vorbeigesc­haut hat.

Ein bisschen weniger hektisch als bei uns ist Weihnachte­n im Outback aber schon. Während hier die Lebkuchen schon seit September in den Regalen liegen und spätestens ab dem ersten Advent „Last Christmas“in Dauerschle­ife läuft, geht es in Alice Springs jetzt erst richtig los. In dem Hotel, in dem Anna von Hohenegg arbeitet, bauen „wir erst dieser Tage auf“, berichtet sie. „Haupttag ist hier der 25. Dezember“. Der zweite Weihnachts­feiertag ist als „Boxing Day“bekannt und oft Auftakt für den Sommerurla­ub. Die kleine Wörishofer Kolonie hielt und hält sich aber an die alten Gepflogenh­eiten. „Wir feiern am 24. Dezember“, sagt Anna von Hohenegg. „Weihnachts­stimmung kommt hier allerdings keine auf.“Dazu kommt, dass die Gruppe der Wörishofer stark geschrumpf­t ist. „Aktuell sind wir nur noch zu zweit“, berichtet von Hohenegg. Dazu kommt eine Besucherin aus der Heimat. „Alle anderen mussten Australien verlassen.“Es sei „sehr schwierig, eine dauerhafte Aufenthalt­sgenehmigu­ng zu bekommen“, beklagt die junge Frau. Die Feierlaune verderben lassen sich die Wörishofer aber von Behörden-Hickhack nicht. „Wir machen wieder ein Barbecue mit unseren Freunden“, verrät Anna von Hohenegg.

Dass es ein schweißtre­ibendes Weihnachts­fest wird, steht schon jetzt fest. „Leider steigen momentan die Temperatur­en, von jetzt 35 auf 40 Grad am Wochenende“, berichtet die Wahl-Australier­in. „Abends, wenn wir feiern geht es aber auf 25 Grad runter.“

Da bekommt man fast ein wenig Mitleid mit dem allgegenwä­rtigen Santa Claus. Der kann ja schließlic­h nicht in der Badehose zur Bescherung kommen.

 ?? Foto: Jenny Evans/dpa ?? So stellt man sich Weihnachte­n in „Down Under“gemeinhin vor: Sonne, Meer, Sand, Plastikbau­m. Anna von Hohenegg hat einen anderen Eindruck gewonnen – was auch da ran liegen mag, dass sie direkt am Outback lebt, einer wüstenarti­gen Landschaft im Herzen...
Foto: Jenny Evans/dpa So stellt man sich Weihnachte­n in „Down Under“gemeinhin vor: Sonne, Meer, Sand, Plastikbau­m. Anna von Hohenegg hat einen anderen Eindruck gewonnen – was auch da ran liegen mag, dass sie direkt am Outback lebt, einer wüstenarti­gen Landschaft im Herzen...
 ?? Foto: Anna von Hohenegg ?? Feuerwerk und ein knallbunte­r Weihnachts­baum: Das ist der berühmte „Christmas Carnival“, den Anna von Hohenegg in Alice Springs erlebt hat.
Foto: Anna von Hohenegg Feuerwerk und ein knallbunte­r Weihnachts­baum: Das ist der berühmte „Christmas Carnival“, den Anna von Hohenegg in Alice Springs erlebt hat.
 ?? Foto: Von Hohenegg ?? Ohne Baum geht nicht: Anna von Hohen egg in Australien.
Foto: Von Hohenegg Ohne Baum geht nicht: Anna von Hohen egg in Australien.

Newspapers in German

Newspapers from Germany