Heiligabend bei 40 Grad im Schatten
Mitten in Australien, im unwirtlichen Outback, haben sich junge Bad Wörishofer niedergelassen. Fern der Heimat steht nun Weihnachten vor der Tür – nicht ganz stilecht und mit besonderen Herausforderungen
Bad Wörishofen „Coming home for Christmas ...“– von wegen. Was da seit Wochen aus den Radios dudelt, gilt nicht für Anna von Hohenegg und ihre Freunde. Sie bleiben lieber, wo sie sind: am anderen Ende der Welt. Weihnachten im Outback von Australien mit 40 Grad im Schatten statt mit Glühwein und „Stille Nacht“auf frostigen Weihnachtsmärkten im Unterallgäu: ein besonderes Fest. Da passt man sich schon mal den Sitten „Down Under“an. Allerdings gibt es da auch Grenzen. Ein Weihnachtsbaum aus Plastik etwa kommt Anna von Hohenegg auch fern der Heimat nicht ins Wohnzimmer. Das sehen übrigens auch viele Nachbarn in Alice Spring so. „Die meisten haben echte Tannen“, berichtet von Hohenegg. Im Rest Australiens ist man da normalerweise nicht so anspruchsvoll.
Die Tochter des früheren Kurdirektors von Bad Wörishofen, Alexander von Hohenegg, gehört zu einer Gruppe von jungen Bad Wörishofern, die der Heimat den Rücken gekehrt und in Australien eine Art Exklave der Kneippstadt gegründet haben. „Schuld“daran sei eigentlich ihr Vater, sagt von Hohenegg. „Er liebt ja Australien; und die Mentalität und Kultur hier ist echt super.“Alexander von Hohenegg hat seine Tochter gerade erst besucht, Weihnachten feiern sie getrennt auf zwei Kontinenten.
Alice Springs liegt ziemlich genau mitten in Australien, direkt am Out- back, diesem trockenen und heißen Niemandsland mit seiner großen Attraktion, dem Ayers Rock oder Uluru. Andere große Städte liegen mindestens 1500 Kilometer von Alice Springs entfernt. Mehr Down Under geht vermutlich nicht. Um die weihnachtliche Versorgungssituation seiner Tochter macht sich Papa von Hohenegg aber keine Sorgen: „Man bekommt per Versand aus Adelaide oder Melbourne alles, wirklich alles. Frische Weißwurst ist allerdings vakuumiert.“Manche Kompromisse muss man eben ma- chen. Alice Springs hat rund 30000 Einwohner. Der größte Weihnachtsbaum der Stadt steht gleich an der Todd Mall, der Fußgängerzone. Benannt ist sie nach dem Mann, der das Gebiet einst erschloss, Charles Todd. Trotz Hochsommer und Shorts statt Mütze und Handschuhen wird auch in Australien viel für die richtige Weihnachtsstimmung getan. Das Land ist festlich dekoriert, auch die Einkaufszentren wie das Alice Plaza an der Todd Mall. „Aber das ist kitschig“, sagt Anna von Hohenegg. Ein Höhepunkt der Adventszeit ist dafür der Christmas Carnival in Alice Springs. Ein großes Feuerwerk beim riesigen und quietschbunten Christbaum lockt jedes Jahr viele Besucher an. Klar, dass da auch Anna von Hohenegg für ein Erinnerungsfoto vorbeigeschaut hat.
Ein bisschen weniger hektisch als bei uns ist Weihnachten im Outback aber schon. Während hier die Lebkuchen schon seit September in den Regalen liegen und spätestens ab dem ersten Advent „Last Christmas“in Dauerschleife läuft, geht es in Alice Springs jetzt erst richtig los. In dem Hotel, in dem Anna von Hohenegg arbeitet, bauen „wir erst dieser Tage auf“, berichtet sie. „Haupttag ist hier der 25. Dezember“. Der zweite Weihnachtsfeiertag ist als „Boxing Day“bekannt und oft Auftakt für den Sommerurlaub. Die kleine Wörishofer Kolonie hielt und hält sich aber an die alten Gepflogenheiten. „Wir feiern am 24. Dezember“, sagt Anna von Hohenegg. „Weihnachtsstimmung kommt hier allerdings keine auf.“Dazu kommt, dass die Gruppe der Wörishofer stark geschrumpft ist. „Aktuell sind wir nur noch zu zweit“, berichtet von Hohenegg. Dazu kommt eine Besucherin aus der Heimat. „Alle anderen mussten Australien verlassen.“Es sei „sehr schwierig, eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen“, beklagt die junge Frau. Die Feierlaune verderben lassen sich die Wörishofer aber von Behörden-Hickhack nicht. „Wir machen wieder ein Barbecue mit unseren Freunden“, verrät Anna von Hohenegg.
Dass es ein schweißtreibendes Weihnachtsfest wird, steht schon jetzt fest. „Leider steigen momentan die Temperaturen, von jetzt 35 auf 40 Grad am Wochenende“, berichtet die Wahl-Australierin. „Abends, wenn wir feiern geht es aber auf 25 Grad runter.“
Da bekommt man fast ein wenig Mitleid mit dem allgegenwärtigen Santa Claus. Der kann ja schließlich nicht in der Badehose zur Bescherung kommen.